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19.02.2016 | Motoren | Nachricht | Online-Artikel

Das ist der neue Vierzylinder-Dieselmotor von Mercedes-Benz

verfasst von: Christiane Brünglinghaus

8 Min. Lesedauer

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Der Dieselmotor bleibt bei Daimler wichtiger Baustein der Antriebsstrategie. Der erste Vollaluminium-Diesel-Vierzylindermotor des Autobauers feiert in der neuen E-Klasse seine Weltpremiere.

Ohne Diesel geht es nicht: Der neue Vierzylinder-Dieselmotor OM 654 markiert den Start einer neuen Motorenfamilie bei Mercedes-Benz. Festgelegt wurden die Entwicklungsziele bereits vor über vier Jahren. Das Ergebnis ist ein modulares Konzept mit einem besonderen Augenmerk auf der Integration des Antriebs in unterschiedliche Modelle sowie eine Reihe von Innovationen beim Grundmotor.

"Aus unserer Sicht sind Dieselmotoren in Lkw und Pkw unverzichtbar, wenn der verkehrsbedingte CO2-Ausstoß weiter sinken soll", sagt Professor Dr. Thomas Weber, Daimler-Vorstand für Konzernforschung und Leiter Mercedes-Benz Cars Entwicklung. Unter dem Strich stehen bei dem neuen Motor rund 13 Prozent weniger Verbrauch und CO2-Ausstoß bei gleichzeitig nochmals erhöhter Leistung - 143 kW statt 125 kW.

Zielsetzung bei der neuen Motorengeneration war es, die Zahl der Varianten soweit wie möglich zu reduzieren. Die kompakten Abmessungen des Motors sollen noch mehr Flexibilität in der Anpassung an unterschiedliche Fahrzeugtypen ermöglichen. Baureihenübergreifend wurden die Schnittstellen zwischen Antriebseinheit und Fahrzeug vereinheitlicht. Insbesondere alle Elemente der Abgasnachbehandlung sind jetzt direkt am Motor selbst angeordnet, nicht mehr am Fahrzeug.

Die wichtigsten Innovationen des neuen Motors:

•Erstmals Vollaluminium-Bauweise beim Vierzylinder-Diesel
•Stahlkolben mit Stufenmulden-Brennverfahren, Nanoslide-Zylinderbeschichtung, Common-Rail-Einspritzung der vierten Generation
•Anordnung aller Abgasreinigungstechnologien direkt am Motor
•Leichter und kompakter: 168,4 vs. 203,8 Kilogramm (-17 Prozent), zwei Liter Hubraum statt 2,15 Liter, Zylinderabstand 90 mm vs. 94 mm
•Niedrigeres Geräuschniveau und verbesserter Schwingungskomfort

Der seit 2008 gebaute aktuelle Vierzylindermotor OM 651 ist der Motor mit den höchsten Stückzahlen in der Geschichte von Mercedes-Benz. Er ist erhältlich von der A- bis zur S-Klasse, in der V-Klasse und im Transporter Sprinter. Auch das macht die Neuentwicklung so signifikant, denn die Verbesserungen der Effizienz haben so einen unmittelbaren Einfluss auf den Flottenverbrauch von Mercedes‑Benz. Seine Weltpremiere wird der neue Vierzylinder OM 654 als 220 d in der neuen E-Klasse im Frühjahr 2016 feiern. Danach wird er in verschiedenen Leistungsstufen und Varianten sowohl im Längs- als auch im Quereinbau Schritt für Schritt in die Fahrzeugpalette von Mercedes-Benz einfließen.

Vollaluminium-Bauweise

Der erste Vollaluminium-Diesel-Vierzylindermotor von Mercedes-Benz wiegt in der 143-kW-Variante 168,4 Kilogramm und damit 35,4 Kilogramm (17 Prozent) weniger als das Vorgängeraggregat mit 125 kW. Vergleicht man statt des DIN-Gewichts den lauffähigen Motor mit allen Nebenaggregaten, beträgt die Gewichtseinsparung sogar 46 Kilogramm.

Wesentliche Faktoren zur Senkung des Gewichts waren die Reduzierung des Hubraums, der Übergang von der zweistufigen zur einstufigen Aufladung, das Kurbelgehäuse aus Aluminium einschließlich Nanoslide-beschichteter Zylinderlaufbahnen und die beiden Motorträger aus Kunststoff.

Kompakte Abmessungen: Wichtiges Konstruktionsziel

Die Hauptabmessungen des Grundmotors mit Bohrung, Hub und Zylinderabstand bestimmen maßgeblich die Motorbaulänge sowie die Motorbauhöhe. Der Zylinderabstand wurde gegenüber dem Vorgängermotor von 94 auf 90 mm reduziert. Bohrung (82,0 mm) und Hub (92,3 mm) ergeben das Einzel-Zylindervolumen von knapp 500 cm³ und sollen für ein optimales Pleuelstangenverhältnis bezüglich Verbrennung und Reibung sorgen. Das Alu-Kurbelgehäuse ist für die Beanspruchung auf höchste Leistung ausgelegt (spitzendruckfähig bis 205 bar).

Zur Reduzierung der Bauhöhe erfolgt der Antrieb der Nockenwellen wie beim Vorgänger auf der hinteren, getriebeseitigen Lage. Dort, im crashgeschützten Bereich, ist auch die Hochdruckpumpe der Einspritzung auf der linken Motorseite untergebracht; sie wird über die Steuerkette angetrieben.

Um den Motor möglichst tief im Fahrzeug unterbringen zu können, sind die Lanchester-Ausgleichswellen nicht unterhalb, sondern links und rechts der Kurbelwelle angeordnet. Ebenso ist die Ölpumpe wie beim Vorgängermotor neben der Kurbelwelle positioniert, was den Einbau in verschiedene Fahrzeugarchitekturen erleichtert.

Die kompakten Abmessungen des Motors ermöglichen laut den Daimler-Ingenieuren noch mehr Flexibilität in der Anpassung an unterschiedliche Fahrzeugtypen und den senkrechten Einbau des Aggregats. Zusätzlicher Bauraum auf der rechten Fahrzeugseite wurde durch die Schränkung des Triebwerks geschaffen: Die senkrechte Achse der Zylinder ist gegenüber der Kurbelwellenmitte um zwölf Millimeter nach links Richtung Einlassseite versetzt. Dies führe außerdem zu verminderter Reibung der Kolben in der Zylinderlaufbahn.

Weniger Reibung, bessere Verbrennung

Eingebaut in einem vergleichbaren Fahrzeug, soll der neue Motor rund 13 Prozent weniger Kraftstoff verbrauchen als sein Vorgänger. Verantwortlich dafür sei neben der optimierten Luftführung auf der Ansaug- und Abgasseite und dem Einsatz der Common-Rail-Einspritzung der vierten Generation mit Drücken bis zu 2050 bar die Reduzierung der internen Reibleistung um rund 25 Prozent. Erreicht wurde dies durch flache Stahlkolben mit Stufenmulden und langen Pleuel, Nanoslide-Beschichtung der Zylinderlaufbahnen, Schränkung des Triebwerks, Reduzierung des Hubraums und vielfältige Detailmaßnahmen, etwa beim Nockenwellenantrieb.

Alu-Gehäuse und Stahlkolben

Auf den ersten Blick scheint die Kombination von Alugehäuse und Stahlkolben ungewöhnlich. Denn Stahl dehnt sich bei Hitze weniger aus als Aluminium, leitet die Wärme schlechter und ist schwerer. Deshalb werden bislang Alukolben verwendet. Die Stuttgarter Motorkonstrukteure berichten jedoch, dass sie die scheinbaren Nachteile in Vorteile verwandeln konnten. Beispielsweise sorgt die geringere Ausdehnung von Stahl bei steigenden Betriebstemperaturen für wachsendes Spiel zwischen Kolben und Alugehäuse und reduziert damit die Reibung um 40 bis 50 Prozent. Die gegenüber Aluminium höhere Festigkeit von Stahl erlaube gleichzeitig sehr kompakt gebaute, leichte Kolben, die sogar zusätzliche Festigkeitsreserven bieten. Schließlich führe die geringere Wärmeleitfähigkeit von Stahl zu erhöhten Bauteiltemperaturen und verbessert so den thermodynamischen Wirkungsgrad mit höherer Zündwilligkeit und reduzierter Brenndauer.

Die flachen Stahlkolben ermöglichen eine Verlängerung des Pleuels auf 154 mm. Zusammen mit der Schränkung des Triebwerks konnten die Kolbenseitenkräfte so - abhängig vom Betriebspunkt - um bis zu 75 Prozent reduziert werden.

Durch die Kombination der Stahlkolben mit der weiter entwickelten Nanoslide-Laufbahnbeschichtung sollen sich laut Daimler Verbrauchs- und CO2-Emissionsvorteile von bis zu vier Prozent ergeben.

Das Stufenmulden-Brennverfahren

Im neuen OM 654 wird das Mercedes-Benz-Stufenmulden-Brennverfahren angewendet – benannt nach der Form der Verbrennungstasche im Kolben. Das Brennverfahren wurde komplett neu entwickelt. Die Stufenmulde wirkt sich positiv auf den Verbrennungsverlauf, die thermische Bauteilbelastung kritischer Kolbenbereiche und den Rußeintrag in das Motorenöl aus, erklären die Daimler-Ingenieure. Durch die gegenüber der bisherigen Omega-Mulde gesteigerte Brenngeschwindigkeit steige der Wirkungsgrad. Die spezielle Abstimmung von Muldenform, Luftbewegung und Einspritzdüse ist gekennzeichnet durch eine sehr gute Luftausnutzung und ermöglicht den Betrieb bei sehr hohem Luftüberschuss. So ließen sich die Partikelemissionen auf ein besonders niedriges Niveau absenken.

Für RDE ausgelegt

Der neue Dieselmotor ist auf die zukünftige Emissionsgesetzgebung (RDE – Real Driving Emissions) ausgelegt. Außerdem stand bei der Entwicklung der WLTP-Zyklus (Worldwide harmonized Light vehicles Test Procedure) im Blickpunkt, der gegenüber dem NEFZ-Messzyklus zum Ziel hat, dass die Werte für Norm- und Realverbrauch künftig nahe beieinander liegen.

Alle für die effiziente Emissionsminderung relevanten Komponenten sind direkt am Motor verbaut. Unterstützt durch Isolationsmaßnahmen und weiterentwickelte Katalysatorbeschichtungen könne ein motorseitiges Temperaturmanagement im Kaltstart- und Niedriglastbetrieb vollständig entfallen, wie Daimler erklärt. Neben den Vorteilen bei den Emissionen ergeben sich daraus Verbrauchseinsparungen insbesondere bei kurzen Wegstrecken. Durch die motornahe Anordnung habe die Abgasnachbehandlung einen geringen Wärmeverlust und optimale Arbeitsbedingungen.

Der neue Motor verfügt über eine Mehrwege-Abgasrückführung (AGR). Sie kombiniert die gekühlte Hochdruck- und Niederdruck-AGR. So könnten bereits die Rohemissionen des Motors im gesamten Kennfeld bei verbrauchsoptimaler Lage des Verbrennungsschwerpunkts deutlich abgesenkt werden.

Das Abgas aus dem Abgasturbolader gelangt zunächst in einen Diesel-Oxidations-Katalysator. Es passiert weiter den Fallstrommischer, in dem die AdBlue-Flüssigkeit mithilfe eines wassergekühlten Dosiermoduls beigemischt wird. Durch eine speziell entwickelte Mischstrecke gelinge es, die AdBlue-Flüssigkeit auf kürzestem Weg im Abgasstrom zu verdampfen und sehr gleichmäßig auf der Oberfläche des folgenden sDPF (Partikelfilter mit Beschichtung zur Verminderung von Stickoxiden) zu verteilen. Hinter dem sDPF ist noch ein SCR-Katalysator zur weiteren katalytischen Reduktion der Stickoxide angeordnet. Erst danach gelangt das gereinigte Abgas in die Auspuffanlage.

Varianten sind einfacher darzustellen

In den letzten 25 Jahren hat sich die Zahl der Leistungs-, Fahrzeug-, Emissions- und Ländervarianten der von Mercedes-Benz eingesetzten Dieselmotoren durch unterschiedliche gesetzliche Anforderungen und technische Voraussetzungen wie zum Beispiel der Qualität der verfügbaren Kraftstoffe drastisch erhöht - von deutlich weniger als 100 auf aktuell über 1000.

Zielsetzung bei der neuen Motorengeneration war es, die Zahl der Varianten soweit wie möglich zu reduzieren. Mit zwei Lösungswegen wird dieses Ziel beim neuen Diesel erreicht und zugleich eine flexible Fertigung ermöglicht, bei der Stückzahlschwankungen der einzelnen Derivate in Abhängigkeit der Marktanforderungen kurzfristig berücksichtigt werden können: Die Motorenfamilie ist zum einen modular aufgebaut. Durch den einfachen Tausch von Einzelmodulen können Varianten abgeleitet werden, ohne komplett neue Aggregate entwickeln zu müssen. Zum anderen wurden baureihenübergreifend die Schnittstellen zwischen Antriebseinheit und Fahrzeug vereinheitlicht. Insbesondere alle Elemente der Abgasnachbehandlung sind jetzt am Motor selbst angeordnet, nicht mehr am Fahrzeug. 

Die Daten des neuen Motors im Vergleich zum Vorgänger:

Motor
220 d OM 654220 d Vorgänger OM 651
Zylinderzahl/Anordnung
4/Reihe4/Reihe
Ventile pro Zylinder
44
Hubraum pro Zylindercm³487,5537
Hubraumcm³19502143
Zylinderabstandmm9094
Bohrungmm8283
Hubmm92,399
Hub/Bohrung
1,121,193
Pleuellängemm140144
NennleistungkW/PS143/195125/170
bei1/min38003000-4200
Max. DrehmomentNm400400
bei1/min1600-24001400-2800
Spezifische LeistungkW/l7258,3
Verdichtung1:15,516,2
Abgasnorm
EU6EU6
Motorgewicht (DIN)kg168,4203,8


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