Unternehmen verteidigen die Büropflicht häufig mit dem Argument höherer Produktivität. Eine neue Studie belegt hingegen keine bessere Performance. Viel häufiger geht es um die Kontrolle der Mitarbeitenden.
Gänzlich abschaffen lässt sich das Arbeiten im Homeoffice kaum mehr. Viele Unternehmen würden ihre Mitarbeitenden aber gern wieder öfter im Büro sehen. So haben zahlreiche internationale und deutsche Großkonzerne mittlerweile eine Mindestzahl an Präsenztagen pro Woche für ihre Bürobeschäftigten eingeführt. Häufig sind dies zwei bis drei Tage. Führungskräfte müssen allerdings vielerorts an vier Tagen pro Woche in der Firma arbeiten.
Verbreitung von Homeoffice in Deutschland |
Laut einer Umfrage des ifo Instituts unter knapp 9.000 Unternehmen arbeiteten im Februar diesen Jahres 24,1 Prozent der Beschäftigten in Deutschland zumindest teilweise von zu Hause. Dabei ist in fast einem Drittel der großen Unternehmen Remote-Arbeit möglich (32,1 Prozent). Von den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) bietet hingegen nur jeder fünfte Betrieb (20,5 Prozent) diese Option an. |
Was Döpfner mit Office-First meint
Erst kürzlich sorgte Matthias Döpfner, CEO von Axel Springer, mit seiner beim diesjährigen Leadership-Summit verkündeten "Office First"-Devise für Aufregung. Eine Konzern-Sprecherin stellte gegenüber dem Branchenmagazin "Meedia" allerdings klar, dass dies nicht gleichbedeutend mit Office-Only sei. Vielmehr wolle man "Büroarbeit und Homeoffice balanciert nutzen".
Als Gründe für die neuen Büroregeln nennen die meisten Unternehmen bessere Kommunikation, mehr Kreativität und Innovationskraft, bisweilen auch höhere Produktivität. Letztlich soll all dies in einer besseren Performance gipfeln. Doch das Bestreben der Firmen, ihre Mitarbeitenden zu regelmäßigerer Büropräsenz zu verpflichten, stößt weithin auf Unmut - bis hin zu Kündigungen. Immerhin jeder Fünfte würde den Job wechseln, wenn der Arbeitgeber zu wenig Homeoffice ermöglicht, ergab eine Befragung im Auftrag von Lucid Software unter 2.500 weltweit befragten Wissensarbeitenden.
Kündigungswelle durch strenge Büropräsenzregeln?
Einer Umfrage von Gartner HR Research von 2023 zufolge kündigen am ehesten leistungsstarke Mitarbeiter, Frauen und Millennials ihre Stelle, wenn Unternehmen strenge Return-to-Office-Regeln (RTO) festlegen. Demnach sank die Absicht, unter strengen RTO-Anforderungen weiterhin im Unternehmen zu bleiben, bei durchschnittlichen Beschäftigten um acht Prozent. Bei leistungsstarken Mitarbeitenden ging sie hingegen um 16 Prozent zurück und lag damit doppelt so hoch wie bei durchschnittlichen Angestellten. Bei Millennials und Frauen fällt die Bleibeabsicht um zehn beziehungsweise elf Prozent. Vor dem Hintergrund des verbreiteten Fachkräftemangels ist dies fatal - auch wenn böse Zungen behaupten, manchem Unternehmen kämen die freiwilligen Kündigungen insbesondere von teuren und anspruchsvollen Beschäftigten ganz recht.
Eine Lösung, die allen gleichermaßen gefällt, gibt es offensichtlich nicht. Dies bestätigt auch die Konstanzer Homeoffice-Studie “Homeoffice und mobiles Arbeiten?“, eine seit März 2020 laufende Langzeitstudie. Wie die jüngste Welle vom April 2024 zeigt, sind die Belegschaften in der Frage der Büropräsenz gespalten. Der Riss verläuft zwischen Mitarbeitenden ohne beziehungsweise mit Führungsverantwortung.
Belegschaften sind in punkto Präsenzpflicht gespalten
Während "einfache" Angestellte im Schnitt 2,79 Tage pro Woche im Homeoffice beziehungsweise mobil arbeiten wollen, finden Führungskräfte durchschnittlich 2,47 Tage Remote-Work optimal. Beim Thema Präsenzpflicht wird der Unterschied noch deutlicher: Ein Drittel der Führungskräfte hält eine stärkere Präsenzpflicht für sinnvoll. Von den Mitarbeitenden ohne Führungsverantwortung finden dies nur 19 Prozent.
Homeoffice erschwert die Kommunikation
Ferner zeigt die Studie, für die 1.023 Personen (davon 476 Führungskräfte) befragt wurden, dass die gängigen Argumente der Führungsriege für die Rückkehr ins Büro von den Beschäftigten ohne Führungsverantwortung weniger geteilt werden. Einzig in punkto schlechterer Kommunikation durch Remote-Work klaffen die Ansichten der beiden Gruppen nicht ganz so weit auseinander. Dass die leidet, finden 43 Prozent der Führungskräfte und 31 Prozent der Beschäftigten ohne Führungsverantwortung.
In diesem Zusammenhang ist auch die Studie "Return-to-Office Mandates" aufschlussreich. Denn sie beleuchtet die von den Unternehmen genannten Gründe für neue Präsenzregeln ebenso wie die faktischen Auswirkungen der RTO-Anordnungen. Hierfür untersuchten die Forschenden der Katz Graduate School of Business der University of Pittsburgh anhand einer Stichprobe von Unternehmen des Aktienindex “Standard & Poor’s 500“ verschiedene Determinanten und Folgen der Return-to-Office-Regelungen von US-Firmen. Dabei ergaben die Determinantenanalysen unter anderem, dass Manager die Anwesenheitspflicht im Büro häufig verwenden, um die Kontrolle über die Mitarbeitenden wiederzuerlangen und sie als Sündenbock für schlechte Unternehmensleistungen verantwortlich zu machen.
Strengere RTO-Regeln verbessern Performance nicht
Nicht bestätigt wurde hingegen die Annahme, dass Manager die Rückkehrpflicht verordnen, weil sie glauben, dass dies die Unternehmenswerte erhöht. Tatsächlich belegen die Analysen der Performance der betrachteten Konzerne keine signifikanten Veränderungen bei deren Rentabilität und Börsenbewertung nach Einführung der RTO-Vorgaben.
Allerdings ergab die Untersuchung signifikante Rückgänge bei der Arbeitszufriedenheit der Mitarbeitenden nach der Rückkehranweisung. Die Wissenschaftler ziehen zwei wesentliche Schlüsse aus ihrer Studie:
- Einer der von den Managern am häufigsten angeführten Gründe für die Umsetzung der RTO-Politik, nämlich die Verbesserung der Unternehmensleistung, hat möglicherweise keine gültige Rechtfertigung für eine solche Politik in der Post-Pandemie-Ära.
- Rückkehranordnungen schaden der Mitarbeiterzufriedenheit.
Spagat zwischen Unternehmens- und Mitarbeiterwünschen
Doch wie lassen sich die verschiedenen Positionen nun Einklang bringen? Keine Frage, die Rückkehr ins Büro anzuordnen, um einen Sündenbock zu haben, ist indiskutabel. Und auch Chefs, die ihre Mitarbeitenden jederzeit kontrollieren wollen, manövrieren sich zunehmend ins Abseits. "Führungskräfte können bei Homeoffice nicht mehr auf altbewährte Kontrollmechanismen zurückgreifen, sondern müssen mehr auf Vertrauen und Leistung setzen. Das erfordert ein tiefes Umdenken in der Organisation, eine neue Art der Führung sowie eine moderne, offene und diverse Organisationskultur", stellen Martina Hartner-Tiefenthaler et al. in dem Buchkapitel "New Ways of Working aus Organisationsperspektive" fest. (Seite 83)
Mangelnde Effizienz und Produktivität im Homeoffice ist hingegen ein nachvollziehbares Argument für Büropräsenzregeln. Jedoch berichten viele Beschäftigte, dass sie im Homeoffice produktiver und effizienter arbeiten. Diese Einschätzung gilt es, ernst zu nehmen und genau zu prüfen. Ein weiterer wichtiger Aspekt im Vergleich von Büropräsenz und Homeoffice ist Frage: Wie gut funktioniert die Zusammenarbeit?
Software kann die Zusammenarbeit erleichtern
Bei letzterem können Kollaborations- und Projektmanagement-Tools hilfreich sein. Sie erleichtern die Zusammenarbeit an Projekten und Aufgaben und sorgen für Transparenz. Laut der Studie "State of Productivity" (Teil 2) von Get App unter 497 Beschäftigten in Deutschland, die auch hybrid arbeiten, nutzen jedoch mehr als 60 Prozent der Befragten Projektmanagementsoftware selten oder nie. Und über Kollaborationssoftware sagte dies knapp die Hälfte der Studienteilnehmenden.
Technik-Schulungen zahlen sich aus
Einer der Gründe mag sein, dass im Unternehmen solche Software nicht verwendet wird. Ein weiterer ist, dass die Nutzung von Projektmanagement- und Kollaborationstools im Homeoffice teilweise daran scheitert, dass die Beschäftigten dazu nicht ausreichend geschult wurden. Und einiges spricht dafür, dass die Mitarbeitenden sich durch die Technik gestresst fühlen und daher beispielsweise lieber auf bewährte Kommunikationstools wie E-Mail zurückgreifen.
In diese Richtung weisen auch Ergebnisse der in der Publikation "HMD Praxis der Wirtschaftsinformatik" vorgestellten Studie "Take it Easy - Eine qualitative Untersuchung digitaler Stressoren und Stressbewältigungsmaßnahmen im Homeoffice" von Caroline Reßing und anderen Autoren. Die Forschenden kommen darin zu dem Teilergebnis: "Insbesondere Software zur Kollaboration und Kommunikation wurde pandemiebedingt rapide und spontan eingeführt. Die Softwarefunktionen wurden somit 'on-the-job' ausprobiert und getestet, wobei sich Funktionen oftmals als nicht ausreichend oder geeignet herausstellten." (Seite 1018)
Fazit
Mit zu starren, top-down erlassenen RTO-Vorgaben vergraulen Unternehmen ihre Mitarbeitenden. Stattdessen sollten Präsenzregeln unter Einbeziehung der Wünsche der Mitarbeitenden entwickelt werden. Letztlich werden sich in den meisten Unternehmen hybride Arbeitsmodelle durchsetzen. Um hierbei die Zusammenarbeit, Produktivität und Effizienz zu stärken, sollte auf geeignete Software zurückgegriffen werden. Allerdings müssen die Mitarbeitenden darin auch hinreichend geschult und bei technischen Problemen unterstützt werden.