Neben Umweltgesichtspunkten legen institutionelle Investoren immer mehr Wert darauf, dass ihre Kapitalanlagen auch sozialen Ansprüchen genügen. Laut einer aktuellen Umfrage nehmen sie in ihren Strategien auch häufiger alternative Anlageformen ins Visier.
Das ESG-Investments ein größeres Marktpotenzial haben als klassische Kapitalanlagen, sagten bereits im September 2020 fast 60 Prozent der für den ZEW-Finanzmarkttest befragten 150 Finanzmarktexperten. Damit attestierten sie den Produkten mit einem Fokus auf Environment, Social und Governance (ESG) eine rosige Zukunft. Allerdings gab mehr als die Hälfte der Teilnehmer vor einem Jahr an, dass die Ausrichtung an soziale und ökologische Faktoren noch ausbaufähig sei. Nun zeigt die aktuelle Mercer-Studie "European Asset Allocation Insights 2021", dass sich nachhaltige Kapitalanlagestrategien nicht nur immer stärker durchsetzen, sondern neben Umweltthemen auch die sozialen Aspekte für institutionelle Investoren immer wichtiger werden.
Der Erhebung zufolge planen 27 Prozent der 850 befragten Anleger aus insgesamt elf Ländern im kommenden Jahr, ihren Schwerpunkt auf soziale Faktoren wie Humankapital und Arbeitsrechte auszuweiten. Zudem wollen 24 Prozent der Teilnehmer bestimmte Umweltaspekte wie beispielsweise Einflüsse auf die biologische Vielfalt im Investmentprozess stärker berücksichtigen. Da die Befragten ein Gesamtvermögen von rund einer Billion Euro repräsentieren, haben Veränderungen in ihren Strategien durchaus Gewicht.
Anleger integrieren ESG-Aspekte in allen Aktivitäten
"Während der Pandemiezeit, die für viele Anleger eine große Herausforderung darstellte, kam es in ganz Europa zu einem starken Anstieg der Investitionen in nachhaltige Investments", erklärt Jeffrey Dissmann, Leiter Investment Consulting bei Mercer Deutschland. "Die Anleger sind sich bewusst, welchen Einfluss die ESG-Faktoren auf ihre Kapitalanlagestrategie haben. Es können zunächst relativ kleine Schritte unternommen werden, um die Portfolios im Hinblick auf diese Kriterien zu optimieren und zu überwachen."
So verwenden mittlerweile 26 Prozent der Investoren eine kohlenstoffarme oder klimabezogene Indexierung. In der Vorjahresbefragung sagten das nur sechs Prozent. Auch hat das Gros der europäischen Investoren die ESG-Kriterien in alle Aspekte ihrer Aktivitäten integriert. Das gilt für die Auswahl von Investmentmanagern (83 Prozent) sowie deren Überwachung (88 Prozent), die Berichterstattung (79 Prozent) und die Asset Allocation (64 Prozent). Dabei agieren sie kaum noch raktiv auf regulatorische Vorgaben. Diese spielen als Motivation für die Berücksichtigung von ESG-Risiken keine große Rolle mehr. Wichtiger sind den Investoren hingegen Faktoren wie Risikomanagement und Reputation.
Nachhaltigkeit in der Altersvorsorge ist vielfältig
Im Gegensatz zu Österreich und der Schweiz kommt das Thema bei deutschen Altersvorsorgeeinrichtungen erst in jüngster Zeit richtig in Fahrt, erläutert Henry Schäfer im Bankmagazin-Beitrag "Nachhaltig für den Ruhestand investieren" (Ausgabe 10 | 2021). Der Leiter des Lehrstuhls für Finanzwirtschaft am Betriebswirtschaftlichen Institut der Universität Stuttgart schreibt:
Unzweifelhafe Impulsgeber sind die Kommission und das Parlament der Europäischen Union (EU) mit ihren Maßnahmen im Rahmen des EU-Aktionsplans Sustainable Finance sowie die 2015 verkündeten Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen (UN) und das Klimaschutzabkommen von Paris. Unterstützend setzen europäische und nationale Aufsichtsbehörden Klima- und ESG-Themen auf ihre Agenden."
Erfrischend sei die Vielfalt der praktizierten Nachhaltigkeit in Altersvorsorgeeinrichtungen, wobei deren Individualitäten vor allem Selbstverständnis, Motivation und Umsetzungsform widerspiegeln, so Schäfer. "Die Nachhaltigkeit ist in den Einrichtungen ein wichtiges Diskursthema und sollte von jedem Investor grundsätzlich individuell verstanden sowie praktiziert werden. Bislang konnten sinkende Renditen und wachsende Risiken auf den Kapitalmärkten scheinbar gut durch ESG-Ansätze abgefangen werden."
Tendenz zu renditestarken, festverzinslichen Assetklassen
Wie die Mercer-Erhebung belegt, konzentrieren sich die Investoren mittlerweile bei ihrer Auswahl immer stärker auf alternative Anlageformen. Bei regulierten deutschen Investoren wie Versorgungswerken und Pensionskassen sei die Allokation in diesem Segment sogar höher als bei Aktien, heißt es in der Studie.
Innerhalb der alternativen Anlageklassen geht laut Umfrage die Tendenz hin zu renditestarken, festverzinslichen Sub-Assetklassen wie Emerging Market Debt, High Yield und Private Debt. Aber auch die Allokation zu Private Equity, Real Assets und Multi-Asset-Strategien habe sich weiter erhöht. Insgesamt planen 53 Prozent der Befragten im Hinblick auf die Auswirkungen der Corona-Pandemie und die damit verbundenen starken Marktverwerfungen im vergangenen Jahr ihre Anlagestrategie, die Mandate der Manager oder die Governance- beziehungsweise Entscheidungsprozesse anzupassen.