2015 | OriginalPaper | Buchkapitel
Möglichkeiten und Grenzen einer Kybernetisierung der Politik
verfasst von : Prof. Dr. rer. pol. Frank Nullmeier
Erschienen in: Exploring Cybernetics
Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden
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Die Politikwissenschaft weist seit ihren Anfängen eine besondere Nähe zu Konzepten der Steuerung auf. Einen besonderen Weg gehen heute Ansätze aus der normativen politischen Theorie und Philosophie, die über die Möglichkeit sich selbst stabilisierender und steuernder und zugleich demokratischer und gerechter Gesellschaften nachdenken. Im Zentrum dieser von Jürgen Habermas, John Rawls und anderen entwickelten Vorstellung steht der Verfahrensbegriff. Politische Verfahren sollen verbürgen, dass in allen wichtigen gesellschaftlichen Fragen Ergebnisse erzielt werden, die von allen Beteiligten als gerecht anerkannt werden können. Dieses Verständnis kulminiert im Begriff der „reinen Verfahrensgerechtigkeit“ und in Theorien, die „prozeduralistisch“ genannt werden. Allein Verfahren sollen die kybernetische Selbststeuerung der Gesellschaft tragen.Der Beitrag prüft diese Idee prozeduralistischer Selbststeuerung. In einem ersten Teil wird der überraschenderweise meist nicht explizierte Verfahrensbegriff einer näheren Klärung zugeführt und genauer definiert. In einem zweiten Teil werden die Bedingungen der Möglichkeit einer Realisierung prozeduralistischer Steuerungsmodelle untersucht. Eine kybernetische Steuerung der Politik lässt sich theoretisch konzipieren, wenn (1) eine übergeordnete Norm existiert, die allgemeine Anerkennung erzielen kann (wie etwa Fairness), wenn (2) ein dieser Norm entsprechendes Verfahren identifiziert und detailliert beschrieben werden kann, das (3) prinzipiell ausführbar ist und (4) in seiner Realisierung nicht einen Zuschuss an Tugenden seitens der konkreten Verfahrensbeteiligten und/oder eingelebte kulturelle Praktiken einer Gesellschaft zwingend benötigt, so dass nicht die Verfahrensregeln für das Verfahrensergebnis ausschlaggebend sind, sondern die kontingenten Umstände der Verfahrensumsetzung. Die nähere Prüfung der Bedingungen (2) und (4) zeigt, dass erhebliche Zweifel an der Idee des Prozeduralismus angemeldet werden müssen.