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Erschienen in:

Open Access 25.11.2024 | Schwerpunkt

Mitarbeitende im Fokus – ein angepasstes Reifegradmodell zur Messung der digitalen Transformation im Handwerk

verfasst von: Julia Bosbach, Maximilian Helms, Christoph Lattemann, Audris Umel

Erschienen in: HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik | Ausgabe 6/2024

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Zusammenfassung

Der Beitrag beleuchtet die zunehmenden Herausforderungen des Fachkräftemangels im Handwerk und die steigende Bedeutung der digitalen Transformation (DT) in diesem Sektor. Seit 2010 hat sich der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften in Deutschland verschärft, was zu sinkenden Umsätzen, erhöhter Arbeitsbelastung und steigenden Personalkosten führt. Die Digitalisierung bietet zwar wirtschaftliche Chancen, erfordert jedoch kontinuierliche Veränderungsprozesse und Investitionen. Ein Schlüsselfaktor zur Bewältigung dieser Herausforderungen ist die Attraktivität des Arbeitsplatzes, die durch die Förderung des Wohlbefindens und der Offenheit für Veränderungen gesteigert werden kann. Das Reifegradmodell, das im Beitrag vorgestellt wird, fokussiert auf Dimensionen wie Führung, Motivation und Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Es bietet eine systematische Methode zur Bewertung und Verbesserung des Digitalisierungsniveaus in Handwerksbetrieben und zeigt, wie durch die Berücksichtigung der spezifischen Bedürfnisse der Mitarbeitenden die Akzeptanz und Motivation für digitale Veränderungen gesteigert werden kann. Die Evaluation des Modells durch Experten zeigt, dass es verständlich und anwendbar ist, jedoch noch Anpassungen in bestimmten Bereichen erforderlich sind. Insgesamt bietet der Beitrag wertvolle Einblicke und praktische Ansätze zur erfolgreichen Gestaltung der digitalen Transformation im Handwerk.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Sinkende Umsätze, erhöhte Arbeitsbelastung oder steigende Personalkosten – die Auswirkungen des Fachkräftemangels sind vielfältig, im Extremfall sind Existenzen bedroht (Peichl et al. 2022). Dieser Mangel entsteht, wenn das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften in einem bestimmten Berufszweig in einer bestimmten Region kleiner ist als die Arbeitsnachfrage der Arbeitgeber (Burstedde et al. 2021). Seit 2010 hat sich der Mangel in Deutschland stetig verschärft und hat in 2022 einen neuen Höchststand erreicht. Knapp die Hälfte der IFO befragten Unternehmen meldeten eine Beeinträchtigung durch den Mangel an Fachkräften (Sauer und Wollmershuser 2023). Engpässe zeigten sich vor allem in Handwerksberufen. Der demographische Wandel wird den Bedarf an Fachkräften in Deutschland zukünftig noch verstärken (Malin und Hickmann 2023).
Zusätzlich wird der Gewinn von Fachkräften erschwert, da sich nicht nur Arbeitsbedingungen und Arbeitsweisen ändern (Burr et al. 2020), sondern in allen Bereichen neue Jobs mit digitalen Kompetenzen benötigt werden (Thonipara et al. 2020). In den letzten Jahren ist die Bedeutung der digitalen Transformation (DT) auch für das Handwerk in Deutschland gestiegen. Eine Bitkom-Studie aus 2022 ergab, dass die Digitalisierung zunehmend in den Handwerkssektor eindringt und die Technologie vorantreibt. Seit 2020 ist der Anteil der Unternehmen, die digitale Technologien und Konzepte nutzen, von 53 % auf 68 % gestiegen, und 83 % der Unternehmen sind offen für digitale Technologien (Schulte und Veltkamp 2022).
Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und Mitarbeitende zu halten, bzw. zu gewinnen, ist die Attraktivität des Arbeitsplatzes ein wesentlicher Erfolgsfaktor (Hausknecht et al. 2009). Neue Studien bestätigen diese Aussage, und verdeutlichen, dass eine ganzheitlichere Betrachtung des Wohlbefindens ein aussagekräftiger Indikator für Kündigungsintentionen ist (Pelly 2023). Betriebe sollten daher aktiv das Wohlbefinden ihrer Mitarbeitenden fördern und insbesondere in Zeiten des digitalen Wandels die Interessen und Bedürfnisse berücksichtigen, sowie ihre Mitarbeitenden bei der Gestaltung des Wandels einbeziehen.
Heute kann das Handwerk von bisherigen Erfahrungen aus der DT anderer Industrien lernen. Auch wenn Mitarbeitende in der Industrie in Zeiten der DT ähnliche Ängste und Bedürfnisse aufzeigen wie sie heute im Handwerk zu finden sind, wird hierauf im Handwerk noch zu wenig im Transformationsprozess eingegangen (Bosbach et al. 2024). Aktuelle Forschung zeigt, dass Mitarbeitende, je nach Lebensphasen und -umständen, unterschiedlich auf Veränderungen durch die DT reagieren (Helms et al. 2024). Die unterschiedlichen Bedürfnisse und Kompetenzen der Mitarbeitenden zu berücksichtigen kann daher ein wichtiger Faktor für den Erfolg des Veränderungsprozesses sein (Hussain et al. 2018). Um das Wohlbefinden zu fördern, benötigen Betriebe entsprechende Kenntnisse über positive und negative Einflussfaktoren auf das Wohlbefinden, insbesondere bei der Betrachtung von digitalen Veränderungsmaßnahmen (Helms et al. 2024, Bosbach et al. 2024).
Reifegradmodelle zu digitalen Transformationsprozessen bieten für Unternehmen die Möglichkeit das eigene Digitalisierungsniveau für spezifische Dimensionen zu messen und zu bewerten (Röglinger und Pöppelbuß 2011). Dimensionen in einem Reifegradmodell, die sich auf Mitarbeitende fokussieren, bieten somit die Möglichkeit, Potenziale im Hinblick auf das Wohlbefinden und die Offenheit für Veränderung zu identifizieren und gezielt zu adressieren (Runst und Proeger 2020). Allerdings werden mitarbeiterorientierte Aspekte in bestehenden Reifegradmodellen unzureichend berücksichtigt, da sie bisher lediglich auf betriebsspezifische Aspekte der Offenheit und des Verstehens, Wissens und der Fähigkeiten abzielen (Britel und Cherkaoui 2022).
Die folgende Studie zielt darauf ab, Dimensionen für ein Reifegradmodell zu entwickeln, welche Bedürfnisse von Mitarbeitenden berücksichtigen sowie den Umgang mit Veränderung und Lebensphasen darstellen. Hierfür wurden aus bestehenden Forschungsarbeiten Dimensionen abgeleitet und von Experten hinsichtlich Anwendbarkeit, Gültigkeit, Vollständigkeit und Verständlichkeit bewertet.
Im Folgenden werden nach einer Analyse der Literatur zu den Herausforderungen im Handwerk und den bestehenden Dimensionen in Reifegradmodellen der Forschungsrahmen sowie die angewandte Methodik der Forschung beschrieben. Anschließend werden die Ergebnisse der Analyse vorgestellt und in einer abschließenden Diskussion bewertet.

2 Herausforderungen und Defizite der Digitalisierung im Handwerk: Neue Dimensionen in Reifegradmodellen

Die DT bietet erhebliche wirtschaftliche Chancen für Handwerksunternehmen (Brockhaus et al. 2020), erfordert jedoch auch kontinuierliche Veränderungsprozesse, die oft mit Folgeinvestitionen verbunden sind (Proeger et al. 2020). Finanzielle Hürden, fehlende Zeit und der benötigte Aufbau digitaler Kompetenzen (Proeger et al. 2020), sowie Unsicherheiten zur IT-Sicherheit (Brockhaus et al. 2020; Runst und Proeger 2020) erschweren die Umsetzung der DT. Oft fehlen zudem eine zielgerichtete Digitalisierungsstrategie (Brockhaus et al. 2020) sowie pragmatische Strategiewerkzeuge für das Handwerk (Gilch et al. 2020).
Als Strategiewerkzeuge zur Bestimmung des aktuellen Stands einer Organisation in Bezug auf Digitalisierung und zur Ableitung von Maßnahmen zur Verbesserung des Ist-Zustands (Herget 2020), können Reifegradmodelle eingesetzt werden (Doelfs 2021; Hock et al. 2023; Hofmann 2021). Sie können durch Vorgehensmodelle ergänzt werden, die Details für die Einführung von Neurungen liefern (Kneuper 2007).
Reifegradmodelle, die Aspekte der DT reflektieren, berücksichtigen typischerweise Aspekte wie Strategie, Organisation, Kultur und IT (Winkler et al. 2023, Krol et al. 2021) mit einem starken Fokus auf IT-Kompetenzen der Mitarbeitenden. Vereinzelt lassen sich auch Technologie-orientierte Reifegradmodelle finden, in denen beispielsweise die Einbindung von einzelnen Technologien, z. B. KI, im Vordergrund stehen (Webb 2022). Mitarbeiterorientierte Aspekte werden in Reifegradmodellen kaum berücksichtigt, obwohl eine auf den Mitarbeitenden ausgerichtete Vorgehensweise, vor allem auf das Wohlbefinden, bereits als Schlüsselfaktor für eine erfolgreiche Transformation bekannt ist (Britel und Cherkaoui 2022).
Hinsichtlich des Umgangs mit (digitalen) Veränderungen lassen sich in der Literatur auch verschiedene Change Management Reifegradmodelle finden. Insbesondere wird ein Fokus auf das Change Management in IT-Projekten gelegt (Khan et al. 2019; Lam et al. 1998). So werden beispielsweise Änderungen in Softwareanforderungen überwacht und verwaltet (Khan et al. 2019) oder ein Change-Cycle für Change-Analyse und -Management in Softwareprojekten eingeführt. Einige Modelle ergänzen darüber hinaus den Managementaspekt und fokussieren auf einen strukturierten Ansatz zur Verwaltung von Veränderungsprogrammen, der sich insbesondere auf Standards und Vorgehensweisen bezieht (Lam et al. 1998; Walker 2022).
Was diese Modelle jedoch kaum berücksichtigen, ist, dass sich mit der DT Anforderungen an die Arbeit und das Arbeitsumfeld für Mitarbeitende ändern. Das BMWK verweist auf 13 bestehende Reifegradmodelle für das Handwerk, diese sind vor allem auf die Dimensionen Strategie, Produkte und Kunden, interne Prozesse, IT-Infrastruktur, IT-Sicherheit und Organisation fokussiert (BMWK 2024). Aspekte, die Mitarbeitende berücksichtigen, fehlen auch hier. Dabei sind gerade im Handwerk meist alle Mitarbeitenden von der DT betroffen, da die DT nicht nur die IT-Abteilung, sondern direkte Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen hat (Überbacher et al. 2020). Das liegt vor allem daran, dass das Handwerk in Deutschland durch kleine bis mittelgroße Unternehmen, mit im Durchschnitt zehn Mitarbeitenden gekennzeichnet ist (Statistisches Bundesamt 2021). Die Akzeptanz, Motivation und Kompetenz der Mitarbeitenden im gesamten Unternehmen zu erhalten und auszubauen ist daher ein zentraler Faktor für die erfolgreiche Umsetzung von Digitalisierungsmaßnahmen (Runst und Proeger 2020).
Darüber hinaus zeigt die bestehende Forschung, dass sich das Wohlbefinden, Motivation und Offenheit für Veränderung von Mitarbeitenden über Lebensphasen ändert (Helms et al. 2024). Maßgebende Faktoren für das Wohlbefinden von Mitarbeitenden sind nach der Self-Determination Theory (SDT) Autonomie im Beruf, Kompetenz zur Erledigung von Aufgaben und Verbundenheit mit dem Arbeitsumfeld (Ryan und Deci 2022). Weitere Studien zeigen, dass neben diesen psychologischen Grundbedürfnissen auch die physische Gesundheit einen entscheidenden Einfluss auf das Wohlbefinden hat (Burr et al. 2020). Da das Wohlbefinden direkt mit der Unternehmensperformance zusammenhängt, beschreiben Sears et al. (2014) die Notwendigkeit der Messbarkeit von Wohlbefinden.
Wie beschrieben, werden diese Aspekte in bestehenden Reifegradmodellen nur unzureichend berücksichtigt. So sind nur wenige Reifegradmodelle zu finden, die Kompetenzen der Mitarbeitenden und Führungskräfte berücksichtigen (By 2005; Creasey 2023). Schumacher et al. (2016) integrieren in ihrem Reifegradmodell für die Industrie 4.0 Aspekte der Organisation wie Kultur und Menschen, wobei neben der Kompetenz auch die Autonomie der Mitarbeitenden berücksichtigt wird. Motivation und Bedürfnisse von Mitarbeitenden lassen sich jedoch nicht in Change Management Reifegradmodellen finden.
Die oben dargestellte Forschung zeigt, dass neue Dimensionen in Reifegradmodellen berücksichtigt werden müssen, um die DT in Betrieben erfolgreich zu gestalten. Entsprechend werden die Einbindung von Mitarbeitenden sowie die Fokussierung auf deren Wohlbefinden in der DT (Bosbach et al. 2024, Helms et al. 2024) in dieser Forschung in weiteren Dimensionen in einem Reifegradmodell integriert, und diese in Bezug auf Vollständigkeit und Verständlichkeit evaluiert.

3 Methodik

3.1 Forschungsrahmen

Um den aktuellen Stand hinsichtlich Zufriedenheit und Einbindung von Mitarbeitenden durch DT-induzierte Veränderungen messen zu können, wurde für diese Forschung ein partielles Reifegradmodell mit neun Dimensionen und fünf Stufen entwickelt. Die abgeleiteten Stufen, über die sich Unternehmen entwickeln können, orientieren sich an gängigen Reifegradmodellen: Anfangsstadium (Stufe 1), Entwicklung (Stufe 2), Transformation (Stufe 3), Optimiert (Stufe 4), höchste Reife (Stufe 5) (Christiansen und Gausemeier 2010; Herget 2020; Kamprath 2011).
Die neun Dimensionen sind aus bestehender Literatur abgeleitet: Die Dimension Führung in Bezug auf Veränderungsvorhaben ist von kritischen Führungsaspekten im Organizational Change Management (By 2005) abgeleitet. Die Dimension Bekanntheit von Lebensphasen und Begleitung des Transfers entsprechend der Bedürfnisse bezieht sich auf die Lebensphasenperspektive von Helms et al. (2024). Die Dimension Standards und Prozesse zur Vorgehensweise bei Veränderungen im Unternehmen ist vom Change Maturity Model von Walker (2022) abgeleitet. Die Dimension Change Management Kompetenz im Unternehmen basiert auf dem Maturity Model Change (Creasey 2023). Die Dimension künstliche Intelligenz und Veränderung wird in ähnlicher Form von Webb (2022) beschrieben. Die Dimension Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse sowie Bekanntheit von Motivation und Bedürfnissen von Mitarbeitenden leitet sich aus der Selbstbestimmungstheorie von Ryan und Deci (2022) ab, die Dimension körperliche Gesundheit, geht auf Erkenntnisse von Burr et al. (2020) zurück und die Dimension Wohlbefinden und Produktivität basiert auf der Forschungsarbeit zu well-being and Performance von Nielsen et al. (2017). Zur besseren Einordnung wurden die neun Dimensionen drei Kategorien zugeordnet. Die Kategorien lauten: Motivation & Führungsverhalten, Umgang mit Veränderungen, sowie well-being & Gesundheit. Tab. 1 stellt das partielle Reifegradmodell, das auf DT und well-being fokussiert und der Forschung zugrunde liegt, im Detail dar.
Tab. 1
Dimensionen und Kategorien des partiellen DT- und mitarbeiterorientierten-Reifegradmodells
Kategorie 1: Motivation & Führungsverhalten
 
Bekanntheit von Motivationen und Bedürfnissen von Mitarbeitenden
Führung in Bezug auf Veränderungsvorhaben
Bekanntheit von Lebensphasen und Begleitung der Transfers entsprechend der Bedürfnisse
5 – Höchste Reife
Mitarbeitenden werden anhand ihrer Bedürfnisse und Motivationstreiber eingesetzt. Die Förderung der Motivationen und Bedürfnisse erfolgt auf Individueller, Team, Führungs- und Organisatorischer ebene
Change Management wird als Priorität für Erfolg von Veränderungsvorhaben gesehen. Es erfolgt regelmäßige Unterstützung und Kommunikation auf allen Ebenen der Organisation
Mitarbeitenden werden aktiv bei dem Transfer zwischen den Lebensphasen begleitet und Karriere entsprechend gefördert und auf zukünftige Bedürfnisse in der neuen Phase ausgerichtet
4 – Optimiert
Die Bedürfnisse und Motivationstreiber werden regelmäßig durch Gespräche, Umfragen oder Feedbacks eingeholt. Bedürfnisse und Motivationstreiber werden bei der Arbeitsverteilung berücksichtigt
Support und Kommunikation über den Mehrwert seitens des Senior Managements und aller Führungskräfte. Es wird angefangen, das Managen der Veränderung als Priorität zu sehen
In regelmäßigen Gesprächen werden die aktuellen und möglichen zukünftigen Lebensphasen betrachtet und die phasenbezogenen Bedürfnisse abgestimmt. Wenn es möglich ist, werden diese bei der Aufgabenverteilung berücksichtig
3 – Transformation
Der Zusammenhang zwischen Motivation und Performance ist bekannt. Motivierte Mitarbeitenden werden gefördert
Unterstützung für Mitarbeitende und Kommunikation von einigen Führungskräften ist gegeben. Viele haben die Vorteile der Unterstützung und Kommunikation erkannt, die Umsetzung erfolgt aus Notwendigkeit und nicht aus Priorität
Die Lebensphasen der Mitarbeitenden und deren Auswirkungen auf die Bedürfnisse sind bekannt. Ansätze sind etabliert (z. B. durch Personas), um als Führungskraft auf die Veränderungen vorbereitet zu sein und darauf eingehen zu können
2 – Entwicklungsstadium
Bei der Einstellung neuer Mitarbeitenden werden Interessen und Bedürfnisse abgefragt und mit den Aufgaben abgeglichen
Change Management wird reaktiv angewendet. Wenn die Veränderung seitens der Mitarbeitenden nicht angenommen wird, werden Kommunikationsmethoden eingesetzt, um die negative Reaktion abzuschwächen
Die familiäre Situation und das Alter werden bei der Verteilung der Aufgaben bzw. der Rolle im Job berücksichtigt
1 – Anfangsstadium
Mitarbeitenden stehen nicht im Vordergrund auf die Bedürfnisse wird nicht eingegangen.
Es werden keine wirtschaftlichen Gründe für die Berücksichtigung der Bedürfnisse der Mitarbeitenden gesehen
Wenig oder keine Kommunikation über Veränderungsvorhaben seitens der Führungskräfte/des Senior Managements
Die Lebensphasen der Mitarbeitenden werden nicht gesondert betrachtet
Kategorie 2: Umgang mit Veränderungen
 
Standards & Prozesse zur Vorgehensweise bei Veränderungen im Unternehmen
Change Management Kompetenz im Unternehmen
Künstliche Intelligenz und Veränderung
5 – Höchste Reife
Eine Auswahl verschiedener Projektmanagementvorgehensweisen sind dokumentiert. Die Führungskräfte und Mitarbeitenden leben die Vorgehensweisen und wissen, wann welches Modell bestenfalls Anwendung finden sollte
Change-Management-Kompetenz ist auf allen Ebenen der Organisation erkennbar und Teil des geistigen Eigentums und des Wettbewerbsvorteils der Organisation
Künstliche Intelligenz ist in vielen Geschäftsbereichen automatisch integriert. Die Führungskräfte können KI-gestützte Entscheidungen ableiten, die Mitarbeitenden werden auf persönlicher Ebene von KI unterstützt
4 – Optimiert
Agile Projektmanagementprozesse und Denkweisen sind dokumentiert und werden regelmäßig befolgt
Organisationsweite Standards und Methoden werden umfassend zur Steuerung von Veränderungen eingesetzt: Change Management wird in nahezu allen Projekten/Veränderungsvorhaben von Beginn an mit durchdacht. Der Mehrwert des Change Managements wird erkannt
Künstliche Intelligenz ist in die Strategie integriert und soll in mehreren Prozessen, auch unabhängig vom Produkt, umgesetzt werden. Die Datengrundlage erlaubt Rückschlüsse für neue Systeme und Prozesse
3 – Transformation
Innerhalb der Standardprozesse zu Ideen/Projekten/Veränderungen werden Mitarbeitende aktiv mit einbezogen. Es gibt dedizierte Ressourcen (Führungskräfte), die die Wünsche/Ideen/Motivationen von Mitarbeitenden einbeziehen
Ein umfassender Ansatz für Change Management ist in allen Projekten vorhanden. Change Management wird in den meisten Projekten/Vorhaben regelmäßig angewendet. Jedoch fällt es oftmals aus, wenn Zeit dafür fehlt
Künstliche Intelligenz wurde in mindestens einem Prozess innerhalb der Organisation umgesetzt, bspw. Chatbots
2 – Entwicklungsstadium
Innerhalb der Standardprozesse zu Ideen/Projekten/Veränderungen wird kommuniziert und Mitarbeitende werden für Veränderung vorbereitet
Einige Elemente des Change Managements sind in einigen Projekten vorhanden
Experimente und Piloten mit künstlicher Intelligenz wurden gestartet. Es wird eine Datengrundlage geschaffen, um perspektivisch weiterhin mit KI arbeiten zu können
1 – Anfangsstadium
Projekt‑/Ideenmanagementprozesse werden verfolgt & dokumentiert
Ein bisschen oder kein Change Management sind in der Organisation bekannt
Interesse an künstlicher Intelligenz ist vorhanden. Ein grundlegendes Verständnis, was KI ist, ist vorhanden
Kategorie 3: Well-being und Gesundheit
 
Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse (Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz)
Körperliche Gesundheit
Wohlbefinden und Produktivität
5 – Höchste Reife
Bei der Einführung neuer Technologien bzw. bei Veränderungen werden die Auswirkungen auf die psychologischen Grundbedürfnisse der Mitarbeitenden berücksichtigt und gezielt Fördermaßnahmen umgesetzt. Auf Basis des Feedbacks von Mitarbeitenden, wird das bestehende Angebot zur Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse kontinuierlich verbessert
Förderprogramme für die physische Gesundheit sind im Unternehmen fest etabliert (z. B. Fitness Studio) und entsprechend der körperlichen Herausforderungen werden im Job neue Technologien zur Förderung der Gesundheit eingesetzt (z. B. Exoskelette). Bei der Einführung neuer Technologien werden Auswirkungen auf die körperliche Gesundheit berücksichtigt und gezielt Fördermaßnahmen umgesetzt. Schulungen zum Umgang mit Stress sind in der Standardausbildung verankert, da psychischer Stress dauerhaft negativ auf die körperliche Gesundheit wirken kann. Auf Basis des Feedbacks von Mitarbeitenden, wird das bestehende Angebot zur Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse kontinuierlich verbessert
Well-being der Mitarbeitenden ist in der Strategie verankert, wird regelmäßig gemessen und kontinuierlich verbessert. Das Geschäftsmodell basiert auf dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden
4 – Optimiert
Es gibt eine Auswahl an Möglichkeiten, die Mitarbeitenden wahrnehmen können, die alle drei Bedürfnisse Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz fördern, (z. B. flexible Arbeitsmodelle, Weiterbildungen, Teamevents). Den Mitarbeitenden sind diese Möglichkeiten bekannt und sie können regelmäßig Feedback/Verbesserungsvorschläge geben
Es gibt eine Auswahl an Möglichkeiten zur Förderung der Gesundheit, die bei Bedarf abgestimmt und genutzt werden können. Bei Bedarf gibt es Schulungen zum Umgang mit Stress für Mitarbeitenden auf allen Ebenen. Den Mitarbeitenden sind diese Möglichkeiten bekannt und sie können regelmäßig Feedback/Verbesserungsvorschläge geben
Eine der Prioritäten des Unternehmens ist das Wohlbefinden der Mitarbeitenden. Es gibt KPIs um das Wohlbefinden zu messen. Das Geschäft wird wenn möglich daran ausgerichtet
3 – Transformation
Die psychologischen Grundbedürfnisse werden, wenn möglich gefördert. Einige wenige Optionen zur Förderung sind bereits etabliert (z. B.: regelmäßige Weiterbildung und Schulungen)
Es gibt Projekte in denen Technologien zur Förderung der körperlichen Gesundheit ausprobiert werden. Führungskräfte sind darauf geschult Stress bei Ihren Mitarbeitenden frühzeitig zu erkennen
Es sind Ansätze implementiert, das Wohlbefinden der Mitarbeitenden gezielt innerhalb des bestehenden Geschäftsmodells zu fördern (z. B. Job Crafting) und gezielt in das Wohlbefinden investiert, um die Produktivität zu fördern
2 – Entwicklungsstadium
Die Bedeutung der psychologischen Grundbedürfnisse und deren gegenseitige Abhängigkeiten sind bekannt
Die Bedeutung der körperlichen Gesundheit der Mitarbeitenden sowie deren ökonomische Relevanz ist bekannt. Diese wird bei der Verteilung der Aufgaben bzw. der Rolle im Job berücksichtig
Die Bedeutung des Wohlbefindens der Mitarbeitenden für deren Produktivität sowie deren ökonomische Relevanz für das Geschäftsmodell ist bekannt
1 – Anfangsstadium
Autonomie, Verbundenheit und Kompetenz der Mitarbeiter*innen werden nur vereinzelt berücksichtigt
Die Mitarbeiter sind für ihre körperliche Gesundheit selbst verantwortlich. Über die vorgegebenen Sicherheitsvorschriften hinaus gibt es keine weiteren Fördermaßnahmen
Der Kunde steht im Vordergrund des Geschäftsmodells, das Wohlbefinden der Mitarbeiter spielt nur eine untergeordnete Rolle

3.2 Evaluation des Modells

Um das vorliegende partielle Reifegradmodell hinsichtlich Vollständigkeit und Verständlichkeit zu prüfen, wurde ein Workshop mit elf Experten (Fokusgruppe) für DT aus Handwerksbetrieben und Wissenschaftlern, die zum Thema DT im Handwerk forschen, durchgeführt. Der Workshop dauerte 120 min und hatte das Ziel sowohl qualitative als auch quantitative Ersteinschätzungen durch die Experten zu den Reifegrad-Dimensionen zu erlangen.
Tab. 2 gibt einen Überblick über Experten der Fokusgruppe.
Tab. 2
Überblick zu Experten in der Fokusgruppe
 
Alter
Berufsbezeichnung
Gruppierung
Erfahrung mit Reifegradmodellen
Experte 1
50+
IT Consultant
Handwerk
Ja
Experte 2
50+
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Experte 3
50
Architektin
Handwerk
Nein
Experte 4
35
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Experte 5
35
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Nein
Experte 6
k. A.
Anlagenmechaniker
Handwerk
Nein
Experte 7
36
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Experte 8
28
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Experte 9
50+
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Experte 10
30
Anlagenmechaniker
Handwerk
Nein
Experte 11
50+
Wissenschaftlicher Mitarbeitende in Handwerksprojekten
Wissenschaft
Ja
Nach einer kurzen Einführung in das Thema Reifegradmodelle wurden die Experten gebeten, die neuen Dimensionen des Reifegradmodells für ihre Organisation, bzw. Handwerksprojekte zu bewerten. Die einzelnen Stufen der Dimensionen wurden hierfür von der Studienleiterin vorgelesen, sodass sichergestellt wurde, dass keine Stufe übersprungen wird. Die Experten ordneten ihre Organisation, bzw. das Handwerksprojekt zunächst zum aktuellen Zeitpunkt und dann fiktiv für einen Zeitpunkt in zehn Jahren ein. Durch diese Methode wurde sichergestellt, dass ein inhaltlicher Qualitätscheck hinsichtlich der aufeinander aufbauenden Stufen erfolgen konnte.
Im Anschluss wurden die Workshop-Teilnehmer gebeten, die einzelnen Dimensionen hinsichtlich der Anwendbarkeit, der Gültigkeit und der Auswirkung zu bewerten. Dies erfolgte nach den Kriterien von Röglinger und Pöppelbuß (2011) sowie Sonnenberg und vom Brocke (2012): Anwendbarkeit (Kann das Reifegradmodell in verschiedenen Organisationen effektiv angewendet werden?), Gültigkeit (Sind die Bewertungen, die das Reifegradmodell Bewertungen generiert, korrekt und verlässlich?), Auswirkungen (Kann das Modell nicht nur Zustände bewerten, sondern auch konkrete Verbesserungen fördern?). Die drei Kriterien wurden für jede Dimension auf einer 5‑stufigen Likert Skala (Stimme voll zu bis Stimme überhaupt nicht zu) bewertet.
Zuletzt wurden die Experten gebeten, das gesamte Modell hinsichtlich Verständlichkeit und Vollständigkeit zu bewerten. Dies erfolgte ebenso auf Basis einer 5‑stufigen Likert-Skala. Von den Experten wurde weiterhin ein qualitatives Feedback zu dem Modell und den einzelnen Dimensionen anonym gegeben.

4 Evaluation des Gesamtmodells sowie einzelner Kategorien und Dimensionen

4.1 Bewertung des Gesamtmodells

Der Aussage „Das Modell ist verständlich“ stimmen 65 % der Teilnehmenden zu, 9 % der Teilnehmenden stimmen eher nicht zu, die restlichen Teilnehmenden waren unentschlossen. Diese positive Bewertung kann auch in den qualitativen Feedback-Aussagen der Experten festgestellt werden: „Alltagstaugliche Begriffe, die auch ohne Vorerfahrung selbsterklärend sind“. Auch das Feedback „Sehr viele spezifische Fachbegriffe […] sind nicht unbedingt im Betriebsalltag geläufig“ wird gegeben und kann qualitativ der neutralen Verständlichkeit zugeordnet werden.
Der Aussage „Das Modell ist vollständig“ stimmten 45 % der Teilnehmenden zu, jeweils 27 % der Teilnehmenden stimmten eher nicht oder nur teils/teils zu. Auch hierzu passen qualitative Aussagen im Feedback: „Aktuell wirkt die letzte Dimension so, als ob nur Kunde oder nur Mitarbeitende fokussiert werden kann/soll, aber kein „best for all worlds“ gewünscht ist“. Das folgende Feedback kann ebenso dem Kriterium Vollständigkeit zugeordnet werden: „In manchen Dimensionen fehlt mir eine Phase 0“. Darüber hinaus wird die Aussage „Das Modell fokussiert momentan nur Mitarbeitende und Organisation“ als Feedback gegeben, was ebenso Rückschlüsse darauf zulässt, dass der mitarbeiterorientierte Ansatz nicht ausreichend verstanden wurde.
Darüber hinaus bewerteten die Experten ihre Organisation zum aktuellen Zeitpunkt sowie zu einem fiktiven Zeitpunkt in zehn Jahren entlang der Kategorien und Dimensionen. Bei der Bewertung ihrer Organisation heute und in Zukunft nutzen die Experten die gesamte Bandbreite der fünf Stufen. Dies weist darauf hin, dass die Stufen logisch aufeinander aufbauen, sowie Verständlichkeit und Vollständigkeit sind.

4.2 Bewertung der Kategorien und Dimensionen

Kategorie: Motivation & Führungsverhalten
Die Rückmeldungen zur Anwendbarkeit der Dimension Bekanntheit von Motivationen und Bedürfnissen von Mitarbeitenden sind durchweg positiv. Alle Teilnehmenden bestätigen die Gültigkeit der Dimension nach Sonnenberg und vom Brocke (2012), was die Zuverlässigkeit der Bewertungen des Reifegradmodells unterstreicht. Bezüglich der Auswirkungen der Nutzung des Reifegradmodells auf praktische Veränderungen in Betrieben sind 36 % der Teilnehmenden zustimmend, während 64 % unentschlossen bleiben.
Die Dimension Führung bei Veränderungsvorhaben wird von 82 % der Teilnehmenden als anwendbar eingeschätzt. 55 % halten die Dimension für gültig, 36 % sind unentschlossen, und 9 % empfinden sie als ungültig. Hinsichtlich der praktischen Auswirkungen stimmen 36 % zu, 64 % bleiben unentschlossen.
Die Dimension Bekanntheit von Lebensphasen und Begleitung der Transfers wird in der Anwendbarkeit von über 90 % der Teilnehmenden positiv bewertet, ebenso halten 90 % das Modell für gültig. Bei den Auswirkungen auf die Praxis sind 73 % teilweise zustimmend, während 27 % nicht zustimmen.
Kategorie: Umgang mit Veränderungen
Die Dimension Standards und Prozesse bei Veränderungen im Unternehmen zeigt ein gemischtes, aber insgesamt positives Bild: 55 % der Teilnehmenden halten sie für anwendbar, 27 % sind unentschlossen, und 18 % lehnen ab. 45 % der Teilnehmenden betrachten die Dimension als gültig, während der Rest unsicher ist. Bezüglich der Auswirkungen auf die Praxis stimmen 46 % zu, dass sie Verbesserungen bewirken kann, 36 % sind unentschlossen.
Die Dimension Change Management Kompetenzen im Unternehmen wird von 45 % der Teilnehmenden als anwendbar eingeschätzt, lediglich 18 % sehen die Anwendbarkeit als kritisch an. Ähnlich bei der Gültigkeit: 36 % halten die Dimension für gültig, 46 % sind unschlüssig, und 18 % lehnen sie ab. Die Auswirkungen auf die Praxis bewerten 46 % positiv, 36 % sind unentschlossen, und 18 % lehnen ab.
Die Anwendbarkeit der Dimension Künstliche Intelligenz und Veränderung wird von 82 % der Teilnehmenden positiv bewertet, der Rest ist unentschlossen. Ebenso sehen 82 % die Dimension als gültig an. Die Auswirkungen auf die Praxis bewerten 72 % der Teilnehmenden positiv, während 28 % teils/teils sind.
Kategorie: Well-being & Gesundheit
Die Dimension „Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse“ (Autonomie, Verbundenheit, Kompetenz) wird von 78 % der Teilnehmenden als anwendbar bewertet, nur 11 % sehen keine Anwendbarkeit. 67 % halten die Dimension für gültig, 22 % sind unschlüssig, und 11 % lehnen sie ab. In Bezug auf die Praxis sehen 44 % positive Auswirkungen, während weitere 44 % teils/teils wählen und der Rest ablehnt.
Die Dimension „Körperliche Gesundheit“ wird von allen Teilnehmenden als anwendbar und gültig eingeschätzt. Bezüglich der Praxis glauben 78 % der Teilnehmenden, dass neue Aspekte angesprochen werden.
Die Dimension „Wohlbefinden und Produktivität“ wird ebenfalls von allen Teilnehmenden als anwendbar bewertet. 66 % halten die Dimension für gültig, 22 % sind unentschlossen, und 12 % lehnen sie ab. 66 % der Teilnehmenden sehen in der Praxis neue Aspekte angesprochen, der Rest entscheidet sich für teils/teils.
Eine genaue, quantitative Darstellung der Ergebnisse der Befragten zeigt Tab. 3.
Tab. 3
Darstellung der Ergebnisse (Bewertung: +2 volle Zustimmung, +1 Zustimmung, 0 Teils/Teils, −1 keine Zustimmung, −2 überhaupt keine Zustimmung)
Kategorien
 
Motivation & Führungsverhalten
Umgang mit Changes
Well-Being & Gesundheit
Dimensionen
 
Bekanntheit von Motivationen und Bedürfnissen von Mitarbeitenden (%)
Führung in Bezug auf Veränderungsvorhaben (%)
Bekanntheit von Lebensphasen und Begleitung der Transfers entsprechend der Bedürfnisse (%)
Standards & Prozesse zur Vorgehensweise bei Veränderungen im Unternehmen (%)
Change Management Kompetenz im Unternehmen (%)
Künstliche Intelligenz und Veränderung (%)
Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse (Autonomie, Verbundenheit, Kompetenz) (%)
Körperliche Gesundheit (%)
Wohlbefinden und Produktivität (%)
Anwendbarkeit
+2
91
55
27
0
0
36
11
78
56
+1
9
27
64
55
46
46
67
22
44
0
0
18
9
27
36
9
11
0
0
−1
0
0
0
9
18
9
11
0
0
−2
0
0
0
9
0
0
0
0
0
Validität
+2
55
0
45
0
0
36
0
0
33
+1
45
55
55
45
36
46
67
100
33
0
0
36
0
55
46
9
22
0
22
−1
0
9
0
0
18
0
11
0
11
−2
0
0
0
0
0
9
0
0
0
Auswirkungen
+2
0
0
0
0
0
36
0
34
33
+1
36
36
0
46
46
36
44
44
33
0
64
64
73
36
36
28
44
22
33
−1
0
0
27
18
18
0
12
0
0
−2
0
0
0
0
0
0
0
0
0

4.3 Kritische Reflektion zur Evaluation der neuen Dimensionen

Ziel dieser Forschungsarbeit ist es, ein Reifegradmodell für Handwerksbetriebe in der DT zu entwickeln, welches mitarbeiterorientiert ist. Die ausgewählten Dimensionen sollen den Verantwortlichen in den Organisationen dabei helfen die Attraktivität des Arbeitsplatzes sowie das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ganzheitlicher zu berücksichtigen und somit Kündigungsintentionen proaktiv zu vermeiden und Mitarbeitende langfristig zu halten (Pelly 2023; Hausknecht et al. 2009).
Der überwiegende Anteil der Befragten bewertet das partielle Modell als sehr verständlich. Hinsichtlich einiger kritischer Rückmeldungen ist es möglich, dass den Experten der spezifische Rahmen für die Anwendung des Modells nicht hinreichend klar war und die Vollständigkeit des gesamten Reifegradmodells daher kritisiert wird, was ebenso in der Literatur aufgezeigt wird (Herget 2020). Zudem wurde berichtet, dass der konkrete Rahmen und die Ansprechpartner teilweise unklar waren. Auch dies deutet darauf hin, dass Begriffe nicht immer verständlich sind und die Gruppe der Anwendenden möglicherweise falsch gewählt wurde (Herget 2020). Entsprechend sollte ein Reifegradmodell mit erklärender Erläuterung zu der Nutzung als strategisches Werkzeug und zur konkreten Anwendung als Analysetool angewendet werden.
Die Kategorie Motivation & Führungsverhalten scheint bei einem großen Teil der Experten Zustimmung zu erfahren und wird als relevant und neuartig bezeichnet: Die Bekanntheit von Motivation und Bedürfnissen wird von den Experten überwiegend bestätigt. Ein bisher unzureichend berücksichtigter, aber wichtiger Aspekt wurde somit anerkannt. In Bezug auf Führung und Veränderung herrscht ebenfalls überwiegende Zustimmung der Experten zu den entsprechenden Kriterien, wodurch die in der Literatur hervorgehobene Neuartigkeit und Bedeutung bestätigt werden (By 2005). Unterschiedliche Lebensphasen und deren Bedeutung für Mitarbeitermotivation sind den Praktikern sicherlich nicht fremd, da sie jeden persönlich betreffen. Im Forschungskontext hingegen stellt die gezielte Betrachtung von Lebensphasen und deren unterschiedliche Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden einen neuen Trend dar (Singh 2019). Die Ergebnisse der Evaluation zeigen, dass den Experten die Aspekte der Dimension der Lebensphasen nicht neuartig sind, die richtigen Fragen gestellt wurden und die Anwendbarkeit der Inhalte dieser Dimension gegeben ist.
Die Kategorie Umgang mit Veränderungen zeigt ein tendenziell positives Bild, was auf die Neuartigkeit und Relevanz hindeutet. Die Standards und Prozesse hinsichtlich der Vorgehensweise bei Veränderungen zeigen ein diverses Bild. Diese Dimension ist den Teilnehmenden der Studie als Messkriterium bereits bekannt, und ihre Anwendbarkeit wird durch eine relativ hohe Zustimmung bestätigt, was ihre Bedeutung unterstreicht.
Im Bereich der Change Management Kompetenz im Unternehmen zeigt sich ein noch diverseres Bild. Diese Dimension scheint bekannter und weniger neu zu sein, aber ihre Anwendbarkeit in der gegebenen Form wird als fraglich bewertet. Möglicherweise ist diese Dimension zu weit gefasst (Khan et al. 2019). Im Gegensatz dazu erfährt der Aspekt der Künstlichen Intelligenz bei Veränderungen überwiegende Zustimmung der Experten. Ein bisher unzureichend berücksichtigter, aber wichtiger Aspekt wurde somit bestätigt, der bereits durch KI-gestützte Entscheidungsfindung in der Literatur beschrieben wurde (Webb 2022).
Die Kategorie Well-being und Gesundheit zeigt bei den Befragten ebenso eine hohe Relevanz und Wichtigkeit zu haben. Die Ergebnisse zeigen, dass die Förderung der psychologischen Grundbedürfnisse weiterhin von großer Relevanz ist, selbst wenn dieses Thema bereits seit Jahrzehnten im Rahmen der Selbstbestimmungstheorie (SDT) erforscht wird. Die Rückmeldungen bestätigen zwar die Gültigkeit und Anwendbarkeit der entsprechenden Dimensionen, deuten jedoch darauf hin, dass eine einfachere und konkretere Formulierung der einzelnen Stufen dieses Reifegradmodells noch erforderlich ist. Körperliche Gesundheit ist ein wesentlicher Bestandteil des Wohlbefindens (Burr et al. 2020). Die Relevanz dieses Aspekts wird auch durch die Ergebnisse dieser Studie deutlich. Die vorgeschlagenen Aspekte für jede Stufe sind verständlich formuliert, anwendbar und zeigen die beabsichtigte Wirkung. Mit der Dimension Wohlbefinden und Performance wurde in dieser Forschung ein Aspekt der strategischen Geschäftsausrichtung integriert, bei dem in der höchsten Ebene das Geschäftsmodell auf das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ausgerichtet ist. In weiterer Forschung und ganzheitlichen Reifegradmodellen könnte in dieser Dimension auch der Kunde im Handwerk integriert werden.

5 Fazit & Ausblick

Reifegradmodelle haben sich als wertvolle Werkzeuge etabliert, um den Reifegrad von Organisationen in verschiedenen Bereichen zu bewerten. Im Kontext der DT wird der strategische Anwendungszweck solcher Modelle besonders relevant, da sie Unternehmen dabei unterstützen, ihre digitalen Fähigkeiten und Prozesse systematisch zu verbessern. In der DT ist es von besonderer Bedeutung Bedürfnisse und Ängste von Mitarbeitenden zu berücksichtigen. Denn es zeigt sich, dass das Wohlbefinden von Mitarbeitenden einen entscheidenden Einfluss auf den betrieblichen Erfolg hat.
Der Fokus dieser Arbeit liegt auf mitarbeiterbezogenen Veränderungsprozessen im Handwerk, die durch die DT hervorgerufen werden. Hierbei zeigt sich, dass gerade in Handwerksorganisationen dieser Veränderungsprozess derzeit nicht strategisch begleitet wird. Weiterhin sind bestehende Reifegradmodell derzeit zumeist auf Aspekte der Organisation, der Kultur und IT ausgerichtet und blenden zentrale Aspekte, die sich auf Mitarbeitende beziehen, aus.
Der Fokus der in dieser Arbeit abgeleiteten Reifegrad-Dimensionen liegt speziell auf der Mitarbeiterorientierung und der Organisation. Diese Konzentration ergibt sich aus der Erkenntnis, dass die Mitarbeitenden als zentrale Akteure im Veränderungsprozess agieren und ihre Akzeptanz und Kompetenz entscheidend für den Erfolg der DT sind.
Die vorliegende Forschung zeigt, dass die in dieser Arbeit abgeleiteten mitarbeitendenorientierten Dimensionen, die auf die DT abzielen, relevant sind und zu Veränderungen in der Organisation führen können. Es wird daher empfohlen, dass diese Dimensionen in bestehende Reifegradmodelle zur DT integriert werden. Die Ergebnisse der Studie zeigen aber auch, dass einige der entwickelten Dimensionen noch angepasst werden müssen, damit sie in der Praxis an- und umsetzbar sind. Auch sollte ein Reifegradmodelle zur DT eine Dimension beinhalten, die Veränderungen in der Kundeninteraktion und -integration berücksichtigt.
Die vorliegende Arbeit und deren Ergebnisse weisen einige Schwächen auf. Zum einen wurden die aus bestehenden Reifegradmodellen und der Theorie abgeleiteten Dimensionen mit Mitarbeiterorientierung nur mit einem kleinen Expertenkreis validiert. Eine breite Validierung erscheint notwendig. Weiterhin müssen einige Dimensionen überarbeitet und erneut evaluiert werden, was Gegenstand der weiteren Forschung sein wird.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die vorgestellten Reifegrad-Dimensionen mit dem Fokus auf Mitarbeiterorientierung und Organisation eine vielversprechende Grundlage für die Unterstützung der DT in Handwerksorganisationen bietet. Die Forschungsergebnisse unterstreichen die Relevanz und Gültigkeit der neuen Dimensionen, wobei gleichzeitig ein Anpassungsbedarf in bestimmten Bereichen besteht.
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Metadaten
Titel
Mitarbeitende im Fokus – ein angepasstes Reifegradmodell zur Messung der digitalen Transformation im Handwerk
verfasst von
Julia Bosbach
Maximilian Helms
Christoph Lattemann
Audris Umel
Publikationsdatum
25.11.2024
Verlag
Springer Fachmedien Wiesbaden
Erschienen in
HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik / Ausgabe 6/2024
Print ISSN: 1436-3011
Elektronische ISSN: 2198-2775
DOI
https://doi.org/10.1365/s40702-024-01124-w