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03.07.2025 | Nachhaltige Geldanlagen | Gastbeitrag | Online-Artikel

ESMA-Regeln krempeln Fondsmarkt um

verfasst von: Daniel Dadun

4 Min. Lesedauer

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Seit Ende Mai 2025 greifen neue Regeln der europäischen Wertpapieraufsicht ESMA. Sie legen fest, wann Fonds in ihrer Produktbezeichnung auf Nachhaltigkeit oder ESG Bezug nehmen dürfen. Für den europäischen Fondsmarkt bedeuten die Vorgaben eine Verschiebung, aber keinen Bruch.

Asset Manager müssen sich nicht nur formal anpassen, sondern die ESG-Fähigkeit strukturell verbessern.


Nach den neuen ESMA-Regeln müssen mindestens achtzig Prozent eines Portfolios einem klar definierten Environment-, Social- und Governance-Ansatz, kurz ESG, folgen, wenn ESG im Fondsnamen erscheint. Bei der Bezeichnung "nachhaltig" müssen zusätzlich fünfzig Prozent dieser Anlagen als nachhaltige Investitionen gemäß Artikel 2 (17) der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), auf Deutsch Offenlegungsverordnung, gelten. Diese Vorgaben schaffen erstmals formale Kriterien für die ESG-Kommunikation von Fonds. Doch sie ersetzen keine inhaltliche ESG-Bewertung.

Der zentrale Begriff der nachhaltigen Investition bleibt interpretationsbedürftig, da die zugrunde liegenden Definitionen in der SFDR und der EU-Taxonomie bisher keine scharfen Abgrenzungen erlauben. Damit entsteht zwar mehr Ordnung bei der ESG-Namensgebung, doch in der Tiefe bleibt der regulatorische Boden unscharf.

Für den europäischen Fondsmarkt bedeuten die Vorgaben eine Verschiebung, aber keinen Bruch. Fondsanbieter werden in größerem Umfang Produktnamen anpassen oder ESG-Begriffe entfernen, um regulatorischen Konflikten zu entgehen. Gleichzeitig gewinnen Strategien mit klarer ESG-Ausrichtung an Sichtbarkeit. Dazu zählen vor allem Fonds mit thematischem Fokus auf Klima, Biodiversität oder Ressourceneffizienz. Eine vollständige Marktbereinigung ist nicht zu erwarten, aber die neue Klarheit dürfte zu einem selektiveren Markt führen, in dem Verwässerungstendenzen eingedämmt werden.

Mehr Transparenz für Retail-Investoren, Stresstest für Vermögensverwalter

Privatanleger werden diese Veränderungen mit gemischten Gefühlen aufnehmen. Einerseits entsteht ein transparenteres Umfeld, in dem ESG nicht mehr beliebig verwendet werden kann. Andererseits könnten Namensänderungen oder Rückstufungen von Fonds Vertrauen kosten, vor allem wenn sie nicht klar kommuniziert werden. Entscheidend wird sein, wie Anbieter diese Umstellungen begleiten. Wenn nachvollziehbar erklärt wird, warum bestimmte Fonds nicht mehr als nachhaltig gelten, kann verlorenes Vertrauen sogar zurückgewonnen werden.

Auf Seiten der Asset Manager sind nun nicht nur formale Anpassungen gefordert, sondern strukturelle Verbesserungen in der ESG-Fähigkeit. Produktstrategien müssen klarer und überprüfbarer an Nachhaltigkeitszielen ausgerichtet werden. Die Verfügbarkeit und Qualität von ESG-Daten bleibt ein zentrales Problem. Besonders bei kleineren Emittenten und in außereuropäischen Märkten bestehen weiterhin Lücken in der Datenabdeckung. Fondsanbieter müssen in robuste Datenquellen, transparente Auswahlprozesse und verlässliche Steuerungssysteme investieren. Auch der Vertrieb steht unter Druck. ESG-Produkte müssen mit den Nachhaltigkeitspräferenzen der Kundinnen und Kunden vereinbar sein, wie sie nach MiFID vorgeschrieben sind. Andernfalls droht eine Schwächung der Marktposition.

Liefert Europa Blaupause für die Geldanlage? 

Im internationalen Vergleich zeigt sich Europa erneut als Vorreiter. Die USA verfolgen einen zurückhaltenderen Kurs. Zwar verpflichtet die SEC Fonds zu bestimmten ESG-Offenlegungen, eine einheitliche Kategorisierung wie in Europa gibt es dort aber nicht. Großbritannien arbeitet mit dem Sustainability Disclosure Requirement an einem eigenständigen Modell, das stärker auf Wirkungsorientierung ausgerichtet ist.

In Asien ist das Bild gemischt. Singapur und Hongkong orientieren sich zunehmend an europäischen Standards, während China und Indien eigene Ansätze verfolgen. Für global agierende Fondsanbieter entsteht daraus eine zusätzliche Komplexität. Sie müssen ESG-Strategien entwickeln, die sowohl lokalen Erwartungen als auch internationalen Mindeststandards gerecht werden.

ESG-Label glänzte zuletzt nicht mehr

Ein weiterer Schwerpunkt der aktuellen ESG-Debatte ist die Performance. In den Jahren 2022 und 2023 schnitten viele ESG-Fonds schlechter ab als der Gesamtmarkt. Diese Entwicklung war weniger ein Ausdruck mangelnder Nachhaltigkeit als vielmehr das Resultat sektoraler Schieflagen. ESG-Fonds waren häufig stark in Technologie investiert, aber schwach in klassischen Energietiteln gewichtet.

Die geopolitisch getriebene Erholung fossiler Energieträger spiegelte sich entsprechend nicht in den ESG-Portfolios wider. Solche kurzfristigen Schwächen sollten nicht als Beleg für ein grundsätzliches Defizit gewertet werden. ESG ist kein Renditeversprechen, sondern ein Instrument für langfristige Risikosteuerung und strategische Allokation.

Nachhaltigkeit als Basisanforderung

Für die Zukunft deutet sich ein Wandel in der Bedeutung und Ausgestaltung nachhaltiger Investments an. ESG wird zunehmend als Basisanforderung verstanden und weniger als abgrenzbares Label. Die einfache Unterscheidung in hellgrün, dunkelgrün oder Impact reicht nicht mehr aus. Stattdessen rücken konkrete Transformationsstrategien in den Vordergrund.

Regulatorische Entwicklungen wie die CSRD und die europäischen Berichtsstandards ESRS erhöhen den Druck zur Substanz. Fonds, die künftig als nachhaltig gelten wollen, müssen zeigen, welchen realwirtschaftlichen Beitrag sie leisten. Dazu zählen glaubwürdige Klimapfade, sozialverträgliche Umstellungen und neue Ansätze wie geodatenbasierte Portfolioanalysen.

ESG-Debatte erreicht die nächste Phase

Die ESMA-Vorgaben markieren somit nicht das Ende der ESG-Debatte, sondern deren nächste Phase. Der Fokus verschiebt sich von Etiketten hin zur tatsächlichen Wirkung. Anbieter, die ESG als Pflichtübung behandeln, werden mittelfristig an Relevanz verlieren. Wer ESG als Kompass für die Allokation von Zukunftsfähigkeit versteht, wird auch unter wachsendem regulatorischem Druck bestehen können.

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