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Open Access 2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Mit Innovation zu den Top 1 %

verfasst von : Michael Nübler

Erschienen in: Inklusives Wachstum und wirtschaftliche Sicherheit

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Innovation ist schöpferische Zerstörung. Neues ersetzt Altes. Neue Jobs mit höheren Löhnen und besseren Perspektiven entstehen. Während die Arbeitenden in schrumpfenden Firmen sich neu orientieren müssen, profitieren die Talentierten, Unternehmer und Reichen.
Relevanz
Innovation ist schöpferische Zerstörung. Neues ersetzt Altes. Neue Jobs mit höheren Löhnen und besseren Perspektiven entstehen. Während die Arbeitenden in schrumpfenden Firmen sich neu orientieren müssen, profitieren die Talentierten, Unternehmer und Reichen. Der Einkommensanteil der Top 1 % steigt. Aber nicht jeder Reichtum ist schlecht. Innovative Start-ups machen ihre Gründer reich. Auf dem Weg nach oben nehmen sie viele mit. Wenn jedoch die etablierten Eliten den Marktzugang behindern und mit Innovation monopolistische Gewinne steigern, verteidigen sie ihre privilegierte Stellung und zementieren die Verteilung. Wettbewerb und offene Märkte helfen auf zweifache Weise. Mehr Wettbewerb senkt die Preise für alle und beseitigt die anstößigen Monopoleinkommen der Reichen. Fairer Wettbewerb macht Platz für neue Aufsteiger von unten nach oben und steigert die soziale Mobilität.
Christian Keuschnigg und Michael Kogler
Quelle
Der nachfolgende Text ist eine Zusammenfassung von: Aghion, Philippe, Ufuk Akcigit, Antonin Bergeaud, Richard Blundell und David Hemous (2015), Innovation and Top Income Inequality, NBER WP 21247 (revised Nov. 2016).
In den letzten Jahrzehnten hat in vielen entwickelten Ländern die Einkommensungleichheit zugenommen. Die Spitzenverdiener erhalten einen immer größeren Anteil am Gesamteinkommen. Diese Entwicklung hat zuletzt starke Aufmerksamkeit auf sich gezogen wie sich etwa anhand der Occupy Wall Street Bewegung, von Thomas Pikettys Buch „Kapital im 21 Jahrhundert“ und der Vergabe des Nobelpreises an Angus Deaton für seine Forschungen zu Armut und Wohlfahrt zeigt. Viele sehen die Ursachen der Einkommensungleichheit vorwiegend in der Innovation und der Globalisierung. Neue Informations- und Kommunikationstechnologien, die globale Aufspaltung der Wertschöpfungsketten verbunden mit einer Auslagerung von arbeitsintensiven Produktionszweigen und die zunehmende Automatisierung durch Einsatz von Robotern gingen mit steigender Einkommensungleichheit einher. Diese Beobachtungen legen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Innovation und Ungleichheit nahe.
Neue Technologien steigern die Produktivität und erhöhen Einkommen und Wohlstand. Aber nicht alle haben am Wachstum gleichmäßig teil. Neuere Forschungsergebnisse zeigen, dass Innovation auch die Einkommensverteilung verändert. Der technologische Fortschritt lässt routineintensive Tätigkeiten wegfallen und setzt vor allem mittlere Einkommen unter Druck. Dagegen profitieren Spitzenverdiener wie Unternehmer oder Manager meist überproportional stark von den Innovationserträgen. Gleichzeitig bedeutet Innovation im Sinne des österreichischen Ökonomen Joseph Schumpeter schöpferische Zerstörung, indem innovative Unternehmen neu in den Markt eintreten und etablierte verdrängen. Dieser Mechanismus wiederum schafft neue Aufstiegschancen und fördert die soziale Mobilität.
Die Studie von Aghion, Blundell u. a. untersucht den Zusammenhang zwischen Innovation, Einkommensungleichheit und sozialer Mobilität. Sie zeigt auf, wie Innovation zur Ungleichheit der Spitzeneinkommen gemessen z. B. anhand der Top 1 % Verdiener beiträgt. Zu diesem Zweck vergleichen die Autoren die Innovationskraft und Einkommensverteilung zwischen den amerikanischen Bundesstaaten nach 1975. Die empirischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass Innovation die Einkommensverteilung beeinflusst, und dass Spitzenverdiener überproportional profitieren und einen zunehmenden Einkommensanteil verbuchen.
In den USA verdoppelte sich zwischen 1975 und 2013 der Anteil der Spitzenverdiener (Top 1 %) am Gesamteinkommen von 8,8 % auf 20,1 %. Die Anzahl der Patente als Indikator für die Innovationskraft nahm fast parallel zu. Zwar belegt dies noch keinen kausalen Effekt, da die zunehmende Ungleichheit auch von vielen anderen Faktoren abhängt. Dennoch deutet Abb. 1 eine Schlüsselrolle von patentierten Innovationen für die Entwicklung der Spitzeneinkommen an. Quantifiziert man den statistischen Zusammenhang von Innovation und Einkommen, zeigt sich, dass eine einprozentige Erhöhung der Innovationskraft mit einem Anstieg des Einkommensanteils der Top 1 % Verdiener um 0,3 % assoziiert ist. Betrachtet man stattdessen den Anteil der Top 0,01 % Verdiener, ist der Zusammenhang sogar mehr als doppelt so stark. Die Erträge der Innovationen verteilen sich nicht gleichmäßig auf die Bevölkerung, sondern gehen hauptsächlich an eine immer reicher werdende Oberschicht von Gewinnern.
Eine um 10 % höhere Anzahl von Patenten erhöht den Einkommensanteil von Spitzenverdienern um 2,4 %.
Im nächsten Schritt filtern die Forscher aus einer Vielzahl von Determinanten den Effekt der Innovationskraft auf den Einkommensanteil der Top 1 % in einem Bundesstaat heraus, sodass ihre Schätzungen eine kausale Interpretation haben. Sie berücksichtigen verschiedene Maße für die Anzahl und die Qualität von Patenten sowie zahlreiche Kontrollvariablen und schätzen den Effekt der Innovation wie folgt: Ist die Anzahl Patente pro Kopf um 10 % höher, steigert dies den Anteil der Top 1 % Verdiener am Gesamteinkommen um rund 2,4 %. Vergleichbare Effekte zeigen sich, wenn man die Innovationskraft stattdessen z. B. anhand der Häufigkeit misst, mit welcher Patente zitiert werden. Diese Ergebnisse legen nahe, dass durchschnittlich rund 22 % des Anstiegs des Einkommensanteils von Spitzenverdienern im Zeitraum 1980–2005 auf Innovation entfallen.
Gleichzeitig ist der Zusammenhang zwischen Innovation und der Einkommensverteilung der breiten Bevölkerung schwächer ausgeprägt bzw. gar nicht vorhanden. Die empirische Evidenz zeigt kaum einen signifikanten Effekt von Innovation auf Ungleichheit, sobald man konventionelle Verteilungsmaße wie z. B. den Gini- oder Atkinson-Index verwendet. Diese stützen sich nicht allein auf die Spitzeneinkommen, sondern berücksichtigen die Spreizung der gesamten Verteilung. Die Verteilungseffekte von Innovation manifestieren sich daher fast ausschließlich bei den Spitzeneinkommen. Zu dieser Kategorie zählen Tätigkeiten, die eng mit dem Innovationsprozess verbunden sind wie etwa jene von Ingenieuren, Wissenschaftlern, Unternehmern, oder Managern. Dagegen führt Innovation zu keiner wesentlichen Veränderung der Einkommensverteilung innerhalb der restlichen Bevölkerung.
Etwa 22 % des Anstiegs des Einkommensanteils der Top 1 % entfallen auf die Innovation. Zunehmende Innovation hat dagegen kaum signifikanten Einfluss auf die Verteilung im Rest der Bevölkerung.
Warum akzeptiert eine Gesellschaft langfristig eine Zunahme der Ungleichheit durch überproportional wachsende Spitzeneinkommen? Ein Grund könnte sein, dass Innovation mit mehr sozialer Mobilität einhergeht. Es entstehen neue Aufstiegschancen. Kinder von Eltern in den unteren und mittleren Einkommensschichten können in einem innovativen Land einfacher und häufiger zu den besser Verdienenden aufsteigen. Die Korrelation zwischen der Anzahl der Innovationen und sozialer Mobilität von einer unteren Einkommensgruppe der Zahl der Top 1 % Verdiener ist positiv und beträgt 0,031. Der Wert steigt auf 0,065 für die Top 0,01 % Verdiener.
Innovationen durch neue Unternehmen verbessern die Aufstiegschancen und erhöhen die soziale Mobilität. Marktabschottung zementiert den Reichtum der etablierten Eigentümer und bremst die soziale Mobilität.
Zwar erhöht Innovation die Wahrscheinlichkeit für sozialen Aufstieg. Die Studie zeigt jedoch, dass man dabei zwischen verschiedenen Arten von Innovation unterscheiden muss. Denn nur Innovationen von Unternehmen, welche neu in den Markt eintreten, können die Aufstiegschancen der Gründer verbessern. Etablierte Unternehmen mit ihren reichen Eigentümern haben dagegen einen Anreiz, Innovationen von neuen Unternehmen zu erschweren. Sie verwenden Aufwand für Lobbying, um den Eintritt neuer, innovativer Konkurrenten zu blockieren und die eigenen monopolistischen Gewinne zu verteidigen. Marktabschottung behindert die Aufstiegschancen neuer innovativer Unternehmerpersönlichkeiten. Innovation erhöht daher die soziale Mobilität in all jenen Regionen der USA, in denen es wenig Lobbying und Marktabschottung gibt. Starke Lobbytätigkeit behindert den Marktzugang. Wenn die neuen Start-ups fehlen, können die Innovationen nur mehr von den etablierten Unternehmen stammen, was den Reichtum ihrer Eigentümer zementiert. Marktabschottung behindert den Wettbewerb durch Marktzutritt und bremst die soziale Mobilität.
Die Studie von Aghion, Blundell u. a. stützt damit die Erkenntnis Schumpeters, dass besonders die Innovationen von neue Unternehmen den Prozess schöpferischer Zerstörung und den Strukturwandel vorantreiben. Diese Innovationen schaffen neue Formen der Wertschöpfung, neue Wachstumsbranchen und Arbeitsplätze, und verbessern die Möglichkeit für sozialen Aufstieg. Gleichzeitig trägt Innovation zu höherer Einkommensungleichheit bei, indem sie den Anteil der Spitzenverdiener am Gesamteinkommen steigert.
Open Access Dieses Kapitel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.de) veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Buch enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.
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Metadaten
Titel
Mit Innovation zu den Top 1 %
verfasst von
Michael Nübler
Copyright-Jahr
2018
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-21344-2_21