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02.03.2021 | Nachhaltige Geldanlagen | Interview | Online-Artikel

"Ich erwarte einen Schub von der Transparenzverordnung"

verfasst von: Barbara Bocks

4 Min. Lesedauer

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Interviewt wurde:
Georg Schürmann

ist Geschäftsleiter der Triodos Bank N. V. Deutschland.

Ende Februar hat der Sustainable-Finance-Beirat, der die Bundesregierung in Fragen nachhaltiger Finanzierungen berät, seinen Abschlussbericht mit einigen Empfehlungen vorgelegt. Warum der Öko-Lebensmittelhandel als Vorbild dient, verrät Beiratsmitglied Georg Schürmann.

Springer Professional: Wo steht die Finanzbranche in Bezug auf nachhaltige Geldanlagen?

Georg Schürmann:  Wir sind beim Wachstum von nachhaltigen Geldanlagen erst am Anfang eines langfristigen Trends. Wenn man sich die Lebensmittelbranche anschaut, gab es Bio-Produkte zunächst nur in kleinen Bio-Märkten und dann kam die Welle, bei der diese Produkte auch in jedem Discounter und Supermarkt angeboten wurden. So ähnlich erwarten wir das auch in der Finanzindustrie. Neben den Spezialanbietern, die heute bereits nachhaltige Produkte vertreiben, finden nachhaltige Produkte mittlerweile immer mehr Einzug in das Angebot klassischer Kreditinstitute. Derzeit liegt der Anteil bei knapp fünf Prozent mit großer Dynamik, speziell im vergangenen Jahr, im Gegensatz zu konventionellen Fonds.

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Der Markt für nachhaltige Geldanlagen in Deutschland, Österreich und der Schweiz – Volumen, Strategien, Qualität

Spätestens seit der Verabschiedung des EU-Aktionsplans im Jahr 2018, der Maßnahmen zur Einbindung der Finanzwirtschaft in die Erreichung der Ziele des Pariser Klimaschutzabkommens vorsieht, hat der Markt für nachhaltige Geldanlagen nochmals stark an Dynamik gewonnen und erreicht neue Höchststände.

Wie gut sind die Institute auf das Thema Nachhaltigkeit im Beratungsgespräch vorbereitet?

Nachhaltigkeit wird bald Teil jedes Beratungsgesprächs werden. Diese regulatorische Maßnahme ist bereits verabschiedet und muss dann in der Praxis umgesetzt werden. Für Häuser, die sich dem Thema jetzt erst widmen, ist es eine große Herausforderung, ihre Mitarbeiter zum Thema Nachhaltigkeit zu schulen. Als Beirat sehen wir da einen großen Nachholbedarf, auch seitens der Politik. In der Ausbildungsverordnung der Bank- und Versicherungskaufleute ist dieser Punkt noch überhaupt nicht adressiert.

Wie viele etablierte Nachhaltigkeitssiegel gibt es auf dem deutschen Markt?

Ein neues Siegel wie das EU-ECO-Label gibt es noch nicht. Es wird sich an der so genannten Taxonomie orientieren und nur einen sehr kleinen Marktausschnitt betreffen. In der Finanzindustrie sehe ich die Problematik, dass es zu wenige Siegel für nachhaltige Produkte gibt und dadurch die Orientierung fehlt. Das FNG-Siegel, das sich in Deutschland mittlerweile etabliert hat, umfasst mehr als 150 Fonds. Ansonsten gibt es auch Produkte im Ausland und in anderen Märkten, die andere Siegel nutzen. Aber diese sind in Deutschland wenig verbreitet. Es gibt die eine oder andere Publikation von Rating-Agenturen über Fonds, also erste Orientierungshilfen. Aber bei weitem nicht so viele Siegel, wie Kunden sie beispielsweise aus dem Lebensmittelbereich kennen.

Woran erkennen Kunden künftig nachhaltige Finanzprodukte?

Ich erwarte einen großen Schub für die Branche durch die Transparenzverordnung auf EU-Ebene, die ab 10. März in Kraft tritt. Diese Verordnung fordert Anbieter von Finanzprodukten auf, in der Produktbeschreibung Merkmale wie Ausschlusskriterien klarer darzustellen, wenn diese einen Fonds als nachhaltigen Fonds vermarkten. Vereinfacht ausgedrückt gibt es drei Kategorien: nicht nachhaltige Fonds, "leicht grün" und "dunkelgrün". Bei den "leicht grünen Produkten", die dem Artikel 8 der Transparenzverordnung entsprechen, handelt es sich um Produkte, die Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen. Sie beinhalten zum Beispiel Ausschlusskriterien wie ein Verbot von Streubombeninvestments oder andere Kategorien wie Alkohol und Tabak. Ein dunkelgrünes Produkt, das der Klassifizierung nach Artikel 9 der Verordnung entsprechen würde, wären so genannte Impact-Produkte. Damit erzielen diese Anleger einen positiven Beitrag mit ihrer Geldanlage und investieren in bestimmte Branchen wie Erneuerbare Energien und Unternehmen, die eine Vorreiterrolle in Bezug auf die nachhaltige Wirtschaft innehaben. Das geht noch einmal deutlich über die Anforderungen für leicht grüne Produkte hinaus.

Welche Ideen hat der Beirat, um das Thema Nachhaltige Geldanlage bekannter zu machen?

Das Klassifizierungssystem könnte als Leuchtturmprojekt dienen, um das Thema zu pushen. Es gibt aber auch einen weiteren Vorschlag in dem Bericht: in so genannten Impact-Fonds auf Bundesebene. Die Aktivität der Bundesregierung bei der Corona-Krise, Unternehmen auch mit Eigenkapital zu stützen, dient dafür als Vorbild. An sich wäre es sinnvoller, wenn der Staat in Zukunftsbranchen investiert. Dieser Fonds könnte das Potenzial zu einem Leuchtturmprojekt haben. Es gibt bisher noch keinen Staat, der einen solchen nachhaltigen Fonds aufgelegt hat.

Wie viele Siegel gibt es im Ausland und inwiefern hilft ein Siegel Kunden bei der Auswahl der Produkte?

In einigen Ländern wie in Frankreich gibt es ein staatliches Siegel für Nachhaltigkeitsfonds. In Luxemburg gibt es auch relativ viele Siegel im Markt. Es gibt durchaus Teilmärkte in Europa, die weiter entwickelt sind als der deutsche Markt. Ein nationales Siegel in Form eines Klassifizierungssystems haben wir im Beirat für Deutschland vorgeschlagen. Dieses System sollte sich von der Logik her am Risikoklassifizierungssystem von Investmentfonds orientieren und sollte die Nachhaltigkeitsbestandteile von allen Fonds überprüfen, nicht nur von Nachhaltigkeitsfonds. Dadurch sollen auch Nachhaltigkeitsrisiken sichtbar werden und nicht nur diskutiert werden, wie grün ein Fonds ist. Ein Fonds, der heute noch massiv in Öl oder Kohlewerte investiert, hat große Nachhaltigkeitsrisiken. Nicht umsonst haben sich viele Finanzdienstleister aus diesen Branchen verabschiedet. Für Kunden ist es aber oftmals nicht direkt erkennbar, welche Nachhaltigkeitsrisiken in konventionellen Fonds stecken.

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