Der Verkauf des Wärmepumpengeschäfts von Viessmann hat den deutschen Maschinenbau aufgerüttelt. Im Interview erläutert Borys Storck von Marktlink, wie zukunftsfähig die Branche ist und ob Wertschöpfung und Kompetenz verloren gehen könnten.
Borys Storck ist Managing Partner bei Marktlink am Standort in Düsseldorf und Fachmann für M&A-Beratung im Mittelstand.
Marktlink
Wie bewertet man in anderen mittelständischen Unternehmen des Maschinenbaus den Verkauf des Wärmepumpengeschäfts von Viessmann?
Die Verwunderung ist zunächst einmal groß. Viele meiner Kunden kamen auf mich zu und wollten die Hintergründe diskutieren. War diese Transaktion tatsächlich durch kurzfristige politische Entscheidungen getrieben? Was bedeutet dies für die Zulieferer? Es schienen Bedenken vorzuherrschen, ob man im Skalierungswettbewerb mit ausländischen Playern mithalten können würde. Es stellt sich auch die Frage, ob für deutsche Maschinenbauer zukünftig ein gemeinsamer Weg mit asiatischen oder US-amerikanischen Unternehmen generell eine wichtigere Option sein wird.
Wovon hängt ab, ob deutsche KMUs einen ähnlichen Weg gehen?
Viele Unternehmen werden entscheiden, ob man allein stark genug ist, um eigenständig und unabhängig zu agieren. Auch vor diesem Hintergrund wird vielerorts derzeit das eigene Geschäftsmodell durchleuchtet. Die Handlungsempfehlungen sind dann fallspezifisch unterschiedlich: Wenn man weiterhin unabhängig bleiben möchte, macht ein Teilverkauf des Unternehmens an einen Finanzinvestor Sinn, der mit seinen Finanzmitteln beträchtlich in Zukunftsinvestitionen des Unternehmens investieren kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der deutsche Maschinenbau nach einer kurzen Phase der Verwunderung nun selbstkritisch gegenüber seinem eignen Geschäftsmodell ist und dieses durchleuchtet, was für eine traditionsreiche Branche wie diese eine sehr starke und richtige Reaktion ist.
Ist das Geschäft zwischen Viessmann und Carrier Global der Auftakt zu weiteren Verkäufen von Geschäftsfeldern im deutschen Mittelstand?
Der deutsche Mittelstand steht seit mehr als 30 Jahren im Fokus von nationalen und internationalen Investoren. Lediglich die Branchen, Themen und die Ratio ändern sich. Wir sehen Branchen mit hohem Transformationsdruck – etwa im Bereich Automotive, wo andere Dynamiken fast schon erwartet worden. Viessmann ist insofern ein Sonderfall, als dass die Branche gerade am Anfang einer starken Wachstumsdynamik steht.
In welchen Technologien könnte der globale Markt KMUs dazu zwingen?
Unkenrufen zum Trotz, ist der deutsche Mittelstand weiterhin sehr stark positioniert. Der Zwang bestand, besteht und wird bestehen – auch bedingt durch schnelle politische "Schüsse" wie zum Beispiel in der Solarindustrie in der Vergangenheit oder durch falschen Protektionismus der deutschen Automobilindustrie. Letztere hat trotz der globalen Änderungen ihre "Comfort Zone" für lange Zeit nicht verlassen müssen. Auch auslaufende Förderprogramme, die lediglich das Ziel hatten Unternehmen in bestimmten Regionen oder Branchen zu fördern, können eine Zäsur darstellen. Oft lässt sich dann erkennen, welche Branchen so nicht zukunftsfähig sind – dies kann die KMUs zwingen, Teil eines Konzerns zu werden.
Drohen mit Verkäufen in jedem Fall auch die Abwanderung von Kompetenz und Wertschöpfung aus Deutschland? Oder sind auch gegenteilige Effekte denkbar?
Die Abwanderung der Wertschöpfung aufgrund zahlreicher Faktoren kann in der Tat problematisch für einen Standort werden. In puncto "Brain Drain" sehe ich die Risiken nicht: Zunächst einmal bleibt die Kompetenz in den Köpfen der Menschen und kann somit nicht mitveräußert werden. Einfache Bestandteile innerhalb einer Wertschöpfungskette sind entweder bereits im Ausland ausgelagert oder wären ohnehin dorthin veräußert worden. Die spannende Frage ist, was passiert nach einer Transaktion mit den Bestandteilen der Wertschöpfungskette, die Spezialwissen und Spezialfähigkeiten erfordert.
Wie könnte die Antwort lauten?
Schaut man sich einige Transaktionen an, so bleibt dieses Know-how definitiv in Deutschland. Die Menschen, die dieses Spezialwissen besitzen, ziehen nicht nach der Transaktion nach Asien oder in die USA. Sie bleiben hier. Selbst wenn der Käufer dieses Spezialwissen mit der Transaktion in Form von Dokumenten erwirbt, sind diese genialen Köpfe bereits einen Schritt weiter und arbeiten gegebenenfalls für ein anderes Unternehmen.
Wird ein deutsches Unternehmen seitens ausländischer Investoren übernommen, so ergeben sich auch zusätzliche Potenziale für dieses. Im Sinne einer geographischen Verteilung wird es robuster, untersteht dem wirtschaftlichen Protektionismus des jeweiligen Landes bei gleichzeitiger Erschließung neuer Märkte. In der Regel erfolgt der Zugang zu weiteren Finanzierungsquellen mit lokalen Konditionen und viele weitere Faktoren.
Wie ist der Maschinenbau vor diesem Hintergrund insgesamt aufgestellt? Sprechen wir also über die Zukunftsfähigkeit des Maschinenbaus in Deutschland oder hätten Verkäufe in den besprochenen Technologiefeldern nur begrenzte Auswirkungen auf die Branche?
In regelmäßigen Zeitabständen gab es stets aufsehenerregende Transaktionen in Deutschland als auch weltweit. Sei es in der Mobilfunkbranche, Automobilindustrie, Maschinenbau oder vielen anderen Bereichen. Bis jetzt kann ich nicht feststellen, dass bedingt durch bestimmte Transaktionen die deutschen KMUs weniger interessant sind. Ich bin überzeugt, dass dies auch für den deutschen Maschinenbau gelten wird. Fertigungstiefe und technisches Know-how bleiben Erfolgsfaktoren des Standorts.
Sollte die Politik handeln?
Die Politik ist aufgerufen, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Standorts attraktiv zu gestalten. Da gibt es in Deutschland sicherlich Baustellen – von der Bürokratie bis hin zum Thema Energiesicherheit. Debatten hierzu sind ja nicht neu. Fälle wie Viessmann oder Kuka sorgen auch politisch für Diskussionen. Doch was soll getan werden? Will man es verbieten?
Auf welcher Grundlage? Dass eine Familie ihren Betrieb verkauft? Wie will die Politik den verhinderten Verkauf für die Familie kompensieren? In meinen Augen ist diese Diskussion nicht zielführend. Vielmehr könnte die Politik für die KMUs viel tun, indem sie endlich klare Regeln aufstellt oder gezielt langfristig fördert, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Was raten Sie Unternehmen, die sich um die Wettbewerbsfähigkeit ihrer selbst entwickelten Zukunftstechnologien sorgen?
Nach Möglichkeit immer innovativer sein als die anderen. Hier gibt es gerade in Deutschland viele positive Beispiele. Es gilt, für die Forschung und Entwicklung entsprechende Budgets bereitstellen, entsprechend auch in die eigenen Mitarbeiter zu investieren – nicht nur monetär, sondern auch emotional. Ferner gilt es, die eigenen Entscheidungen stets selbstkritisch zu hinterfragen. Letztendlich wirken sich all diese Punkte positiv auf den Unternehmenswert aus.