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19.01.2016 | Mobilitätskonzepte | Interview | Online-Artikel

"Die Zeit scheint reif für eine intermodale urbane Mobilität mit Elektrofahrzeugen"

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Prof. Dr. Heike Proff

Prof. Dr. Heike Proff ist Inhaberin des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre & Internationales Automobilmanagement an der Universität Duisburg-Essen.

Elektroautos werden als Teil neuer Mobilitätskonzepte und Verkehrssysteme die Qualität der Mobilität verbessern, sagt Heike Proff. Voraussetzung ist aber, dass die Fahrzeuge neu konzipiert, auf die Städte von morgen ausgerichtet sind und den Kundenanforderungen entsprechen, erklärt sie im Interview.

Sie sind Mitherausgeberin des Buches "Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen". Das Buch veröffentlicht die Ergebnisse zum Forschungsprojekt DesignStudioNRW. Welche Motivation stand hinter dem Projekt?

Die Mobilität wird sich verändern und die Elektromobilität wird kommen, wenn auch langsam und zuerst in Städten, in denen die Lebensqualität in den vergangenen Jahrzehnten infolge der hohen Lärm- und Schadstoffbelastung abgenommen hat. Viele der heute angebotenen Elektrofahrzeuge übersteigen allerdings noch deutlich die Preisbereitschaft der Käufer.

Es war deshalb Ziel des "Designstudio NRW", inter- und transdisziplinär eine "New Smart E-Mobility" zu entwickeln, die bei Kundenanforderungen ansetzt und durch Designsprache und technologische Eigenschaften begeistert. Meine Kollegen Professor Dr. Matthias Brand (Lehrstuhl für Allgemeine Psychologie: Kognition), Professor Kurt Mehnert (Lehrstuhl Strategie und Vision und Rektor Folkwang Universität der Künste, Essen), Professor Dr. Alexander Schmidt (Institut für Stadtplanung und Städtebau) und Professor Dr. Dieter Schramm (Lehrstuhl für Mechatronik) und ich haben ein völlig neues Fahrzeugkonzept in einer neuen Lade- und multimodalen Mobilitätsumgebung entworfen: das NRW Car als Designkonzept in einer virtuellen Stadtumgebung 2030. Ende November 2013 wurde das Fahrzeug nach einer Zielgruppenanalyse 121 Personen zusammen mit bereits angebotenen Elektrofahrzeugen und Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor derselben Fahrzeugklasse in einem Teststudio vorgestellt. Dabei wurde die Kundenakzeptanz des Fahrzeugs sowie einzelner Merkmale und Eigenschaften untersucht.

In Deutschland kommen Elektroautos weiterhin nur mäßig an. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?

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2016 | Buch

Elektrofahrzeuge für die Städte von morgen

Interdisziplinärer Entwurf und Test im DesignStudio NRW

Dieses Buch beschreibt die interdisziplinäre Entwicklung eines Elektrofahrzeuges unter besonderer Berücksichtigung von Kundenanforderungen und intermodaler urbaner Mobilitätmuster im Jahre 2030. Das Ergebnis der Zusammenarbeit von
Betriebswirte


Viele der heute angebotenen Elektrofahrzeuge übersteigen nicht nur deutlich die Preisbereitschaft der Käufer, sondern gehen am Kundenbedarf vorbei. Nötig wären vor allem kleine innovative rein batterieelektrische Fahrzeuge im Einstiegssegment mit völlig neuem Designentwurf - dem sogenannten Purpose Design - als Erstfahrzeuge für umweltbewusste und Zweitwagen für innovationsorientierte frühe Käufer. Untersuchungen zeigen, dass Hybridfahrzeuge im oberen Mittelklasse- und Oberklassesegment als Firmenwagen nachgefragt würden. Für beide potenziellen Nachfrager gibt es derzeit kein adäquates Angebot an Elektrofahrzeugen.

Wie lässt sich der Verkauf von Elektroautos ankurbeln? Brauchen wir vielleicht Sonderrechte für E-Autos in Städten?

Selbst ein Angebot dieser Fahrzeuge bedürfte einer politischen Anschubförderung. Sonderparkplätze sind besser als die Nutzung von Busspuren in engen Innenstädten. Elektrofahrzeuge würden Taxen und den Busverkehr behindern. Deshalb wollen die meisten Städte sie nicht einführen.

Wie lassen sich Stadtqualität und urbane Mobilität in Einklang bringen?

Stadtplaner fordern, dass eine zukünftige urbane Mobilität stärker als bisher die Besonderheiten der Stadtstruktur berücksichtigt und unterschiedliche Lebensgewohnheiten und Mobilitätsbedürfnisse beachtet. Auch betriebswirtschaftliche Studien zeigen, dass die Stadtbewohner mehr und mehr intelligente Mobilitätskonzepte suchen, die eine hohe individuelle Mobilität sichern. Sie sind heute für neue Mobilitätsformen offener als noch vor zwanzig Jahren. Das ist auch in großen Metropolen wie Berlin zu beobachten, wo die individuelle Motorisierung relativ gering ist, die intermodale Mobilität mit öffentlichem Verkehr, Carsharing und Fahrrad aber überdurchschnittlich hoch. Hier nimmt der Autobesitz junger Menschen ab. Angesichts des zunehmenden Verkehrs mit hoher und steigender Umweltbelastung und der Minderung der Lebensqualität durch den Verkehr scheint die Zeit reif für eine intermodale urbane Mobilität mit Elektrofahrzeugen.

Inwiefern kann die Elektromobilität unsere Städte verändern?

Die Elektromobilität reduziert lokal Emissionen und trägt erheblich zur Lärmreduzierung in Städten bei. Strom aus erneuerbaren Energien gewährleistet eine CO2-neutrale Mobilität. Die Elektromobilität könnte Teil einer neuen Mobilitäts-, Energie- und Ressourcenpolitik werden. Elektrofahrzeuge werden schon bald als Speichermedium in neue Energiesysteme integriert werden. Elektromobilität ermöglicht Veränderungen der Stadtgestaltung und gewährleistet eine Vernetzung unterschiedlicher Technologiefelder. Um mit weniger Verkehr die Mobilitäts- und Lebensqualität in den Städten zu verbessern, bedarf es der Elektromobilität.

Kurz zusammengefasst: Was sind die wichtigsten Erkenntnisse, die Sie aus dem Projekt DesignStudioNRW ziehen?

Elektrofahrzeuge werden als Teil neuer Mobilitätskonzepte und Verkehrssysteme die Qualität der Mobilität verbessern, wenn die Fahrzeuge neu gestaltet und entwickelt werden, wenn sie auf die Städte von morgen ausgerichtet werden und wenn sie den Kundenanforderungen entsprechen. Damit sie sich im Markt durchsetzen können, müssen Designer, Ingenieure, Stadtplaner, Betriebswirte und Psychologen zusammenarbeiten, um mit neuen Fahrzeugen nicht nur umweltbewusste und innovative frühe Käufer - "Early Adopter" - anzusprechen, sondern auch zögerliche Käufer im Volumensegment. Diese Anforderungen bestimmen den Entwurf des Elektro-Fahrzeugkonzepts NRW Car 2030 für die Städte und Kunden von morgen und den Test in der Car Clinic im Rahmen des Designstudio NRW.


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