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21.02.2017 | Naturwissenschaftliche Grundlagen | Schwerpunkt | Online-Artikel

Der Entropie auf der Spur

verfasst von: Dieter Beste

3:30 Min. Lesedauer

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Isolierte Systeme nehmen im Zeitverlauf die Konfiguration mit der größten Entropie, also der größten Unordnung ein. Schweizer Forscher haben es jetzt geschafft, diese geheimnisumwitterte physikalische Größe im Sinne des Wortes unter die Lupe zu nehmen.

Mithilfe eines Rastertunnelmikroskops haben Forscher der Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) Einblicke in eine eher abstrakte physikalische Größe erhalten und diese erstmals anhand eines einzelnen Moleküls gemessen – die Entropie. Die Studie, an der auch Forscher der Pennsylvania State University (PSU) beteiligt waren, erschien Anfang Februar im Fachblatt Nature Communications.

Die Entropie ist keine leicht eingängige Größe aus der Thermodynamik. Die Autoren von "Mechanik und Wärmelehre" beispielsweise widmen ihr ein eigenes Kapitel, in dem sie, aufbauend auf den Unterschied von reversiblen und irreversiblen Prozessen, den Carnot’schen Kreisprozess einführen und am Beispiel der Berechnung des Wirkungsgrades einer Carnot-Maschine den zweiten Hauptsatz der Thermodynamik (Etropiesatz) ableiten: "Bei allen natürlichen, mit endlicher Geschwindigkeit ablaufenden Vorgängen in einem abgeschlossenen System nimmt die Entropie zu" (Seite 597).

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Um herauszufinden, was die Beweglichkeit von Molekülen in chemischen Reaktionen ursächlich erhöht oder hemmt – Makromoleküle verändern dabei häufig ihre Form durch Drehungen oder translatorische Verschiebungen –, untersuchen Forscher an einer Oberfläche anhaftende Moleküle. Ein beliebtes Molekül für diese Art von Untersuchungen ist Dibutylsulfid (DBS), ein länglicher Kohlenwasserstoff mit einem zentralen Schwefelatom, durch das das Molekül an einer Goldoberfläche anhaften kann. Je nach Temperatur rotieren seine beiden "Arme" mehr oder weniger leicht um die zentrale Schwefel-Achse, beschreiben die Wissenschaftler der Empa.

Die Bewegungsfreiheit eines Moleküls auf einer Oberfläche werde nun in der Regel anhand von zwei physikalischen Größen beschrieben: die Energiebarriere, die es überwinden muss, um die Bewegung zu vollziehen – bei chemischen Reaktionen wird diese Barriere Aktivierungsenergie genannt –, und die sogenannte Versuchsrate. Darunter versteht man die Anzahl Versuche, die das Molekül unternimmt, um die Bewegung zu initiieren. Je höher die Temperatur, desto stärker rotieren die beiden DBS-Arme, denn mit steigenden Temperaturen, so die Forscher, nimmt die Wahrscheinlichkeit zu, die Energiebarriere zu überwinden.

Pikometergenaue Untersuchung eines einzelnen Moleküls 

Um solche rotierenden Moleküle zu untersuchen, hat ein Team um den Empa-Physiker Hans Josef Hug ein komplexes Mikroskop entwickelt, bei dem ein Niedertemperatur-Rastertunnelmikroskop (STM für "scanning tunneling microscope") mit einem Raster-Kraft-Mikroskop (SFM für "scanning force microscope") kombiniert wird und das bei Temperaturen zwischen 4,5 Kelvin und Raumtemperatur im Ultrahochvakuum pikometergenau betrieben werden kann. Als nun das Team die Energiebarrieren für die DBS-Rotationen in Abhängigkeit von der Position der STM-Spitze darstellte, ergab sich für das DBS-Molekül keine einheitliche "Energielandschaft"; vielmehr zeigten sich darin Täler und Gebirgskämme. Anders gesagt: Je nachdem, wo genau die STM-Spitze positioniert wurde, rotierten die DBS-Arme mal mehr, mal weniger häufig – trotz konstanter Temperatur. "Das war vollkommen unerwartet", betont Hug. "Denn es bedeutet, dass die Spitze, die vom Molekül noch relativ weit entfernt war und es überhaupt nicht berührte, auf irgendeine Weise seine Mobilität beeinflusste."

Weniger eine Eigenschaft, vielmehr ein Informationsmaß?

Und nicht nur das: Als das Forscherteam die Versuchsraten des Moleküls plottete, erhielt es eine Grafik, die mit der Landschaft der Energiebarrieren beinahe identisch war. Hugs Team konnte also zeigen, dass im Fall des DBS-Moleküls die Entropieunterschiede proportional zu den Energiebarrieren sind. "Das bedeutet, dass Energie und Entropie in diesem System auf fundamentale Weise verknüpft sind", fasst Hug zusammen und sein Kollege Eric Hudson von der PSU fügt hinzu: "Entropie wird häufig als Maß für Unordnung oder Zufälligkeit angesehen. In diesem Fall wird sie aber durch die Anzahl der Formen bestimmt, die das Molekül potenziell annehmen könnte, sowie durch die Anzahl der Möglichkeiten, dass das Molekül die energetischen Voraussetzungen erfüllen kann, um seine Konfiguration zu verändern." In der Thermodynamik sei die Entropie zwar gut erforscht, gibt Hug zu bedenken, gleichwohl sei sie schwerer zu fassen als andere physikalische Größen. "Vielleicht liegt das daran, dass sie weniger eine ‚Eigenschaft‘ als vielmehr ein Informationsmaß ist."

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