„Im Vergleich zu den ersten Anfängen des Naturschutzes im 19. Jahrhundert konnte zwar der Flächenanteil an geschützten Flächen in der Zwischenzeit fortlaufend ausgedehnt werden, allerdings beträgt er auch heute im Höchstfall wenige Prozent der Gesamtfläche“, schreibt Springer Spektrum-Autor Klaus-Dieter Hupke im Buchkapitel „Naturschutz – auf welchen Flächen?“ innerhalb seiner kritischen Auseinandersetzung mit dem Thema Naturschutz.
Auch Jan Christian Habel, Biogeograf am Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TU München, verneint aufgrund der Ergebnisse einer Kooperationsstudie die Frage, ob das etablierte Netz von Fauna-Flora-Habitat-Schutzgebieten langfristig einen effektiven Naturschutz erzielen könne. Wissenschaftler der TU München haben in Zusammenarbeit mit der Zoologischen Staatssammlung München unter Beteiligung des Deutschen Entomologischen Instituts Müncheberg-Senckenberg und der polnischen Nikolaus Kopernikus Universität Thorn Artenlisten und Schmetterlingssammlungen für ein Gebiet rund um Regensburg seit 1840 ausgewertet. Das Gebiet besteht überwiegend aus Magerrasen-Gebieten und damit nährstoffarmen Biotopen für Schmetterlinge und andere Insekten.
Naturschutz hilft Habitat-Spezialisten wenig
Die Auswertungen der im Fachmagazin „Conservation Biologie“ veröffentlichten Studie bestätigen, insbesondere spezialisierte Arten sind trotz ihrer Beachtung durch den Naturschutz rückläufig. Für das betrachtete Gebiet wurden beispielsweise zwischen 1840 und 1849 noch 117 Tagfalterarten und Widderchen (tagaktive Nachtfalter) nachgewiesen. Zwischen 2010 und 2013 sind davon nur noch 71 Arten übrig geblieben, obwohl 45 Hektar des Gebietes bereits 1992 als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurden.
Die Wissenschaftler weisen in der Studie darauf hin, dass sich auch die Zusammensetzung der Schmetterlingsarten verändert hat. Früher war das Gebiet geprägt durch eine vielfältige Schmetterlingsgemeinschaft. Heute dominieren wenige Habitat-Generalisten. Habitat-Spezialisten, die bestimmte Raupenfutterpflanzen und Lebensraumstrukturen benötigen, sind verschwunden.
Ursachen für die Veränderungen trotz Naturschutz
Laut der Studie sind vor allem die hohen Emissionen reaktiven Stickstoffs die Ursache für die Veränderungen. Reaktiver Stickstoff verändert über den Luftweg die Nährstoffzusammensetzung und überdüngt empfindliche Vegetationstypen wie beispielsweise die Magerrasen-Gebiete im untersuchten Raum um Regensburg. Pflanzen wie Löwenzahn, Disteln und Sauerampfer wachsen vermehrt durch die zusätzliche Düngung. Die typische Flora wird verdrängt. Die spezialisierten Arten unter den Schmetterlingen finden so nicht mehr die notwendigen Raupenfutterpflanzen und sind damit stärker von den Umweltveränderungen betroffen als Habitat-Generalisten. Auch führt die zusätzliche Düngung und das damit verbundene schnellere Pflanzenwachstum zu einer größeren Beschattung des Bodens. Wärmeliebende Schmetterlinge sind damit benachteiligt. Obwohl sie auf den ersten Blick von der Klimaerwärmung profitieren sollten, nehmen diese sogenannten thermophilen Arten deshalb ebenfalls ab.