Verbraucher verlangen Produkte, die klimaneutral produziert sind und hohen sozialen Standards entsprechen. Das gilt auch im Bereich der Kapitalanlage und Altersvorsorge. Bei ihrer konkreten Entscheidung bevorzugen Anleger aber oft Sicherheit statt Nachhaltigkeit.
Nachhaltigkeit darf dem hohen Sicherheitsbedürfnis der Anleger und einer positiven Realrendite nicht im Wege stehen.
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Nicht nur Supermärkte sollen nach dem Willen von Verbrauchern Öko-Produkte in den Regalen haben. Auch der Vermögensaufbau und die Altersvorsorge sollen möglichst nachhaltig ausgerichtet sein. Banken, Versicherungskonzerne und Vermögensvewalter achten daher bei ihren Anlageprodukten zunmehmend auf eine ESG-gerechte (Environment, Social und Governance) Ausgestaltung. "Bei Kunden stößt das Angebot auf lebhaftes Interesse. Laut des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI) verwalteten nachhaltige Fonds zur Jahresmitte 2021 bereits 361 Milliarden Euro", schreibt Stefan Terliesner im Versicherungsmagazin-Beitrag "Grün ist nicht gleich grün" (Ausgabe 1 | 2022). "Rein rechnerisch hält jeder Deutsche im Schnitt knapp 4.500 Euro in Nachhaltigkeitsfonds - entweder direkt oder indirekt, zum Beispiel über Lebensversicherungen oder die betriebliche Altersvorsorge", zitiert der Autor aus einer Publikation des BVI.
Run auf grüne Fonds
Auch auf europäischer Ebene gilt ein Drittel des Fondsvermögens als nachhaltig im Sinne der Artikel 8 beziehungsweise 9 der Offenlegungsverordnung SFDR. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie im Dezember 2021, die von der Beratungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (Pwc) in Zusammenarbeit mit dem Analysehaus Morningstar durchgeführt wurde. Laut Ingo Speich, Leiter Nachhaltigkeit und Corporate Governance bei Deka Investment, flossen 2021 "von Januar bis Juni 18 Prozent des Neugeschäfts mit Privatkunden in Nachhaltigkeitsfonds", schreibt Terliesner im Bankmagazin-Beitrag "Was die grüne Produktwelt bringt" (Ausgabe 10 | 2021). Speich zufolge umfasste das Angebot des Instituts seinerzeit 21 nachhaltige Publikumsfonds und acht nachhaltige Exchange Traded Funds (ETFs).
Als noch dynamischer bezeichnet Terliesner die Entwicklung bei der Union Investment, deren Produkte insbesondere von den Volks- und Raiffeisenbanken vertrieben werden. Dort machten Nachhaltigkeitsfonds im ersten Halbjahr 2021 "mehr als jedes zweite Neugeschäft" aus, so ein Unternehmenssprecher. Insgesamt haben sich innerhalb eines Jahres "die nachhaltigen Assets im Privatkundengeschäft auf 19,8 Milliarden Euro mehr als verdoppelt", hieß es.
Verbraucher glauben an Wirkung nachhaltiger Geldanlagen
Verantwortlich für diesen Trend ist die mediale Präsenz von Klima- und Umweltschutzthemen sowie die Debatte rund um die EU-Taxonomie, sagt das Deutsche Institut für Vermögensbildung und Alterssicherung (DIVA). Eine aktuelle Sonderbefragung von rund 2.000 Menschen im Rahmen der Winterausgabe des Deutschen Geldanlage-Index (DIVAX-GA) hat ergeben, dass fast 54 Prozent der Teilnehmer glauben, nachhaltige Geldanlagen könnten auch zu einer nachhaltigeren Gesamtwirtschaft beitragen können.
Interessant ist allerdings, dass das Thema bei konkreten Anlageentscheidungen keine große Rolle mehr spielt. Bei der Verteilung der Prioritäten der Befragten dominiert der Faktor Sicherheit mit 40 Prozent, gefolgt von Rentabilität (27 Prozent) und Liquidität (18 Prozent). Nachhaltigkeit bildet mit 15 Prozent nur das Schlusslicht unter den Präferenzen. Der aktuelle Wert liegt dabei immerhin um zwei Prozentpunkte über dem Wert der Sommerbefragung 2021.
Diese Haltung gelte allen voran für die auf Sicherheit bedachten deutschen Anleger, erklärt Michael Heuser, Wissenschaftlicher Direktor des DIVA, die Zahlen. "Um im aktuellen Umfeld der niedrigen Zinsen bei gleichzeitiger Inflation eine vernünftige Realrendite zu erzielen, erwägen zwar mehr und mehr auch aktienbasierte Anlagen. Im Vordergrund steht dabei aber die Suche nach dem besten Verhältnis zwischen Sicherheit und Rendite", betont der Professor an der Fachhochschule der Wirtschaft (FHDW).
Nachhaltigkeit kollidiert mit Sicherheitsbedürfnis
Das hohe Nachhaltigkeitsbewusstsein der Deutschen werde sich aber in den konkreten Anlageentscheidungen niederschlagen, ist sich der Vermögensexperte sicher. Voraussetzung sei, "dass Nachhaltigkeit dem hohen Sicherheitsbedürfnis und einer positiven Realrendite nicht im Wege steht", sondern diese sogar begünstigt. "Derzeit ist das noch zu selten der Fall."
Aktuell zeigen sich 38,5 Prozent der Befragten überzeugt, dass nachhaltige Geldanlagen risikoärmer sind als Anlagen ohne Nachhaltigkeitsfokus. 40 Prozent glauben, dass entsprechende Produkte langfristig eine höhere Rendite erwirtschaften. Allerdings nimmt das Vertrauen in einen positiven Zusammenhang zwischen Rendite und Nachhaltigkeit mit zunehmendem Alter ab. In der Gruppe der 19- bis 29-Jährigen sehen 51,2 Prozent eine positive Kopplung, bei Menschen ab 65 Jahren trifft dies lediglich auf 28,2 Prozent zu.