Neobroker locken mit ihren Trading-Apps vor allem junge Kunden auf den Kapitalmarkt. Diese investieren trotz Lücken im Finanzwissen mit wachsender Risikobereitschaft, fand ein Forscherteam heraus. Das birgt Gefahren, aber auch großes Potenzial.
Wertpapierhandel mit wenigen Klicks auf dem Smartphone: Viele junge Anleger haben ihr Depot bei einem Neobroker.
katleho Seisa / Getty Images / iStock
Die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg klagt gegen den Neobroker Trade Republic. Sie hält dessen Werbung in Bezug auf Zinsen und Einlagensicherung für irreführend. Das Unternehmen locke Kunden mit einem Zinssatz von 3,0 Prozent auf Guthaben, ohne ausreichend darauf hinzuweisen, dass der Zinssatz veränderlich ist und Teile des Geldes in Geldmarktfonds investiert werden, die nicht unter die Einlagensicherung fallen. Dies vermittle eine vermeintliche Sicherheit, die so nicht gegeben sei. Das Unternehmen verweist hingegen darauf, dass die Diversifizierung der Einlagen auf vier Partnerbanken (Deutsche Bank, J.P. Morgan, HSBC Continental Europe und Citibank Europe) und in "qualifizierte Geldmarktfonds" bereits seit Mai 2024 bestehe und diese Informationen für Kunden transparent in der App einsehbar seien.
Verbraucherschützer rügen mangelnde Transparenz
Die Verbraucherzentrale kritisiert insbesondere die mangelnde Transparenz, da erst in der App ersichtlich werde, dass Kundengelder teilweise in Geldmarktfonds angelegt sind. Trade Republic weist die Vorwürfe zurück und betont, dass entsprechende Informationen auch auf der Website und im Help Center bereitgestellt würden. Trotz der rechtlichen Auseinandersetzung bleibt der Anbieter bei preisbewussten Anlegern beliebt, die auf günstige Konditionen statt auf individuelle Beratung setzen. Mit rund acht Millionen Kunden und einem verwalteten Vermögen von über 100 Milliarden Euro zählt das Unternehmen zu den größten Neobrokern in Deutschland.
Gamification-Methoden locken Anleger
Wie auch immer das juristische Tauziehen zwischen dem Berliner Online Broker und den Verbraucherschützern ausgeht, Trading-Apps von Trade Republic oder Wettbewerbern wie Scalable Capital, haben in den letzten Jahren deutlich an Popularität gewonnen. Vor allem junge Menschen fühlen sich vom einfachen Zugang zu Investitionen in Aktien, ETFs oder Kryptowährungen angesprochen. Besonders der Einsatz von Gamification-Methoden und das Investieren ohne Gebühren machen das Spekulieren für Nutzer besonders attraktiv.
Welche Risiken sich daraus ergeben, haben Jonas Freibauer und Professorin Silja Grawert von der Fakultät für Informatik und Mathematik an der Hochschule München sowie Marc Oliver Rieger, Professor an der Universität Trier, untersucht. Für ihre im Herbst 2024 veröffentlichten Studie "The effects of trading apps on investment behavior over time" haben die Ökonomen über 500 Teilnehmende zu ihren Investitionsgründen, zum Umfang des investierten Kapitals und zur Risikobereitschaft befragt.
Neobroker-Nutzer gehen höhere Risiken ein
Den Ergebnissen zufolge sind Neobroker-Nutzer nicht nur deutlich jünger als traditionelle Anleger und handeln deutlich häufiger als diese, sondern legen das Geld auch risikofreudiger an - etwa in Kryptowährungen oder in Derivate. Hierbei handelt es sich um komplexe Finanzinstrumente, die einen Wert aus zugrunde liegenden Vermögenswerten ableiten - etwa einer Aktie, einem Index, einer Währung oder einem Rohstoff. So nimmt die finanzielle Bildung der Neobroker-Kunden zwar mit der Zeit zu, bleibt aber insgesamt auf einem niedrigen Niveau. Nur sieben Prozent der Nutzer wissen zum Beispiel, wie das Geschäftsmodell von Trading-Apps funktioniert.
Die Kunden erzielen über den Online Broker mit weniger Kapital dennoch mitunter höhere jährliche Renditen als konventionelle Anleger - trotz ihrer Wissenslücken. Rund 57 Prozent von ihnen stuft die Studie als unerfahren ein, 47 Prozent investieren vor allem wegen des Nervenkitzels. "Durch niedrige Ordergebühren, geringe Mindestanlagesummen und die einfache und spielerische Anmeldung sowie die Bedienung nehmen Trading-Apps mit über 50 Prozent an Erstanlegern eine bedeutende Rolle bei der Demokratisierung der Finanzmärkte ein", erklärt Freibauer, Hauptautor der Studie. Der niedrige Wissensstand zu Finanzen und die steigende Risikotoleranz können laut dem Forschertrio zu potenziell risikoreicheren Anlageentscheidungen und zu einer höheren Verlustwahrscheinlichkeit führen.
Potenzial von Trading-Apps besser nutzen
Dennoch steigern solche Angebote der Studie zufolge die Beteiligung der Menschen am Aktienmarkt und bergen das Potenzial in Kombination mit langfristig orientierten Investitionen die private Alterssicherung in Deutschland voranzutreiben. Die Forschenden empfehlen, dass Trading-Apps besser über Kosten sowie Risiken aufklären und mehr Finanzbildung transportieren sollten. "Die breite Verfügbarkeit von Test-Versionen von Trading-Apps kann es Nutzenden ermöglichen, das Investieren in einer risikofreien Umgebung auszuprobieren und Erfahrung zu sammeln. Ergänzend wären gezielt eingesetzte Lerntools wichtig, mit denen Anlegerinnen und Anleger in den Bereichen Finanzen und Aktienmarkt Grundkenntnisse erwerben und sich weiterbilden können, denn das wäre für den langfristigen Erfolg essenziell", wünscht sich Studienautorin Grawert.