Autor: Uwe Dieter Grebe, Executive Vice President AVL List
Der Wandel der Mobilität vollzieht sich nicht wie geplant. Wie können die Bedürfnisse der Nutzer erfüllt werden, fragt Uwe Dieter Grebe von AVL List in der Reihe "Macher der Mobilität. Visionen und Ideen zur Mobilität von morgen".
Macher der Mobilität, Uwe Dieter Grebe (AVL List)
Springer Fachmedien Wiesbaden
Das Benutzen eines Automobils war noch nie so bequem wie heute. Gleichzeitig war es aber wohl noch nie zuvor so komplex, nie zuvor gab es so viele Regularien und Einschränkungen, die das Fahrzeug und seinen Betrieb betreffen. Neben den immer ausgefeilteren Vorgaben für Sicherheit und Umweltverträglichkeit der Fahrzeuge hat sich der Fahrzeugnutzer mit einer Vielzahl von Fragen zu beschäftigen, die sich aus der Nutzung des öffentlichen Raumes ergeben.
So war die vergangene Dekade in der Automobilindustrie geprägt durch das Infragestellen des Geschäftsmodells, und der Tätigkeitsschwerpunkt wurde zumindest ein Stück weit verschoben; von Hardware zu Software, von Produkt zu Dienstleistung.
Welche Mobilität wollen wir?
Der Wandel des Fahrzeugherstellers zum Mobilitätsanbieter hat sich allerdings nicht in dem Maße vollzogen, wie dies teilweise prognostiziert wurde. Auch auf Nutzerseite wurde der Wandel des Mobilitätssystems nicht in der erwarteten Art angenommen. Im Gegenteil, die Zahl der Fahrzeuge im Individualverkehr ist in den letzten 20 Jahren in Europa um 25 Prozent gewachsen, die der Linienbusse dagegen nicht einmal um 5 Prozent.
Zuletzt hat die Verbreitung des Covid-19 Virus zu einer sehr deutlichen Verschiebung der Nutzerpräferenzen zugunsten des Individualverkehrs (Auto und Fahrrad) geführt, während öffentliche und private Sammelverkehre erhebliche Einbrüche zu verzeichnen hatten.
Den Nutzer im Fokus
Die Herausforderung für Mobilitätsdienstleister, ob öffentlich oder privat, ist ein Angebot, das in wesentlichen Belangen die Bedürfnisse der Nutzer erfüllt. Es ist enorm wichtig, dies in den Mittelpunkt der Anstrengungen zu stellen und sich ehrlich um eine Verbesserung des Angebots zu bemühen, statt die Vorteilhaftigkeit der politisch gewollten Mobilitätslösung mit Verboten und Einschränkungen aller anderen Lösungen zu erzwingen.
Außer dem Bereitstellen von Fahrzeugen sind technische Innovationen aus der Automobilindustrie bisher nur in geringem Umfang genutzt worden. Diese Werkzeuge und Methoden können aber einen guten Beitrag leisten, wenn sie weiterentwickelt werden, um in Kooperation von Fahrzeugentwicklern, Mobilitätsdienstleistern und Flottenbetreibern den Einsatz der Fahrzeuge zu optimieren und die Spezifikation für zukünftige Fahrzeuge und Infrastruktur zu verbessern. Die Betrachtung von konkreten Mobilitätsketten sollte aus detaillierter technischer Perspektive erfolgen, dazu gehört ein technologie-offener Vergleich möglicher Antriebsarten bezüglich Energieverbrauch und CO2-Emissionen in der gesamten Kette. Produktion und Entsorgung aller Komponenten sollte für heutige und in naher Zukunft zur Verfügung stehende Technologien in einer Lebenszyklus-Analyse berücksichtigt werden.
Bei der Veränderung, die wir gerade sehen, muss aber eines klar sein: Mobilität wird sich nicht rückwärts entwickeln. Effizienz bezüglich der eingesetzten Ressourcen Energie und Platzbedarf wird stärker gefragt sein als je zuvor. Die aktuelle Situation können wir deshalb als Chance begreifen – Ingenieurswissen und Innovationskraft ist begehrtes Kapital.
Dieser Essay ist Teil der Reihe "Macher der Mobilität. Visionen und Ideen zur Mobilität von morgen", die 2021 als ATZextra-Buch erscheinen wird. Herausragende Köpfe der Branche beantworten darin die Frage: "Wie gestalten Sie die Zukunft?" Die Beiträge werden visionäre Ausblicke, nachhaltige Konzepte und innovative Entwicklungen führender Expertinnen und Experten zur Mobilität von morgen behandeln. Die Bandbreite reicht von der gesamten Fahrzeug- und Antriebsentwicklung bis hin zu neuen Geschäftsmodellen und Mobilitätskonzepten.
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