In der Auseinandersetzung mit den Fahrzeugprojekten von Apple und Google warnt Berylls Strategy Advisors die Automobilindustrie davor, die Rolle eines Getriebenen einzunehmen. Denn bei genauem Betrachten der Aktivitäten der Kalifornier lasse sich nur festhalten, dass es außer Prototypen und Personalmeldungen noch wenig Konkretes gibt. "Die deutsche Autoindustrie sollte diesem Hype daher Sachlichkeit, Souveränität und Selbstbewusstsein entgegensetzen und die Deutungshoheit über die Mobilität der Zukunft zurückgewinnen", schreiben die Berater in einem aktuellen Thesenpapier.
Der vermeintliche Angriff aus dem Silicon Valley und die besorgten Reaktionen offenbaren für Berylls Strategy Advisors allerdings auch, dass den "OEMs immer noch kein klares Verständnis der Mobilität der Zukunft vorliegt". Dies gelte es nun zu entwickeln und zu formulieren. Und zwar aus einer Position der Stärke. Denn Automobile zu bauen, zu vertreiben und vor allem auch den Service anzubieten, sei "definitiv nicht das Kerngeschäft von Apple & Co. Angesichts der bestehenden Anbieterstrukturen, Investitionsbedarfe, weltweiten Überkapazitäten und Margenaussichten wird es das auch nicht werden".
In der Branche wird die Einschätzung der Berater unterschiedlich gesehen. "Die erfolgreichen Fahrten der Google Cars beweisen, dass die technischen Voraussetzungen für ein autonomes Fahrzeug inzwischen gegeben sind. Faktoren wie Prozessorleistung, Algorithmen, Digitalisierung von Kartendaten, Ortungssysteme und andere Kerntechnologien sind nun so weit, dass der Traum von einem vollautomatischen Fahrzeug in Erfüllung gehen kann. Die Krux steckt aber im Detail", wissen zum Beispiel Volker Johanning und Roman Mildner im Kapitel Autonomes Fahren aus dem Fachbuch Car IT kompakt.
Noch nicht festlegen möchten sich Jan Wehninger und S . Cords von Mieschke Hofmann und Partner: "Die Frage, ob das automatische Fahren zu neuen Konkurrenzsituationen in der Automobilindustrie führen wird, ist leider nicht eindeutig zu beantworten", schreiben sie in ihrem Kapitel Transformation von Geschäftsmodellen in der Automobilindustrie am Beispiel von automatischem Fahren aus dem Fachbuch Entscheidungen beim Übergang in die Elektromobilität.
Deutlicher wird Dr. Chirine Etezadzadeh vom Ludwigsburger Smart City Institute. In seinem Beitrag Smart Mobility und die Frage, wie wir morgen fahren aus der ATZ 1-2016 schreibt Andreas Burkert: "Trotz der Bemühungen etablierter OEMs, sieht Etezadzadeh auch für neue und branchenfremde Akteure die Chance, auf dem Markt individueller Mobilität mitzumischen". "Ihr Vorteil ist, dass sie bei der Entwicklung keine technologischen Pfadabhängigkeiten berücksichtigen müssen", zitiert Burkert den Experten. Auch wenn ihnen die Erfahrung aus dem Automobilbau fehle, "diese lässt sich kaufen. Doch wünsche ich mir, dass unsere deutschen OEMs ihre Chance ergreifen und dieses Segment intensiv bearbeiten".