Skip to main content

16.07.2018 | Nachhaltigkeit | Interview | Online-Artikel

"Nachhaltigkeitstransformationen kaum energisch angegangen"

verfasst von: Nico Andritschke

3 Min. Lesedauer

Aktivieren Sie unsere intelligente Suche, um passende Fachinhalte oder Patente zu finden.

search-config
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
loading …

Die Agenda 2030 wurde vor drei Jahren beim UNO-Nachhaltigkeitsgipfel beschlossen. Nachhaltige Stadtentwicklung, so Dieter Rink, funktioniert nicht ohne eine Abkehr von herkömmlicher Wachstumspolitik.

Springer Professional: Was hat sich aus Ihrer Perspektive seit dem Nachhaltigkeitsgipfel getan?

Dieter Rink: Die Europäische Union und die Bundesregierung haben sich ganz allgemein zur Agenda 2030 bekannt. Die Bundesregierung hat die Sustainable Development Goals (SDGs) 2016 schon teilweise in ihre eigene Nachhaltigkeitsstrategie übernommen, die EU-Kommission soll noch im Jahr 2018 eine Umsetzungsstrategie vorlegen. In Deutschland wurden zahlreiche Aktivitäten gestartet, die sich mit der Umsetzung der Agenda und der Messung der Ziele beschäftigen, unter anderem im Rahmen des Sustainable Development Solution Networks (SDSN), von Future Earth oder des Deutschen Städtetags. Viele der in den SDGs formulierten Ziele stellen in Europa beziehungsweise Deutschland allerdings längst Selbstverständlichkeiten dar. Substanzielle Herausforderungen nachhaltiger Entwicklung, wie insbesondere der Klimaschutz, werden jedoch weiterhin herkömmlichen Wachstumspolitiken untergeordnet, die auf Wettbewerbsfähigkeit, Beschäftigung und Wohlstand ausgerichtet sind. Es ist daher generell zu bezweifeln, dass von der Agenda 2030 und den SDGs reale Steuerungswirkungen auf die Politik ausgehen.

Empfehlung der Redaktion

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Indikatoren zur Bewertung einer nachhaltigen und klimawandelgerechten Siedlungsentwicklung

Die Debatte um eine nachhaltige Siedlungsentwicklung ist nicht neu. Sie ist aber in den vergangenen Jahren um weitere Dimensionen angereichert worden, denn es ergeben sich neue Anforderungen aufgrund von Flächenkonkurrenzen durch den Ausbau erneuerbarer Energien, durch klimawandelbedingte Anpassungserfordernisse oder durch Ansprüche an einen Beitrag der Siedlungsentwicklung zum Klimaschutz. 


Sie untersuchen innerhalb eines mehrjährigen Forschungsprojektes urbane Transformationen. Worum geht es dabei und was sind die wichtigsten Erkenntnisse?

Urbane Transformationen werden in unserem integrierten Projekt anhand sozial- und naturwissenschaftlicher Methoden sowie Modellen und Szenarien hinsichtlich Ressourceneffizienz, Lebensqualität und Resilienz bewertet. Es werden Indikatoren und Instrumente entwickelt sowie Strategien im Hinblick auf ihre Nachhaltigkeit geprüft. Schließlich werden Akteure aus Politik und Verwaltung, Wirtschaft und Zivilgesellschaft selbst zum Gegenstand der Analyse. Ziel ist es, unterschiedliche Pfade und Optionen, Chancen und Risiken sowie Steuerungsmöglichkeiten urbaner Transformationen zu erkunden und politikrelevante Ergebnisse und Lösungen für die gesellschaftliche Praxis bereitzustellen. Ein Ergebnis ist, dass Nachhaltigkeitstransformationen bislang kaum energisch beziehungsweise systematisch angegangen werden, die wenigen positiven Beispiele lassen sich zudem nicht verallgemeinern oder übertragen.  

Was sind Determinanten einer nachhaltigen Stadtentwicklung und welche Wege müssen wir zu deren Umsetzung einschlagen?

Nachhaltige Stadtentwicklung ist eine komplexe Herausforderung, die normativ begründet ist. Angesichts des sich beschleunigenden Klimawandels, der Übernutzung von Ressourcen sowie der drängenden sozialen Probleme stehen Transformationen zur CO2-neutralen, zur resilienten und zur lebenswerten Stadt auf der Tagesordnung. Um diese urbanen Transformationen auch tatsächlich ins Werk zu setzen, ist eine Abkehr von herkömmlichen Wachstumspolitiken und unnachhaltiger Urbanisierung vonnöten. Dazu müssen zum Beispiel die für hiesige Verhältnisse relevanten SDGs umfassend in kommunale Fachpolitiken und –planungen implementiert sowie finanziell untersetzt werden. In der Politik, namentlich auch der Kommunalpolitik, ist ein grundlegender Wandel erforderlich. Dieser ist bislang jedoch nur bei einigen wenigen Vorreiterstädten zu beobachten. 

Welche Aktivitäten laufen derzeit in Deutschland und Skandinavien zur Implementation der Agenda 2030? Gibt es gelungene Beispiele?

Die Implementierung der Agenda 2030 erfolgt in Deutschland und in den skandinavischen Ländern vor dem Hintergrund langjähriger Nachhaltigkeits-Aktivitäten etwa im Rahmen der Agenda 21. In Skandinavien ist insbesondere Schweden Vorreiter und hat seinen CO2-Ausstoss schon deutlich verringert. Kopenhagen etwa verfolgt das ambitionierte Ziel, bis 2025 eine CO2-neutrale Stadt zu sein und zugleich die Lebensqualität zu erhöhen. In Deutschland sind zum Beispiel die Städte Frankfurt, Freiburg und Hamburg Vorreiter sozial-ökologischer Transformationen. Im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative verfolgen einige wenige Kommunen und Landkreise in Deutschland einen "Masterplan 100 Prozent Klimaschutz" - bislang mit mäßigem Erfolg. Generell muss kritisch angemerkt werden, dass sowohl bei den skandinavischen als auch bei den deutschen Beispielen vor allem Mittel-und Oberschicht-Angehörige von den Nachhaltigkeitsmaßnahmen profitieren. Die gefundenen Lösungen sind daher kaum auf andere Kontexte übertragbar, schon gar nicht auf Schwellen- und Entwicklungsländer.

print
DRUCKEN

Weiterführende Themen

Die Hintergründe zu diesem Inhalt

2017 | OriginalPaper | Buchkapitel

Sustainable-Governance für die Sustainable-Development-Goals

Institutionelle Innovationen für die große Transformation
Quelle:
Innovation in der Nachhaltigkeitsforschung

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Raumbezogene Risiken und regionale Resilienz

Neue Ansätze in der Standortforschung und für Standortstrategien von Regionen, Kommunen und Unternehmen
Quelle:
Keine Strategie ohne Verantwortung

2018 | OriginalPaper | Buchkapitel

Stadterneuerung unter Unsicherheit

Ziel- und Risikoorientierung im Stadtumbau Ost
Quelle:
Stadterneuerung im vereinten Deutschland – Rück- und Ausblicke

Das könnte Sie auch interessieren

26.04.2018 | Abwasser | Schwerpunkt | Online-Artikel

Städtisches Abwasser und Gebäude neu denken

09.11.2017 | Stadtplanung | Schwerpunkt | Online-Artikel

Die urbane Verkehrsinfrastruktur im Vergleich