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12.04.2018 | Multichannel-Vertrieb | Schwerpunkt | Online-Artikel

Multichannel-Handel strategisch aufbauen

verfasst von: Johanna Leitherer

4 Min. Lesedauer

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Das schwedische Modehaus H&M wird derzeit unfreiwillig zum Lehrstück. Seine historisch niedrigen Umsatzzahlen zeigen unter anderem, dass selbst große Konzerne ohne eine wasserfeste Digitalstrategie nicht mehr auskommen. Doch wie sieht diese aus?

Für europäische Kunden, die trendbewusste Mode zu erschwinglichen Preisen suchen, war H&M einst die zentrale Anlaufstelle. Das Geschäftsmodell funktionierte, doch der enorme Erfolg war auch dem Umstand geschuldet, dass sich die Konkurrenz in überschaubarem Rahmen hielt. Mit dem digitalen Wandel hat sich das Blatt gewendet. Denn inzwischen locken auch zahllose Online-Shops die Verbraucher mit günstigen Preisen und einer enormen Produktvielfalt. Der Markt für Modetextilien ist damit härter umkämpft denn je, was vor allem den stationären Einzelhändlern zu schaffen macht. Das Textilhandelsunternehmen H&M, das neben Ikea lange Zeit als der erfolgreichste Schwedenexport galt, bildet da keine Ausnahme, wie aktuelle Geschäftszahlen offenlegen. 

Empfehlung der Redaktion

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Disruptive Transformation – eine Lösung für das Dilemma „digitale Disruption oder Transformation“ im Handel

Wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen viele Hersteller und Traditionshändler vor der Frage, was digital zu tun ist. Nach dem Prinzip Hoffnung werden dabei Online Pure Plays (reine Internethändler) nicht selten für tot erklärt oder als Non-Profit-Veranstaltung abgetan. Es fehlt zuweilen am Bewusstsein für die Notwendigkeit der digitalen Transformation, vor allem aber fehlt es an Risikobereitschaft.


Nach Angaben von H&M sind die Umsätze im ersten Quartal 2018 leicht, die Gewinne sogar um rund sechzig Prozent gesunken. Dementsprechend befindet sich auch die Aktie der Modekette auf dem absteigenden Ast. Für den schwierigen Jahresstart macht CEO Karl-Johan Persson unter anderem den kalten Winter verantwortlich, der dazu geführt habe, dass die Frühlingskollektionen zu Ladenhütern mutierten. Es folgten satte Rabattierungen, die den bereits seit Monaten laufenden Abwärtstrend des schwedischen Konzerns jedoch nicht aufhalten konnten. 

Starke Marken sind kein Heilsbringer

Wie konnte es soweit kommen? Nach wie vor ist H&M eine starke Marke, die auf etlichen Shoppingmeilen rund um den Globus präsent ist. Damit verfügt sie eigentlich über die wohl beste Ausgangslage, um sich gegen seine Wettbewerber zu behaupten. Branchenkenner glauben, dass sich CEO Persson, seitdem er 2009 in die Fußstapfen seines Vaters getreten war, auf dem Markenwert von H&M ausgeruht hatte. Umwälzungen im Kaufverhalten zum Trotz blieb H&M seinem stationären Geschäftsmodell in all den Jahren daher weitestgehend treu und beschäftigte sich nur am Rande mit E-Commerce. Sowohl der Online-Store als auch die Shopping-App beschränkten sich beispielsweise lange Zeit auf elementare Grundanforderungen.

Diese Digitalisierungsscheu scheint sich nun zu rächen. "Wenn das Geschäftsmodell nicht überzeugt, kann auch eine starke Marke alleine das Überleben nicht sichern", erklärt Springer-Autor Ralf T. Kreutzer im Buchkapitel "Notwendigkeit und Hintergrund einer digitalen Markenführung". "Im sich hier abzeichnenden Überlebenskampf, den wir mit dem Begriff digitaler Darwinismus überschrieben haben, gilt nach wie vor nur eines: adapt or die! Unternehmen, die nicht in der Lage oder nicht willens sind, die mit der zunehmenden Digitalisierung einhergehenden Herausforderungen aufzugreifen und auch im Branding in überzeugende Lösungen zu transferieren, werden den darwinistischen Auswahlprozess nicht überleben" (Seite 4). 

Von der Konkurrenz lernen

Neben H&M haben auch andere stationäre Einzelhändler wie beispielsweise Galeria Kaufhof Mühe, mit dem digitalen Wandel Schritt zu halten. Die Konkurrenz zieht unterdessen an ihnen vorbei. Zara etwa, die erfolgreichste Marke des spanischen Inditex-Konzerns, gelingt der Handel über mehrere Kanäle (Omnichannel-/Multichannel-Handel) bereits vorbildlich. Kunden können Ware des spanischen Labels kanalübergreifend im Online-Shop, mobil über die App oder stationär im Laden einkaufen. Auch das Service- und Beratungsangebot erstreckt sich über alle Vertriebskanäle. "Zara ist eindeutig der Best-in-Class Online-Store in Hinblick auf Serviceinhalte, Funktionalitäten sowie Multi-Channel-Leistungen", meint Springer-Autor Gerrit Heinemann im Buchkapitel "Best Practices für Web-Exzellenz im Online-Handel (Seite 311). 

Daneben gibt es weitere Handelsunternehmen, die ihr Geschäftsmodell rechtzeitig transformiert haben, ohne dabei ihre Kernkompetenzen aus den Augen zu verlieren. Die einst rein stationär aufgestellte Parfümeriekette Douglas zum Beispiel zählt mittlerweile zu den 25 größten Online-Shops. Ein "Best Practice" ist zudem das Versandhandelsunternehmen Otto, das sich über seinen Kataloghandel hinausentwickelt hat, einen angesehenen Modeblog betreibt und weitere erfolgreiche Tochtermarken in verschiedenen Preissegmenten, wie etwa Bonprix, unter seinem Dach vereint.

Schritt für Schritt in die digitale Transformation

H&M-Chef Persson will nun offenbar die Notbremse ziehen und plant unter anderem, die Digitalisierung seines Unternehmens weiter voranzutreiben. Auf sozialen Netzwerken wie Facebook und Instagram ist der schwedische Konzern bereits erfolgreicher als die Konkurrenz, was die Zahl der Abonnenten betrifft. Vielen Einzelhändlern ergeht es ähnlich wie H&M: Es wurden verschiedene Weichen gestellt, die der digitalen Transformation dienen, trotzdem fehlt es an einer kohärenten Digitalstrategie.  

Wie diese konkret aussehen kann, fasst Springer-Autor Friedrich von Boeselager auf Seite 81 im Fazit seines Buchs "Der Chief Digital Officer" zusammen. Die vier Bausteine, die es aufzubauen gilt, lauten demnach wie folgt:

  1. Chef-Digitalisierer: Eine Person, die sich ganzheitlich um das Thema Digitalisierung kümmert.
  2. Digital Unit: Eine Organisationseinheit, mit der die digitale Ausrichtung im Unternehmen verankert und gesteuert wird und in der Innovationen vorangetrieben werden.
  3. Digitale Infrastrtuktur: Ein Instrument, mit dessen Hilfe sich der digitale Wandel im technologischen Sinne im Unternehmen entwickeln kann. 
  4. Innovation Fonds: Ein Investmentpaket, das Start-ups initialisiert oder an Bord nimmt, die als Innovations-Katalysatoren für das Unternehmen dienen können.

Fazit: Viele Handelsunternehmen, die sich bisher unzureichend mit der digitalen Transformation ihres Geschäftsmodells beschäftigt haben, können ihr sinkendes Schiff noch verlassen – vorausgesetzt, die Digitalstrategie und damit der Multichannel-Handel werden systematisch und konsequent aufgebaut.

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