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27.06.2019 | Motorentechnik | Schwerpunkt | Online-Artikel

So werden Kreuzfahrtschiffe umweltfreundlicher

verfasst von: Christiane Köllner

7:30 Min. Lesedauer

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Die Ökobilanz von Kreuzfahrtschiffen ist schlecht. Auf hoher See verfeuern sie Unmengen Schweröl und während der Liegezeiten im Hafen verschmutzen Dieselabgase die Luft. Wie könnten die Schiffe sauberer werden? 

Seit Ende 2018 ist das Kreuzfahrtschiff "Aida Nova", das hauptsächlich von Flüssigerdgas angetrieben wird, auf den Weltmeeren im Einsatz. Mit dem Schiff werden große Hoffnungen für die Umweltbilanz der Luxusliner verbunden. Doch auch bei Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas; LNG) handelt es sich um einen fossilen Brennstoff. Bei dessen Verbrennung werden jedoch wesentlich weniger Schadstoffe freigesetzt.

Nachhaltig sind Kreuzfahrten längst  nicht. Wie sehr die Abgase aus den Schornsteinen der Schiffe die Luft verschmutzen, macht Uwe Jacobshagen im Kapitel Nationale Rechtsetzungen aus dem Buch Umweltschutz und Gefahrguttransport für Binnen- und Seeschifffahrt deutlich. Dort schreibt der Springer-Autor: "Schiffsemissionen enthalten verschiedene Arten von Schadstoffen: unter anderem Schwefeloxide (SOx), Stickoxide (NOx), Kohlenstoffdioxid (CO2), Rußpartikel, Feinstaub. Außerdem enthalten Schiffsabgase auch Schwermetalle, Asche und Sedimente". 

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Umweltschutz in der Kreuzfahrtindustrie

Hochseekreuzfahrten gehören zu den stärksten Wachstumsfeldern der Tourismusbranche. Dabei galt diese Form des Urlaubs lange Zeit als unattraktiv und nur für Senioren interessant. Das hat sich gewandelt. Inzwischen verreisen international mehr als 20 Mio. Menschen mit dem Schiff. 

Die Ursache für die Emissionen liegt vor allem in der Verwendung des Kraftstoffs. Die meisten Schiffe werden mit Schweröl und Schiffsdiesel betrieben, wobei das Schweröl als Abfallprodukt der Erdölverarbeitung besonders umweltbelastend ist, wie Springer-Autor Wolf-Rüdiger Bretzke im Kapitel Strategien und Konzepte zur Förderung der Nachhaltigkeit aus dem Buch Nachhaltige Logistik schreibt. Als umweltverträglicher gilt Schiffsdiesel. Doch auch hier entstehen bei der Verbrennung weiterhin Schwefel- und Stickoxide. 

Kreuzfahrtschiffe belasten auch Passagiere und Städte

Was die Umweltbelastung verschärft: Kreuzfahrten werden immer beliebter. Allein im Jahr 2017 gingen weltweit 25,8 Millionen Menschen auf Kreuzreise, wie Springer-Autor Ralf Witthohn erklärt. Das schlägt sich auch im steigenden Umsatz der Kreuzfahrtindustrie nieder. Im Jahr 2015 sei deren Umsatz bereits auf knapp 40 Milliarden US‐Dollar angestiegen, wie Witthohn im Kapitel Kreuzfahrten aus dem Buch Transport, Arbeit und Erholung auf dem Meer schreibt. Tendenz steigend. Und mit jedem weiteren Schiff nimmt natürlich auch die Schadstoffbelastung zu.

Vor allem auch für die Passagiere und die Crew an Bord, die einer hohen Konzentration von Luftschadstoffen ausgesetzt sind, wie Reporter des ZDF-Verbrauchermagazins "Wiso" im Jahr 2017 herausgefunden haben. Während einer Fahrt an Bord der "Aida Sol" von den Kanaren nach Madeira ergaben Stichproben mit einem mobilen Messgerät für ultrafeine Partikel bis zu 475.000 Partikel je Kubikzentimeter Umgebungsluft. Eigentlich wären bei sauberer Seeluft Werte von gerade einmal 1.000 Partikeln je Kubikzentimeter erwartbar, wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) erklärt.

Wie sehr die Schifffahrt aber nicht nur die Meeresluft, sondern auch die Städte verschmutzt, zeigt eine aktuelle Studie des europäischen Dachverbands und der Nabu-Partnerorganisation Transport & Environment (T&E). Demnach sind beliebte Reiseziele wie Barcelona, Palma de Mallorca und Venedig die am stärksten von Kreuzfahrtemissionen belasteten Städte Europas. Die meisten Luftschadstoffemissionen gehen dabei offenbar auf die Flotte des italienischen Branchenriesen Costa Crociere zurück, dicht gefolgt von MSC Cruises (Schweiz). Für den Report wurden die Emissionen von Kreuzfahrtschiffen in europäischen Hafenstädten im Jahr 2017 ermittelt und ausgewertet.

Keine mobilen Stromgeneratoren im Hamburger Hafen 

Mit Hamburg rangiert der erste deutsche Hafen im europäischen Vergleich an elfter Stelle, das kleine Warnemünde landete auf Platz 14 von insgesamt 50 ausgewerteten Hafenstädten. Auch die Dimensionen der Luftverschmutzung wurden in der Studie noch einmal deutlich: Demnach verursachten die 2017 Hamburg anlaufenden Kreuzfahrtschiffe mehr als anderthalb mal so viele Schwefeloxidemissionen wie die knapp 770.000 in der Hansestadt gemeldeten Pkw. Schwefeloxide schaden der menschlichen Gesundheit und führen zur Versauerung von Böden und Gewässern. Die Stickoxidemissionen der Ozeanriesen entsprachen laut Studie rund zwölf Prozent der Pkw-bedingten Abgasbelastung. 

Insbesondere erzeugen die dieselgetriebenen Schiffsgeneratoren, die die Stromversorgung an Bord bei abgeschalteter Hauptmaschine im Hafen gewährleisten, erhebliche Schadstoffmengen, wie Springer-Autor Oliver Lieber im Kapitel Untersuchung des Konfliktes zwischen Stadtentwicklern und Hafenwirtschaft in Hamburg aus dem Buch Hafen versus Stadt weiß. Eine Alternative wäre eine Landstromversorgung während der Liegezeit im Hafen. Eine solche Versorgung neben der bereits bestehenden Landstrom-Anlage für Kreuzfahrtschiffe am Terminal Hamburg-Altona hatte auch die Stadt Hamburg geplant. Sie wollte eigentlich umweltfreundliche, mobile Stromgeneratoren, sogenannte Powerpacs, erwerben. Diese werden mit LNG betrieben, um die Schiffe mit Strom zu versorgen. Nun wurde kürzlich bekannt, dass das Vorhaben auf Eis liegt, weil den Schiffen die nötigen Anschlüsse für Strom von außen fehlen. Die Reedereien investieren offenbar nicht in die Umrüstung. Das Problem mit Schiffsabgasen bleibt daher erst einmal bestehen. Dass Gegensteuern gut möglich ist, zeigt Norwegen: Dort wurde unlängst ein Einfahrverbot in Fjorde für Schiffe mit laufendem Verbrennungsmotor beschlossen, das allerdings erst ab 2026 greift. 

Kreuzfahrt mit Schwefel

Die T&E-Studie kann die Verschmutzung auch konkreten Anbietern zuordnen. Die Untersuchung zeige, dass der weltgrößte Kreuzfahrtkonzern Carnival Corporation im Jahr 2017 fast zehnmal mehr Schwefeloxide entlang Europas Küsten ausgestoßen habe wie alle 260 Millionen Pkw in Europa zusammen. Zum Carnival-Konzern gehören Tochterfirmen wie Aida Cruises, Costa Cruises oder die Cunard Line. Der zweitgrößte Kreuzfahrt-Konzern Royal Carribean Cruises, zu dem die deutsche TUI Cruises gehört, rangiere an zweiter Stelle mit viermal höheren Schwefeloxidemissionen, so die Studie. 

Kritik an der Analyse kommt vom Weltverband der Kreuzfahrtindustrie, der Cruise Lines International Association (Clia), weil die Studien-Ergebnisse "ohne akademische Prüfung oder Peer Review veröffentlicht wurden". Das Ranking basiere ausschließlich auf Annahmen und nicht auf Messungen, heißt es in einer Stellungnahme.

Umweltauflagen machen Druck

Gleichwohl muss die Branche mit Hochdruck an emissionsfreien Antrieben arbeiten, wenn sie eine Zukunft haben will. Durch den Einbau von Scrubbern ("Wäschern") lassen sich zum Beispiel die Schwefelemissionen aus den Abgasen reinigen. Sönke Diesener, Nabu-Schiffsverkehrsexperte, fordert aber mehr: "Statt wie jetzt das giftige Schweröl zu verwenden, muss die Flotte auf höherwertige Kraftstoffe in Kombination mit Partikelfiltern und Stickoxidkatalysatoren umgestellt werden“. 

Hierbei drängen auch die weltweit immer strenger werdenden Umweltauflagen zur Eile: In Nord- und Ostsee darf der Treibstoff für Schiffe schon seit Längerem nicht mehr als 0,1 Prozent Schwefel enthalten. Ab 2021 müssen in Nord- und Ostsee auch deutlich strengere Regeln zum Ausstoß von Stickoxiden beachtet werden. Ab 2020 gelten dann auf allen Meeren Grenzwerte für Schwefel in Schiffstreibstoffen von 0,5 Prozent, und in Emissionskontrollgebieten und Häfen der Europäischen Union von 0,1 Prozent, erklärt Springer-Autor Harald Zeiss im Kapitel Umweltschutz in der Kreuzfahrtindustrie aus dem Buch CSR und Tourismus. De facto handele es sich laut Zeiss um ein Schwerölverbot.

So wollen die Reedereien Emissionen verringern

Einige Kreuzfahrt-Anbieter machen daher bereits Druck. Die norwegische Reederei Hurtigruten plant bis 2021 mindestens sechs Schiffe mit Biogas und Batterieantrieb zu betreiben, kombiniert mit LNG. Das Biogas sollen aus Fischereiabfällen und anderen organischen Resten gewonnen werden. Bereits 2019 soll die Hurtigruten-Flotte ein neues Flaggschiff erhalten: die MS Roald Amundsen. Das Expeditionsschiff mit Hybridantrieb setzt auf eine Kombination von Verbrennungs- und Elektromotor.

Und auch Brennstoffzellen könnten in der Branche künftig eine wichtige Rolle spielen. Beispielsweise geht es beim Projekt RiverCell 2 seit April 2017 um die Entwicklung und Erprobung eines Hybridkonzepts zur Gesamtenergieversorgung eines Flusskreuzfahrtschiffs mit Brennstoffzellen sowie mit alternativen Kraftstoffen. Das Projekt läuft noch bis September 2019. Im Rahmen von e4Ships werden Brennstoffzellensysteme entwickelt, die eine Energieversorgung an Bord von Schiffen unter Seebedingungen ermöglicht. Mit Royal Caribbean Cruises will nun auch einer der Branchenriesen auf die Brennstoffzelle umsteigen und lässt zwei Schiffe mit Brennstoffzellenantrieb bei der finnischen Tochter der Meyer Werft, Turku Oy, bauen. Auch Aida befasst sich mit der möglichen Nutzung von Brennstoffzellen oder Batterien. Wer jetzt schon mit einem Brennstoffzellenschiff fahren möchte, muss sich auf den Baldeneysee bei Essen begeben: Dort ist seit August vergangenen Jahres die MS Innogy mit einer Methanol-Brennstoffzelle im Einsatz, die Rahmen des Projekts Pa-X-ell entwickelt wurde. 

LNG kein Heilsbringer, aber derzeit am saubersten

Noch aber ist die flächendecke Verbreitung der Brennstoffzelle eine Zukunftsvision – wie auch die emissionsfreie Kreuzfahrt. LNG allein erreicht dieses Ziel nicht, doch es ist immerhin der derzeit sauberste Brennstoff. Auch wenn hier die Quelle des Erdgases bedacht werden muss: Frackinggas zum Beispiel würde die Nachhaltigkeit im Vergleich zu konventionellen Kraftstoffen deutlich mindern. Genauso der Methanschlupf, also Methanentweichungen, die bei laufenden Gasmotoren beziehungsweise entlang der LNG-Prozesskette auftreten können. Methan hat ein Global Warming Potenzial über dem 21‐fachen von CO2. Zudem ist die Infrastruktur für LNG noch mangelhaft.

Auch wenn LNG kein Heilsbringer ist, ist der Kraftstoff immerhin ein wichtiger Schritt weg vom umweltschädlichen Schweröl. Die anfangs erwähnte "Aida Nova" hat ebenfalls den Kurs in Richtung LNG eingeschlagen. Und auch für die nächsten Jahre wird die Schifffahrt wohl erst einmal von LNG bestimmt werden. Mehr als ein Drittel aller Neubauten, insgesamt 25 Schiffe, werden LNG als Hauptantriebskraftstoff verwenden, vermeldet die Clia. Beispielsweise soll im Oktober 2019 die Costa Smeralda in Betrieb gehen; sie wird dann das erste Costa-Schiff sein, das mit LNG betrieben wird. Ein zweites Schiff, das Schwesterschiff der Costa Smeralda, soll 2021 ausgeliefert werden.

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