Die Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung der Europäischen Bankenaufsicht fordern eine angemessene Berücksichtigung sogenannter ESG-Aspekte. Das macht eine umfassende Qualitätsoffensive bei den Banken notwendig.
Künftig werden regelmäßige Stresstests regulatorische ESG-Kennzahlen und Risiken der Banken unter die Lupe nehmen.
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Die Folgen von Klimawandel und Umweltverschmutzung können Unternehmen stark zusetzen, ja sie im Extremfall in ihrer Existenz bedrohen. Im Ergebnis bekommen dies am Ende auch Kreditinstitute zu spüren, bis hin zum Totalausfall von Forderungen. Sind viele Finanzdienstleister gleichzeitig davon betroffen, kann dies zu einer Instabilität des ganzen Finanzsystems führen. Entsprechend wichtig ist eine Identifizierung, Quantifizierung und Steuerung der Nachhaltigkeitsrisiken. Ihre Erwartungen dazu hat die Europäische Bankenaufsicht (EBA) im Mai in ihren Leitlinien zur Kreditvergabe und -überwachung (Guidelines on loan origination and monitoring) veröffentlicht.
Für die Institute besteht eine maximal vierjährige Übergangsfrist zur Anwendung dieser EBA-Leitlinien:
PPI AG
Einteilung der Kreditverfahren in sechs Kernbereiche
Inhaltlich sind ergänzend zu den Leitlinien noch ein besseres Monitoring der Entwicklung von Non Performing Loans (NPL) sowie Maßnahmen zu deren Bestandsreduzierung zu nennen. In einer Explanatory Note zu den Guidelines nimmt die EBA zudem eine Einteilung der originären Kreditverfahren in sechs Kernbereichen vor:
- Risikostrategie und -kultur
- Kreditvergabe
- Kreditüberwachung
- Bepreisung von Krediten
- Werthaltigkeit von Sicherheiten
- Berichtswesen
Folgen für die Preisgestaltung von Krediten
Finanzinstitute müssen also aus Umwelt-, Sozial- und Unternehmensführungsaspekten erwachsende Risiken, die ESG-Risiken, während des gesamten Kreditgewährungs- und -bearbeitungsprozesses berücksichtigen. Damit verbunden ist eine Analyse des Einflusses von ESG-Faktoren auf das Adressrisiko von Kreditnehmern, deren Ergebnis fortlaufend verifiziert werden muss.
Daran richtet sich auch die Bewertung und die für das Kreditausfallrisiko konkret maßgeblichen Einzelfaktoren aus – mit entsprechenden Folgen für die Preisgestaltung von Krediten. Eine Verankerung der ESG-Faktoren und -Risiken im Preisfindungsprozess von Darlehen, in der Risikokultur, dem Risikoappetit sowie den Kreditrichtlinien, sowie die Berücksichtigung ESG-bedingter Reputationsschäden oder Haftungskosten im Kreditmanagement sind unabdingbar. Hierzu zählt auch das Funds Transfer Pricing, da die Mittelbeschaffung bei Investoren zunehmend vom ESG-Score des Instituts abhängig ist.
Nachhaltigkeitsrisiken steuern und überwachen
Mögliche Methoden zur Steuerung und Überwachung der Nachhaltigkeitsrisiken in der Geschäfts- und Risikostrategie | |
Ausschlusskriterien | Identifizierung von Kunden, Unternehmen, Branchen, Regionen, Staaten oder Projekten, die aufgrund bestimmter Kriterien von der Gewährung eines Kredites ausgeschlossen sind. Entsprechend wesentlich ist die Durchführung von Due-Dilligence-Prüfungen zu ESG-Risiken. Hier geht es um eine Erstellung eines Nachhaltigkeitsratings beziehungsweise ESG-Scores des Geschäftspartners. |
Positivlisten | Identifizierung von Kunden, Unternehmen, Branchen, Regionen, Staaten, Projekten, die aufgrund einer Kohärenz mit bestimmten Nachhaltigkeitsfaktoren bei Kreditvergabeprozessen bevorzugt werden. |
Best-In-Class-Ansatz | Identifizierung derjenigen Geschäftspartner, die entsprechend der gewählten Nachhaltigkeitskriterien innerhalb ihrer Branche besser abschneiden als andere Unternehmen. Hier gilt es, durch eine Gegenüberstellung von Fakten und projiziertem Image Greenwashing betreibende Kunden auszusortieren. |
Screening/ESG-Integration | Identifizierung von Kunden, Unternehmen, Branchen oder Projekten, die Nachhaltigkeitskriterien gemäß international anerkannter Normen erfüllen. Alternativ wäre ein positiver Umwelt- und Gesellschaftsbeitrag als Unternehmenszweck ebenfalls ein wichtiger Nachhaltigkeitsaspekt. |
Engagement | Kreditinstitute können auch versuchen, Kunden, Unternehmen, Branchen oder Projekte durch Stimmrechtsausübung, Dialog oder Einflussnahme auf Branchenvertretungen auf einen nachhaltigeren Kurs zu bringen. Allerdings nur, insoweit das Aktien-, Gesellschafts- und Kartellrecht dies zulässt. |
Quelle: PPI AG
Für die ersten vier Ansätze eignen sich sogenannte Heatmaps als Tool zur Visualisierung. Sie machen Nachhaltigkeitsrisiken entsprechend ihrer Relevanz und Dringlichkeit für einzelne (Sub-)Sektoren entweder grafisch oder durch eine Skalierung sichtbar.
Ermittlung eines umfassenden ESG-Scores
Alle Methoden setzen für eine erfolgreiche Umsetzung voraus, dass sämtliche notwendigen Daten und Informationen vorliegen und verifiziert sind. Die Institute haben sich diese zu verschaffen, um die Anfälligkeit der Kreditnehmer gegenüber ESG-Risiken einschätzen zu können. Die besondere Herausforderung dürfte darin liegen, dass für die Ermittlung eines umfassenden ESG-Scores neben den veröffentlichten und den freiwillig bereitgestellten Informationen auch andere Quellen wie Social Media, Internetdaten oder Satellitenbilder heranzuziehen sind. Hierfür werden zunehmend KI-Lösungen implementiert.
Sowohl die Bafin als auch EZB und EBA haben explizit betont, dass sie Szenarioanalysen und unternehmensindividuelle Stresstests hinsichtlich der Nachhaltigkeitsrisiken für die Kreditinstitute vorbereiten und auch durchführen wollen. Ein sogenanntes Credit Assessment soll Aufschluss geben, ob die ESG-Risiken Auswirkungen auf regulatorische Kennzahlen wie Kapitalquote oder Risikoappetit haben und dementsprechend die Risikotragfähigkeit beeinflussen.