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Erschienen in:

Open Access 25.03.2025 | Originalarbeit

Mobilität und Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen

verfasst von: Prof. Dr. Daniel Vollprecht, Simon Faul, Romy Wittum, Lena Putz, Christian Strakos

Erschienen in: BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte | Ausgabe 5/2025

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Zusammenfassung

Der Artikel beleuchtet die Herausforderungen und Lösungsansätze zur Mobilität und Immobilisierung von Schwermetallen in Müllverbrennungs-Rostaschen (MVA-Rostaschen). Während für Stahlwerksschlacken bereits auslaugungskontrollierende Mechanismen und thermochemische Konditionierungsverfahren bekannt sind, fehlen solche Ansätze für MVA-Rostaschen. In dieser Studie werden durch die nachträgliche Zugabe von Additiven, die bereits zur Prävention der Hochtemperatur-Chlorkorrosion in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden, neue Wege zur Konditionierung von MVA-Rostaschen erprobt. Die mineralischen Fraktionen der Rostaschen wurden mittels Röntgendiffraktometrie und Rasterelektronenmikroskopie analysiert, um die Phasenbestandteile zu identifizieren. Elutionsversuche und hydrogeochemische Modellierungen zeigten, dass die Freisetzung von Schwermetallen wie Chrom, Kupfer und Nickel durch spezifische mineralogisch-geochemische Prozesse kontrolliert wird. Die Zugabe von mineralischen Additiven wie Kaolin, MinPlus® und Kaliumdihydrogenphosphat konnte die Eluatkonzentration von Kupfer signifikant reduzieren. Diese Ergebnisse bieten wertvolle Einblicke in die Möglichkeiten der nachträglichen Konditionierung von MVA-Rostaschen und tragen zur Entwicklung nachhaltiger Recyclingstrategien bei.
Hinweise

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.

1 Einleitung

Dieser Artikel erschien wort- und abbildungsgleich im Tagungsband der 17. Recy&DepoTech [1].
Die Freisetzung von Schwermetallen stellt ein wesentliches Hindernis für das Recycling von MVA-Rostaschen dar. Während für Stahlwerksschlacken bereits auslaugungskontrollierende Mechanismen identifiziert [1] und maßgeschneiderte thermochemische Konditionierungsverfahren erprobt wurden [2], gibt es für Müllverbrennungs-Rostaschen (MVA-Rostaschen) zwar grundlegende Erkenntnisse zu auslaugungskontrollierenden Mechanismen [3], aber noch kaum Ansätze zu einer gezielten Konditionierung. Da im Unterschied zum metallurgischen Prozess keine Homogenisierung im schmelzflüssigen Zustand erfolgt, wird in dieser Studie im Rahmen dreier Abschlussarbeiten für MVA-Rostaschen der Ansatz einer nachträglichen Zugabe von Additiven erprobt, die bereits teilweise zur Prävention der Hochtemperatur-Chlorkorrosion in Müllverbrennungsanlagen eingesetzt werden [4], aber noch nicht zur nachträglichen Aschebehandlung.

2 Material und Methoden

Im Rahmen einer Masterarbeit [5] wurden je drei Rostaschen aus drei Abfallverbrennungsanlagen nach LAGA PN 98 beprobt. Die mineralischen Fraktionen wurden mittels Handsortierung und Magnetscheidung aus den Rostaschen abgetrennt und mittels Röntgendiffraktometrie (XRD, Huber G670, Software MATCH!) und Rasterelektronenmikroskopie (REM, Zeiss Merlin 450, Software AZtec) durchgeführt. Anschließend wurden Elutionsversuche nach DIN 12457‑2 durchgeführt und die Eluate mittels optischer Emissionsspektroskopie mit induktiv gekoppeltem Plasma (ICP-OES, Varian Vista MPX) analysiert.
Im Rahmen einer Bachelorarbeit [6] wurden zwei der zuvor untersuchten Proben für pH-abhängige Elutionsversuche nach DIN 14429 verwendet. Die Analyse der Eluate erfolgte wie zuvor mittels ICP-OES. Die so ermittelten Maximalkonzentrationen wurden als „verfügbare Konzentrationen“ als Input für eine hydrogeochemische Modellierung mittels LeachXS/Orchestra verwendet, um die auslaugungskontrollierenden Mechanismen zu identifizieren.
Schlussendlich wurden im Rahmen einer weiteren Bachelorarbeit [7] die Auswirkung mineralischer Additive auf die Auslaugbarkeit untersucht. Dazu wurden jeweils Kaolin, das Ca-haltige Additiv MinPlus® sowie Kaliumdihydrogenphosphat (KH2PO4) im Verhältnis 5:95 mit der Rostasche gemischt und die Mischungen mittels Schütteleluat nach DIN 19529 im Hinblick auf ihre Schadstofffreisetzung untersucht, wobei die chemische Analyse der Eluate ebenfalls mittels ICP-OES erfolgte.

3 Ergebnisse und Diskussion

In der Arbeit zur Mineralogie und Auslaugbarkeit von MVA-Rostaschen [5] wurden mittels XRD die Phasen Quarz (SiO2), Calcit (CaCO3), Åkermanit (Ca2Mg[Si2O7]), Anhydrit (CaSO4), Ettringit (Ca6Al2[(OH)12(SO4)3]·26 H2O) und Magnetit (Fe3O4) identifziert, die stöchiometrisch keine Schwermetalle enthalten. Mittels REM-EDX konnte gezeigt werden, dass Cu in den untersuchten Proben in metallischer Form sowie als Cuprit, Cu2O, Ba als Baryt, BaSO4, und Cr als Chromit, FeCr2O4, vorliegen (Abb. 1).
Abb. 1
Rückstreuelektronenbild (BSE) und Elementverteilungskarten (REM-EDX) eines Ausschnitts einer MVA-Rostasche mit isometrischen Kristallen von Chromit (FeCr2O4) und dendritischem Wüstit (FeO) [5]
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Die Eluatanalysen zeigen, dass die Freisetzung von Cr mit < 0,1 mg/kg TM deutlich geringer ist als jene von Ba, die zwischen 1,5 und 3 mg/kg TM liegt, sowie jene von Cu, die zwischen 1,7 und 7,1 mg/kg TM beträgt. Dies spricht dafür, dass die Löslichkeit von Chromit geringer ist als jene von Cuprit und Baryt.
Mittels hydrogeochemischer Modellierung [6] wurde gezeigt, dass die Freisetzung von Zn v. a. durch die Löslichkeit von Willemit, Zn2SiO4, jene von Ni v. a. durch die Löslichkeit von Theophrastit, Ni(OH)2 (Abb. 2) und jene von Cu v. a. durch die Löslichkeit von Tenorit, CuO, kontrolliert wird, während es im Falle von Pb und Cr zunächst zur Auflösung der Primärphasen und anschließend zur Adsorption der freigesetzten Schwermetalle v. a. an Eisenhydroxide kommt.
Abb. 2
Eluatkonzentrationen (Punkte links), Nachweisgrenze (schwarz gestrichelte horizontale Linie links) und modellierte Gleichgewichtskonzentrationen (dunkelblau gestrichelte Linie links) sowie löslichkeitskontrollierende Prozesse (rechts) für Nickel [6]
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Diese identifizierten mineralogisch-geochemischen Prozesse sorgen dafür, dass die Eluatkonzentrationen von Cr, Cu und Ni beim natürlichen pH-Wert unter den Grenzwerten für einen Einsatz im Straßenbau liegen, während für andere Elemente die Nachweisgrenze der gewählten Messmethode (ICP-OES) oberhalb der Grenzwerte lag, deren Einhaltung damit nicht bestimmt werden konnte.
Dabei wurde gezeigt, dass alle Additive die Eluatkonzentration von Cu um 19 bis 36 % verringerte (Tab. 1). Im Hinblick auf die Freisetzung von Ni, Sb und V hatte die Zugabe von KH2PO4 hingegen eine negative Wirkung, was im Fall des Ni auf eine Abnahme des pH-Wertes von 9,74 auf 8,49 und im Fall von Sb und V auf die Fixierung von Ca in Phosphaten zurückgeführt werden kann, welches dann nicht mehr für die Bildung schwerlöslicher Ca-Antimonate und -Vanadate zur Verfügung steht.
TABELLE 1
Eluatkonzentrationen der reinen MVA-Rostasche sowie der Mischungen mit mineralischen Additiven und zugehörige pH-Werte [7]
 
Cu (mg/L)
Ni (mg/L)
Sb (mg/L)
V (mg/L)
pH-Wert
Reine Rostasche
0,94
< 0,17
< 0,18
0,12
9,74
Mit 5 % Kaolin
0,75
< 0,10
< 0,18
0,12
9,00
Mit 5 % MinPlus®
0,76
< 0,10
< 0,18
0,12
12,50
Mit 5 % KH2PO4
0,60
4,02
0,51
0,20
8,49

4 Zusammenfassung

Im Rahmen von drei Abschlussarbeiten wurde gezeigt, dass Cu in den untersuchten MVA-Rostaschen als Metall sowie als Cuprit, Cu2O, Ba als Baryt, BaSO4, und Cr als Chromit, FeCr2O4, vorliegen. Die Eluatanalysen zeigen, dass die Freisetzung von Cr mit < 0,1 mg/kg deutlich geringer ist als jene von Ba (1,5 bis 3 mg/kg) und Cu (1,7 bis 7,1 mg/kg). Mittels pH-abhängiger Auslaugversuche und hydrogeochemischer Modellierung wurden die auslaugungskontrollierenden Mechanismen identifiziert. Demzufolge wird die Freisetzung von Zn v. a. durch die Löslichkeit von Willemit, Zn2SiO4, jene von Ni v. a. durch die Löslichkeit von Theophrastit, Ni(OH)2 und jene von Cu v. a. durch die Löslichkeit von Tenorit, CuO, kontrolliert, während es im Falle von Pb und Cr zunächst zur Auflösung der Primärphasen und anschließend zur Adsorption der freigesetzten Schwermetalle v. a. an Eisenhydroxide kommt. Diese identifizierten mineralogisch-geochemischen Prozesse sorgen dafür, dass die Eluatkonzentrationen von Cr, Cu und Ni unter den Grenzwerten für einen Einsatz im Straßenbau liegen. Schlussendlich wurde gezeigt, dass die Zugabe mineralischer Additive (Kaolin, MinPlus® sowie Kaliumdihydrogenphosphat (KH2PO4)) die Eluatkonzentration von Kupfer um 19 bis 36 % verringert.

Interessenkonflikt

D. Vollprecht, S. Faul, R. Wittum, L. Putz und C. Strakos geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden. Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen. Weitere Details zur Lizenz entnehmen Sie bitte der Lizenzinformation auf http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​deed.​de.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Literatur
1.
Zurück zum Zitat Vollprecht, D., et al.: Mobilität und Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen. Recy&DepoTech. BD 17(1), 717–720 (2024) Vollprecht, D., et al.: Mobilität und Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen. Recy&DepoTech. BD 17(1), 717–720 (2024)
2.
Zurück zum Zitat Neuhold, S., et al.: Investigation of Possible Leaching Control Mechanisms for Chromium and Vanadium in Electric Arc Furnace (EAF) Slags Using Combined Experimental and Modeling Approaches. Minerals 9(9), 525 (2019)CrossRef Neuhold, S., et al.: Investigation of Possible Leaching Control Mechanisms for Chromium and Vanadium in Electric Arc Furnace (EAF) Slags Using Combined Experimental and Modeling Approaches. Minerals 9(9), 525 (2019)CrossRef
3.
Zurück zum Zitat Neuhold, S., et al.: Tailoring the FeO/SiO2 Ratio in Electric Arc Furnace Slags to Minimize the Leaching of Vanadium and Chromium. Appl. Sci. 10(7), 2549 (2020)CrossRef Neuhold, S., et al.: Tailoring the FeO/SiO2 Ratio in Electric Arc Furnace Slags to Minimize the Leaching of Vanadium and Chromium. Appl. Sci. 10(7), 2549 (2020)CrossRef
4.
Zurück zum Zitat Dijkstra, J.J., van der Sloot, H.A. und Comans, R.N.J: The leaching of major and trace elements from MSWI bottom ash as a function of pH and time. Appl. Geochemistry 21(2), 335–351 (2006)CrossRef Dijkstra, J.J., van der Sloot, H.A. und Comans, R.N.J: The leaching of major and trace elements from MSWI bottom ash as a function of pH and time. Appl. Geochemistry 21(2), 335–351 (2006)CrossRef
5.
Zurück zum Zitat Pentz, S.: Hochtemperatur-Chlorkorrosion in Müllverbrennungsanlagen – Einfluss von Additiven auf die Kinetik der Sulfatierungsreaktion. Dissertation, s. l. : Universität Augsburg (2023) Pentz, S.: Hochtemperatur-Chlorkorrosion in Müllverbrennungsanlagen – Einfluss von Additiven auf die Kinetik der Sulfatierungsreaktion. Dissertation, s. l. : Universität Augsburg (2023)
6.
Zurück zum Zitat Faul, S.: Mineralogie und Auslaugbarkeit anorganischer Umweltschadstoffe aus mineralischen Fraktionen von Müllverbrennungsrostaschen. Masterarbeit. s. l. Universität Augsburg, Masterarbeit (2024) Faul, S.: Mineralogie und Auslaugbarkeit anorganischer Umweltschadstoffe aus mineralischen Fraktionen von Müllverbrennungsrostaschen. Masterarbeit. s. l. Universität Augsburg, Masterarbeit (2024)
7.
Zurück zum Zitat Wittum, R.: Hydrogeochemische Modellierung der Auslaugbarkeit von MVA-Rostaschen. Bachelorarbeit. s. l. : Universität Augsburg (2024) Wittum, R.: Hydrogeochemische Modellierung der Auslaugbarkeit von MVA-Rostaschen. Bachelorarbeit. s. l. : Universität Augsburg (2024)
8.
Zurück zum Zitat Putz, L.: Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen durch Mischen mit Additiven. Bachelorarbeit. s. l. : Universität Augsburg (2024) Putz, L.: Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen durch Mischen mit Additiven. Bachelorarbeit. s. l. : Universität Augsburg (2024)
Metadaten
Titel
Mobilität und Immobilisierung von Schwermetallen in MVA-Rostaschen
verfasst von
Prof. Dr. Daniel Vollprecht
Simon Faul
Romy Wittum
Lena Putz
Christian Strakos
Publikationsdatum
25.03.2025
Verlag
Springer Vienna
Erschienen in
BHM Berg- und Hüttenmännische Monatshefte / Ausgabe 5/2025
Print ISSN: 0005-8912
Elektronische ISSN: 1613-7531
DOI
https://doi.org/10.1007/s00501-025-01576-7

    Marktübersichten

    Die im Laufe eines Jahres in der „adhäsion“ veröffentlichten Marktübersichten helfen Anwendern verschiedenster Branchen, sich einen gezielten Überblick über Lieferantenangebote zu verschaffen.