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2025 | Buch

Nachhaltig mobil

Wie das Ruhrgebiet die Verkehrswende schaffen kann

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Über dieses Buch

Das Buch enthält die Ergebnisse des Projekts InnaMoRuhr, in dessen Rahmen Konzepte nachhaltiger Mobilität erforscht und in mehreren Realexperimenten erprobt wurden. In einem ersten Schritt wurden die Daten einer Befragung sämtlicher Mitglieder der drei Ruhrgebiets-Universitäten Duisburg-Essen, Bochum und Dortmund genutzt, um bestehende Mobilitätsmuster zu identifizieren. Zudem wurden Mobilitätstypen identifiziert, deren Mobilitätsverhalten sich deutlich unterscheidet. Sie reagieren auch unterschiedlich auf Anreize, deren Ziel es ist, sie zu einer Änderung ihres Mobilitätsverhaltens zu bewegen. Die Zukunft der Mobilität stellen sich die meisten Menschen nachhaltig, flexibel und individuell vor. Dabei spielt das Fahrrad eine wichtige Rolle. Auf Basis dieser Daten und unter Rückgriff auf Konzepte der analytischen Soziologie wurde zudem ein Modell des Mobilitätsverhaltens entwickelt, das in der Lage ist, das reale Verhalten mit großer Treffsicherheit zu erklären. Im zweiten Schritt wurden Szenario-Workshops durchgeführt, um mehrere Szenarien zukünftiger Mobilität zu entwickeln, aber auch durch Kontrastierung mit fiktiven Personas auf ihre Alltagstauglichkeit zu testen. Die erfolgversprechendsten Szenarien wurden zudem in Simulationsexperimenten evaluiert und schließlich in drei Realexperimenten mit freiwilligen Probanden erprobt (Schritt 3). Dabei kam eine selbst entwickelte Mobilitäts-App zum Einsatz, die nicht nur Routing-Empfehlungen gab, sondern auch ein – anonymes – Tracking der Versuchsteilnehmer ermöglichte, ergänzt um Feedback-Funktionen, die reichlich genutzt wurden. Das Projekt InnaMoRuhr wurde vom Verkehrsministerium des Landes NRW gefördert und von einem interdisziplinären Konsortium durchgeführt, bestehend aus sechs Instituten der drei UA-Ruhr-Universitäten mit den Schwerpunkten Soziologie, Wirtschaftswissenschaften, Informatik und Energiesystemtechnik. Das Projekt hat gezeigt, dass diese Form der Zusammenarbeit einen großen Mehrwert generiert und zudem Impulse für die praktische Umsetzung von Konzepten nachhaltiger Mobilität geben kann.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Nachhaltig mobil
Beiträge der Ruhrgebiets-Universitäten zur Bewältigung der Klimakrise
Zusammenfassung
Das einleitende Kapitel beschreibt die Notwendigkeit einer Verkehrswende und stellt die Frage, warum es uns schwerfällt, unser Verhalten zu verändern und lieb gewonnenen Routinen zugunsten des Klimaschutzes infrage zu stellen. Bei der Suche nach innovativen Mobilitätslösungen spielen die Universitäten eine wichtige Rolle, weil hier neue Technologien entwickelt und erprobt werden, aber auch weil hier eine große Zahl von Menschen mit unterschiedlichen Mobilitätsbedürfnissen zusammenkommt, die individuelle Lösungen erfordern. Im Verbund von Sozial-, Daten- und Ingenieurwissenschaften sind im Projekt InnaMoRuhr Konzepte nachhaltiger Mobilität entwickelt und in Realexperimenten erprobt worden. Das einleitende Kapitel präsentiert überblickshaft die Ergebnisse, die in den einzelnen Arbeitsschritten erzielt wurden, und zieht eine Bilanz.
Johannes Weyer
Konzeption der Befragung zum Mobilitätsverhalten der UA Ruhr-Angehörigen
Zusammenfassung
Das Kapitel beschreibt das Design der Studie und insbesondere die Konzeption des Fragebogens, der einigen Besonderheiten des universitären Adressatenkreises Rechnung tragen musste. Zudem werden die verschiedenen Stufen des Pretests sowie der organisatorische Ablauf der Befragung detailliert beschrieben.
Sebastian Willen, Petra Stein
Mobilitätspraktiken und Mobilitätsbedarfe
Ergebnisse einer Befragung von Angehörigen der UA Ruhr-Universitäten
Zusammenfassung
Die Befragung, die im Projekt InnaMoRuhr im Frühsommer 2021 durchgeführt wurde, hat einen großen Datens(ch)atz produziert, dessen Auswertung es ermöglicht, ein detailliertes Bild des Mobilitätsverhaltens der Universitätsangehörigen zu zeichnen. Beim Modal Split fällt der hohe Anteil des Umweltverbunds auf; allerdings liegt der Pkw-Anteil der Gruppe Technik und Verwaltung doppelt so hoch wie bei den Wissensschaffenden und den Studierenden. Mit dem ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hat eine Verlagerung ins Homeoffice sowie eine deutliche Veränderung der Mobilitätsmuster stattgefunden. Fragt man die UA Ruhr-Angehörigen nach ihren Mobilitätswünschen für die Zukunft, so spielen flexible, nachhaltige Verkehrsmittel (E-Auto, E-Bike etc.) eine wichtige Rolle. Zudem ist die Veränderungsbereitschaft der UA Ruhr-Angehörigen erstaunlich hoch. Aus den Daten lassen sich zudem fünf unterschiedliche Akteurtypen herausdestillieren, deren Einstellungen und deren Mobilitätsverhalten sich deutlich unterscheiden. Dies zeigt, wie wichtig es ist zu differenzieren und – auf Grundlage handlungstheoretischer Annahmen – typische Muster des Mobilitätsverhaltens zu identifizieren. Nur so ist es möglich, neue Mobilitätsangebote passgenau auf die Bedürfnisse einzelner Gruppen zuzuschneiden und ihr Mobilitätsverhalten durch gezielte Anreize in Richtung Nachhaltigkeit zu beeinflussen.
Johannes Weyer
Mobilität zwischen den Standorten der Universitätsallianz Ruhr
Zusammenfassung
Gut vierzig Prozent der UA Ruhr-Angehörigen, die das Projekt InnaMoRuhr im Frühsommer 2021 befragt hat, haben angegeben, mindestens einmal im Jahr 2019, also vor dem Beginn der Corona-Pandemie, an einem anderen Standort der UA Ruhr gewesen zu sein. Rechnet man diese Zahl auf die Gesamtzahl der Angehörigen der drei UA Ruhr-Universitäten hoch, so kommt man auf eine Zahl von ca. 31.190 Besuchen anderer UA Ruhr-Standorte pro Jahr. Manche Menschen sind täglich unterwegs, manche nur mehrmals im Jahr. Berücksichtigt man diese Faktoren, so kommt man in der Gesamtbilanz auf ca. 95.000 Fahrten pro Jahr oder ca. 475 Fahrten pro Werktag, die UA Ruhr-Angehörige zwischen den Standorten unternehmen. Ein größerer Teil dieser Fahrten findet bereits im Umweltverbund statt. Berücksichtigt man die unterschiedlichen Mobilitätsmuster der drei Gruppen der Mitarbeitenden in Forschung und Lehre, Technik und Verwaltung sowie der Studierenden, so gelangt man zu einem Substitutionspotenzial von ca. 22.000 Fahrten pro Jahr bzw. ca. 110 Fahrten pro Tag, die bislang mit privaten motorisierten Verkehrsmitteln zurückgelegt werden. Will man den CO2-Fußabdruck der UA Ruhr-Universitäten nachhaltig verringern, so liegt es nahe, die Fahrten zu anderen Universitäten als Teil von Wegeketten zu betrachten, die auch die Fahrten zur eigenen Universität sowie weitere Formen der Alltagsmobilität umfassen.
Johannes Weyer
Homeoffice während der Corona-Pandemie
Deskriptive Ergebnisse einer Befragung von Beschäftigten der UA Ruhr
Zusammenfassung
Mit Beginn der Corona-Pandemie wurden die Angestellten der UA Ruhr quasi über Nacht ins Homeoffice versetzt. Diese Verschiebung des Arbeitsortes blieb über die verschiedenen Phasen der Pandemie für einen Teil der Beschäftigten weiterhin bestehen. Um die Auswirkungen der neuen Arbeitsrealität im Homeoffice für die Beschäftigten und deren Arbeitsalltag zu untersuchen, wurde die im Frühsommer 2021 im Projekt InnaMoRuhr durchgeführte Befragung zu Mobilitätspraktiken und -bedarfen (siehe Kap. 3 dieses Buchs) um eine Zusatzbefragung zum Themenfeld Homeoffice ergänzt. Die zentralen Befunde dieser Erhebung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
  • Viele Beschäftigte haben vor Beginn der Corona-Pandemie keine Erfahrungen mit der Arbeit im Homeoffice gemacht, wobei dieser Anteil unter den Beschäftigten in „Technik und Verwaltung“ mit knapp 80 % doppelt so hoch ausfällt wie bei den wissenschaftlichen Beschäftigten (knapp 40 %).
  • Während der Pandemie wurde auch jenseits der Lockdowns von mehr als der Hälfte der Beschäftigten der Großteil der Arbeitszeit im Homeoffice verbracht.
  • Etwa drei Viertel der Beschäftigten fühlte sich bei der Arbeit von zu Hause nicht oder wenig eingeschränkt und fast zwei Drittel sind mit ihren Arbeitsbedingungen im Homeoffice zufrieden.
  • Während kommunikations- und kooperationsbezogene Aspekte wie der informelle Austausch oder die Kooperation während der Arbeit im Homeoffice erschwert sind, werden insbesondere die zugenommene Flexibilität für die Alltagsorganisation sowie das ungestörte Erledigen von Aufgaben mehrheitlich positiv wahrgenommen.
  • Trotz positiver Bewertungen zeigt sich aber auch, dass sich etwa die Hälfte der Beschäftigten weniger verbunden mit Kolleginnen und Kollegen fühlt, als dies vor der Pandemie der Fall war.
Insgesamt verweisen die Daten auf eine hohe Zufriedenheit der Beschäftigten mit der Arbeitsform Homeoffice. Der Anteil derjenigen, die in Zukunft vollständig an ihren Regelarbeitsplatz zurückkehren wollen, ist sehr gering, während sich die Mehrheit der Beschäftigten ein anteiliges Arbeiten im Homeoffice an ein bis drei Tagen pro Woche wünscht.
Timo Leontaris, Frank Kleemann
Studium während der Corona-Pandemie
Deskriptive Ergebnisse einer Befragung von Studierenden der UA Ruhr
Zusammenfassung
Mit Beginn der Corona-Pandemie ergaben sich nicht nur für die Beschäftigten gravierende Änderungen, auch die Studierenden sahen sich mit einer für sie neuen Situation konfrontiert: Das Studium wurde weitgehend von Präsenz- auf Online-Lehre umgestellt, um persönliche Kontakte so weit wie möglich zu reduzieren und Studierende wie Lehrende dadurch vor einer Infektion im Rahmen universitärer Veranstaltungen zu schützen. Um Einblicke in die Auswirkungen dieser veränderten Situation auf Studierende und Studium zu erhalten, wurde die im Frühsommer 2021 im Projekt InnaMoRuhr durchgeführte Erhebung zu Mobilitätspraktiken und -bedarfen (siehe Kap. 2 dieses Buchs) um eine Zusatzbefragung zum Thema „Studium während Corona“ ergänzt. Die zentralen Befunde dieser Erhebung lassen sich wie folgt zusammenfassen: Seit Beginn der Corona-Pandemie erbringt ein Großteil der Studierenden die gesamte Studienleistung vom Wohnort aus, da universitäre Einrichtungen temporär geschlossen und nur unter strengen Hygieneschutzbestimmungen wiedereröffnet wurden. Die Arbeitsstunden, die insgesamt für das Studium aufgebracht werden, haben insgesamt zugenommen. Insbesondere der Anteil derjenigen, die angeben, mehr als 40 Wochenstunden für ihr Studium aufzubringen, ist in der Pandemie deutlich gestiegen (von 4,3 auf 22,3 %). Der Zugang zur Online-Lehre scheint weitgehend keine Probleme zu bereiten: Insgesamt bewertet nur jede(r) Zehnte den Zugang zu Videokonferenzen als defizitär. Auch Leistungseinschränkungen durch die verfügbare Hardware scheinen eher selten zu sein. Dennoch ist etwa die Hälfte der Studierenden mit den Studienbedingungen während der Pandemie unzufriedener als vor der Pandemie. Nach den Perspektiven auf die digitale Lehre gefragt, werden von einer großen Mehrheit insbesondere Aspekte, die das Studieren flexibler machen, wie bspw. wegfallende Fahrzeiten oder digitale Lehrmaterialien positiv hervorgehoben. Als negativ werden demgegenüber mehrheitlich der fehlende interaktive Austausch und Motivationsprobleme empfunden. Dies deutet bereits darauf hin, dass die Studierenden die digitale Lehre sehr unterschiedlich bewerten, je nachdem, welche Aspekte ihnen besonders wichtig sind: Je etwa ein Drittel sehen eher Nachteile oder eher Vorteile überwiegen. Ein weiteres Drittel bewertet die Online-Lehre ambivalent.
Timo Leontaris, Frank Kleemann
Zahlungsbereitschaft von Studierenden für ein universitäres, integriertes und nachhaltiges Mobilitätsangebot
Zusammenfassung
Die Nachhaltigkeitstransformation kann nur gelingen, wenn Universitäten aufgrund ihrer Menge verursachten Verkehrs einen Beitrag leisten. Insbesondere müssen hierfür Alternativen zum privaten Pkw gestärkt werden, die denselben Komfort wie eine Tür-zu-Tür-Verbindung bieten. Die soziale und politische Erwünschtheit nachhaltiger und integrierter Mobilitätsangebote zeichnet sich daher immer mehr ab. Insbesondere werden Studierende bei diesen Dienstleistungen gesondert angesprochen, da sie offener gegenüber neuen Technologien sind und sie noch mit Mobilitätsangeboten experimentieren, da sie noch kein gefestigtes Mobilitätsverhalten aufweisen. Aus Sicht der Unternehmen sind sie außerdem eine wichtige Zielgruppe aufgrund des prophezeiten höheren Einkommens nach Erreichen des akademischen Abschlusses. Jedoch ist eine Untersuchung des Umsatzpotenzials, insbesondere der Zahlungsbereitschaft, von integrierten Mobilitätspaketen für Studierende bisher noch nicht erfolgt. Ziel dieses Beitrags ist es daher, die Präferenzen von Studierenden bezüglich integrierter Mobilitätsangebote zu erfassen, um das Umsatzpotenzial abzuschätzen. Diese Abschätzung erfolgte auf Basis einer adaptiven auswahlbasierten Conjoint-Analyse, die im Frühjahr 2021 von 1165 Studierenden in Bochum, Dortmund, Duisburg und Essen beantwortet wurde. In dieser Analyse wurden die Mobilitätsangebote On-Demand E-Shuttles, Car-Sharing, Bike-Sharing sowie E-Scooter-Sharing aufgenommen. Das geschätzte hierarchische Bayes-Modell erreichte eine Anpassungsgüte von 0,617. Insbesondere war die relative Bedeutung des Preises sehr hoch (69,9 %), gefolgt von Bike-Sharing (9,6 %). Die durchschnittliche monatliche Zahlungsbereitschaft für ein integriertes Mobilitätsangebot lag bei 26,81 €. Die Diversifizierung des Angebots, etwa durch zwei unterschiedliche Mobilitätspakete, kann das Umsatzpotenzial steigern. E-Scooter-Sharing war allerdings in keinem der Mobilitätspakete enthalten. (Dieses Buchkapitel basiert auf folgendem veröffentlichten Beitrag: Kraus, L., Proff, H., Marrón, P.J., Handte, M. (2023). Zahlungsbereitschaft von Studierenden für ein universitäres, integriertes und nachhaltiges Mobilitätsangebot. In: Proff, H. (ed.) Towards the New Normal in Mobility. Springer Gabler, Wiesbaden. https://​doi.​org/​10.​1007/​978-3-658-39438-7_​51. Es wurde redaktionell bearbeitet und in den Kontext des Sammelbands eingepasst.)
Lisa Drees, Heike Proff, Pedro José Marrón, Marcus Handte
Partizipative Gestaltung von Zukunftsszenarien nachhaltiger Mobilität
Ergebnisse der Szenario-Workshops im Projekt InnaMoRuhr
Zusammenfassung
Aufbauend auf einer Befragung aller Universitätsangehörigen fanden im Herbst und Winter 2022 fünf Szenarien-Workshops mit Studierenden und Beschäftigten der UA Ruhr-Universitäten statt. In den ersten drei Workshops wurden aus der Befragung abgeleitete Szenarien diskutiert und weiterentwickelt: Die digitale Universität, vernetzte Universitäten, Fahrraduniversitäten sowie Universitäten als Hubs. Besonders die Kombination des Fahrrads mit einem kostengünstig angebotenen ÖPNV konnte in den Workshops als Option für eine zukünftige nachhaltige Mobilität identifiziert werden. Darüber hinaus wurden Personas entwickelt, die im vierten Workshop genutzt wurden, um die Probleme der Alltagsmobilität genauer zu beschreiben. Auf dieser Grundlage wurden unter kritischer Berücksichtigung unterschiedlichster Personas Maßnahmen zur Förderung der nachhaltigen Mobilität entwickelt. Anschließend wurden diese Maßnahmen in einem zweiten Schritt auf ihre Skalierbarkeit überprüft. Basierend auf den vier vorangegangenen Workshops entwickelte das InnaMoRuhr-Team drei Vorschläge für Realexperimente. Diese wurden im fünften und finalen Workshop diskutiert, definiert und auf ihre Umsetzbarkeit hin überprüft. Final entstanden so die Ideen Fahrradhub, Mobilitätsbudget und E-Carsharing.
Johannes Weyer, Bernhard Albert, Fabian Adelt, Kay Kohaupt-Cepera, Carsten Hesse, Sebastian Hoffmann, Luca Köppen, Edeltraud Kruse, Marlon Philipp
Das Reallabor als Testfeld nachhaltiger Mobilität
Ergebnisse dreier Realexperimente im Projekt InnaMoRuhr
Zusammenfassung
Das Projekt InnaMoRuhr verfolgte das Ziel, nachhaltige Mobilitätskonzepte im Universitätskontext zu erforschen und diese dann im Realbetrieb zu erproben, was eine große Herausforderung für alle Beteiligten darstellte. Zu Beginn des Projekts 2020 war zunächst ein E-Shuttle-Service zwischen den Universitätsstandorten geplant, doch die Corona-Pandemie und der geringe Bedarf an solchen Diensten führten dazu, dass die Idee überdacht wurde. Stattdessen wurden im Herbst 2021 auf Basis einer Befragung aller Universitätsangehörigen gemeinsam mit diesen in einem partizipativen Prozess neue Mobilitätslösungen erarbeitet und 2022 in einem Reallabor umgesetzt. Dieses beinhaltete drei Realexperimente: Einen Fahrrad-Hub an der TU Dortmund, ein E-Carsharing-Angebot an der Ruhr-Universität Bochum und ein Mobilitätsbudget an der Universität Duisburg-Essen. Der Fahrrad-Hub ermöglichte die Nutzung von Fahrradabstellanlagen, Leihrädern und Reparaturdiensten, wobei die Auslastung und das Nutzerfeedback positive Rückmeldungen gaben, aber auch Wünsche nach dezentraleren Anlagen aufkamen. Das E-Carsharing-Projekt an der RUB bot Elektroautos, die vor allem zur Verbindung von Universitätsstandorten und nahegelegenen Bahnhöfen genutzt wurden. Es zeigte sich, dass das Angebot gut angenommen wurde, insbesondere von Nutzer:innen, die erstmals Erfahrungen mit Elektrofahrzeugen machten. Beim Mobilitätsbudget konnten die Teilnehmer:innen flexibel verschiedene nachhaltige Verkehrsmittel nutzen, wobei der Großteil der Fahrten mit E-Scootern und dem öffentlichen Nahverkehr durchgeführt wurde. Insgesamt waren die Nutzer:innen größtenteils zufrieden, die Realexperimente förderten zudem intermodale Verkehrsmuster. Unterstützt wurden die Experimente durch die InnaMoRuhr-App, die als Mobilitätsplaner und Mobilitätstagebuch diente, um Daten zu sammeln und Nutzerfeedback zu integrieren. Die Auswertungen der Experimente dokumentierten veränderte Mobilitätsmuster, wie den Rückgang des Pkw-Verkehrs bei Nutzung des E-Carsharing-Services. Zudem zeigte sich, dass die App das Potenzial hätte, nachhaltige Mobilitätsgewohnheiten durch sanfte Anreize zu fördern.
Kay Kohaupt-Cepera, Elvira Domracev, Marcus Handte, Sebastian Hoffmann, Luca Husemann, Lisa Drees, Pedro José Marrón, Marlon Philipp, Timo Leontaris, Michael Roos, Marvin Siegmann, Constantinos Sourkounis, Philipp Spichartz, Sebastian Willen, Johannes Weyer, Heike Proff
Mit dem Rad oder mit dem Auto zur Uni?
Ein soziologisches Modell zur Erklärung des Mobilitätsverhaltens
Zusammenfassung
In der Verkehrs- und Mobilitätsforschung sind Konzepte verbreitet, die das alltägliche Mobilitätsverhalten auf individuelle Einstellungen oder auf die Wohn- und Lebenssituation der Menschen zurückführen und dabei Zusammenhänge zwischen Bündeln unterschiedlicher Variablen aufzeigen. Der eigentliche Entscheidungsprozess, also die alltägliche Wahl zwischen den Verkehrsmitteln Privat-Pkw, ÖV, Fahrrad usw., bleibt jedoch eine Black Box. Der folgende Beitrag basiert auf der These, dass es erforderlich ist, den Prozess der subjektiv-rationalen Verkehrsmittelwahl zu entschlüsseln, um so zu einem vertieften Verständnis des Mobilitätsverhaltens der Menschen zu gelangen. Der Beitrag verwendet daher ein soziologisches Modell der Handlungswahl, das aus der analytischen Soziologie stammt und mit dem Algorithmus des subjektiv erwarteten Nutzens (SEU) arbeitet, der sich aus zwei Faktoren speist: der subjektiven Definition der Situation und den individuellen Einstellungen bzw. Präferenzen (z. B. Komfort und Umweltfreundlichkeit). Mithilfe von Daten aus dem Projekt InnaMoRuhr und unter Anwendung verschiedener statistischer Analyseverfahren (z. B. Korrelations- bzw. Regressionsrechnungen) werden verschiedene Modelle zur Verkehrsmittelwahl (Auto, Rad, ÖPNV) entwickelt sowie schrittweise erweitert und validiert. Hierbei wird gezeigt, dass ein soziologisches Handlungsmodell, wenn man es um zusätzliche Kontextfaktoren erweitert (z. B. Autobesitz, Kinder im Haushalt, Erreichbarkeit von ÖV-Angeboten etc.), eine große Prognosekraft hat, da sich eine hohe Übereinstimmung zwischen modelliertem und realen Mobilitätsverhalten erzielen lässt. Dies hilft zugleich, Ansatzpunkte für Veränderungen in Richtung Nachhaltigkeit zu identifizieren.
Johannes Weyer, Sebastian Hoffmann
Agentenbasierte Modellierung und Simulation komplexer Systeme
Der Simulator SimCo als Tool zur Analyse der Mobilität im Ruhrgebiet
Zusammenfassung
Soziologisch fundierte Modelle komplexer Systeme können helfen, die Auswirkungen politischer Maßnahmen auf Individuen abzuschätzen und die daraus resultierenden Systemdynamiken zu erklären. Am Beispiel des Ruhrgebiets und der Mobilität der dort lebenden Menschen wird das Konzept der agentenbasierten Modellierung vorgestellt, das auf Annahmen der analytischen Soziologie zurückgreift und zwischen verschiedenen Akteurtypen unterscheidet. Die im Rahmen des InnaMoRuhr-Projekts durchgeführten Simulationsexperimente zeigen signifikante Unterschiede im Verhalten dieser Akteurtypen, insbesondere in ihrer Reaktion auf politische Interventionen. Dies sollte bei der Planung und Gestaltung politischer Maßnahmen zur nachhaltigen Transformation berücksichtigt werden (Kap. 11 basiert teilweise auf Arbeiten, die im Laufe des Projekts InnaMoRuhr an anderer Stelle publiziert wurden (Weyer 2024, Weyer et al. 2023)).
Johannes Weyer, Fabian Adelt, Marlon Philipp
Metadaten
Titel
Nachhaltig mobil
herausgegeben von
Johannes Weyer
Copyright-Jahr
2025
Electronic ISBN
978-3-658-45236-0
Print ISBN
978-3-658-45235-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-45236-0