Open Access 13.02.2025 | Hauptbeiträge – Thementeil
Nutzung von digitalen Tools im Onboarding: Anforderungen und Evaluation des „Prozesslotsen“ in Organisationen
Erschienen in: Gruppe. Interaktion. Organisation. Zeitschrift für Angewandte Organisationspsychologie (GIO) | Ausgabe 1/2025
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Zusammenfassung
In Zeiten des Fachkräftemangels und einer erhöhten Mobilität am Arbeitsmarkt ist ein strukturiertes Onboarding von zentraler Bedeutung, um Fachkräfte zu binden und Frühfluktuation zu reduzieren (Jabeen et al. 2021; Klein et al. 2015). Besonders im ersten Jahr ist die Frühfluktuation mit bis zu 50 % erheblich (New Work 2024) und 30 % der Ausbildungsverhältnisse in Deutschland werden vorzeitig beendet (Bundesministerium für Bildung und Forschung – BMBF 2024). Ein gut gestaltetes Onboarding kann die Frühfluktuation reduzieren und die Leistungsfähigkeit und Zufriedenheit neuer Mitarbeitender steigern (Moser et al. 2018). Onboarding bezeichnet den Prozess der Integration und Einarbeitung neuer Mitarbeitender und umfasst sowohl formelle (z. B. Schulungen) als auch informelle (z. B. gemeinsame Mittagessen) Praktiken (Klein et al. 2015). Der Onboarding-Prozess beinhaltet verschiedene Dimensionen (Bauer 2010; Sander et al. 2023). Während die fachliche (clarification) Dimension technische und prozessuale Vorgänge adressiert, betrifft die administrative (compliance) Dimension Vorschriften und rechtliche Anforderungen. Die soziale (connection) Dimension fokussiert den Aufbau von Beziehungen, während die kulturelle (culture) Dimension Rituale und Werte vermittelt.
Neben dem Onboarding, das meist die ersten sechs Monate nach Arbeitsbeginn einschließt (Klein et al. 2015; Moser et al. 2018), ist das Pre-Boarding, das bereits vor dem eigentlichen Eintritt in die Organisation stattfindet, entscheidend (Stein und Christiansen 2010). Es umfasst Aktivitäten wie die Bereitstellung wichtiger Informationen zu den ersten Arbeitstagen und administrative Schritte, um den Einstieg zu erleichtern (Sander et al. 2023) und die Unsicherheit von Onboardees zu verringern (Heimburger et al. 2019).
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Trotz der Relevanz von Onboardingprozessen bestehen Forschungslücken bei der digitalen Unterstützung solcher Prozesse sowie in den Anforderungen an entsprechende Tools (Gupta et al. 2022). Obwohl fast alle Organisationen Onboarding-Maßnahmen nutzen, sind diese häufig unzureichend strukturiert oder nicht ausführlich genug (Schreiner und Schmid 2015). Ein möglicher Grund ist der hohe Aufwand für die Implementierung und Durchführung des Onboardings (Jeske und Olson 2021).
Gut gestaltete Onboardingprozesse können Orientierung bieten und zur Reduktion von Frühfluktuation und Abbruchquoten beitragen (Mitschelen et al. subm.; Moser et al. 2018). Dies ist besonders für Gruppen mit wenig Berufserfahrung relevant, etwa Auszubildende oder wissenschaftliche Mitarbeitende an Universitäten (Armutat 2021; Schörger et al. 2013). Zugleich erwarten neue Mitarbeitende zunehmend digitale und personalisierte Onboardingprozesse (Jeske und Olson 2021), wobei jüngere Generationen digitale Tools als besonders wichtig erachten (Depura und Garg 2012). Solche Tools können das Kennenlernen der Unternehmenskultur, der eigenen Rolle und von Prozessen erleichtern (Chillakuri 2020). Obwohl digitale Tools im Onboarding zunehmend genutzt werden, gibt es wenig Forschung zur anforderungsgeleiteten Entwicklung und Evaluation solcher Tools. Es gibt wenig Studien zu den Anforderungen von Unternehmen an digitale Onboarding-Tools sowie zu deren Nutzung und Auswirkungen (Jeske und Olson 2021). Dieser Artikel adressiert diese Forschungslücken, indem er die Entwicklung und Evaluation eines digitalen Tools, des „Prozesslotsen“, zur Unterstützung von Pre- und Onboardingprozessen vorstellt. Der erste Teil des Artikels analysiert die Bedarfe von Organisationen anhand einer Anforderungsanalyse. Der zweite Teil untersucht die Nutzung und deren Folgen in zwei Fallstudien. Qualitative Interviews mit Onboardees liefern zentrale Einblicke in die Evaluation und die wahrgenommenen Folgen.
Der Artikel leistet sowohl theoretische als auch praktische Beiträge. Er schließt eine zentrale Forschungslücke, indem er Anforderungen an digitale Tools sowie deren Nutzung und die Folgen systematisch untersucht. Basierend auf dem 4C-Modell des Onboardings werden die genutzten Elemente des Prozesslotsen beschrieben. Zudem werden Kategorien entwickelt, die die Evaluation und Folgen der Nutzung digitaler Onboarding-Tools beschreiben. Praktische Implikationen umfassen die Potenziale des digitalen Tools, wie die strukturierte Begleitung von Onboarding-Prozessen und die Ressourcenschonung. Gleichzeitig werden Grenzen, wie der initiale Aufwand beim Aufsetzen der Inhalte, aufgezeigt. Damit bietet der Artikel wertvolle Einblicke in die Möglichkeiten und Herausforderungen der digitalen Gestaltung von Onboarding-Prozessen.
Basierend auf den wissenschaftlichen Modellen und der Literatur zum Thema Onboarding und den verschiedenen Dimensionen, die im Onboarding abgedeckt werden sollten (siehe Kap. 1), wurde ein erstes Grobkonzept eines digitalen Begleit-Tools entworfen, welches sowohl Onboardees als auch involvierte Personen begleiten kann und sowohl administrative als auch fachliche, soziale und soweit möglich kulturelle Elemente aussteuern kann. Außerdem wurde in der Konzipierung des Tools ein entwicklungsorientierter Evaluationsansatz (Kauffeld und Paulsen 2018) für die digitale Begleitung von Onboardingprozessen in den Fokus gerückt, der zu diesem Zeitpunkt beim Thema Onboarding und digitaler Onboardingtools auf dem Markt unbeachtet blieb. Der entwicklungsorientierte Evaluationsansatz verspricht eine hilfreiche Unterstützung für die Gestaltung von Trainings- und Lernprozessen zu bieten. Er umfasst die Erhebung relevanter psychologischer Faktoren, das Einbinden von Reflexionsfragen, um das Bewusstsein für persönliche Erfolge und Entwicklungsbereiche zu fördern, sowie praxisorientierte Transferaufgaben für den Arbeitsalltag. Eine gezielte, entwicklungsorientierte Rückmeldung rundet diesen Ansatz ab und soll den Lern- und Entwicklungsprozess im Sinne der Nachhaltigkeit stärken (Kauffeld 2016; Kauffeld und Paulsen 2018). Um darüber hinaus die erfolgskritischen Aspekte für die tatsächlich anwendenden Personen zu identifizieren, die in der Konzeption eines digitalen Tools zum Onboarding zu berücksichtigen sind, wurde im Rahmen des Projekts IDboard1 (vgl. Sander et al. 2023) eine Anforderungsanalyse mit den im Projekt teilnehmenden Anwendungspartnerunternehmen in Form von individuellen Interviews durchgeführt. Die Analyse und Gegenüberstellung der Erkenntnisse aus der Literatur mit den Anforderungen der interviewten Unternehmen lieferte wichtige Hinweise für die Konzeption des digitalen Onboarding-Tools. In der Literatur wird beispielsweise die Bedeutung von Informationskanälen, Wissensaustausch und Interaktionsmöglichkeiten betont, um die Kompetenzentwicklung von Onboardees zu fördern (Broeck et al. 2016; Brødsjø et al. 2023; Cheikh-Ammar et al. 2024). Die Unternehmen nannten hier im Konkreten den Bedarf nach einer differenzierten Zugriffssteuerung. Dies umfasst spezielle Rollen wie Onboardees, Führungskräfte, die IT-Abteilung sowie externe Akteure, ergänzt durch eine feingranulare Rechteverwaltung, um die spezifischen Aufgaben im Onboardingprozess effizient zu gestalten. In der Literatur wird zudem beschrieben, dass automatisierte Prozesse die HR-Abteilungen entlasten und konsistente Onboarding-Abläufe sicherstellen können (Sambare et al. 2022; Frederich 2019). Die Unternehmen wünschten sich konkrete Funktionen, die Inhalte zeitgesteuert und automatisiert freischalten, beispielsweise bereits vor dem Arbeitsbeginn der Onboardees, sowie eine flexible Unterstützung verschiedener Medienformate. Dazu gehören Videos, PDFs, Links sowie interaktive Inhalte. Zudem sollte es den Nutzenden möglich sein, eigene bzw. ausgefüllte Dokumente hochzuladen. In Bezug auf Feedback und (entwicklungsorientierte) Evaluation helfen interaktive Schulungen, Quiz und Feedback-Mechanismen den Onboardees, ihre Fähigkeiten zu evaluieren und in ihrer neuen Rolle sicherer zu agieren (Broeck et al. 2016). Die Unternehmen nannten ähnliche Ansätze: Inhalte sollen Feedback-Möglichkeiten bieten, wissenschaftliche Befragungen und Quizfunktionen sollen zudem eine Selbstüberprüfung und Reflexion der Onboardees ermöglichen. Ein erfolgreicher Onboardingprozess sollte außerdem zielgruppenspezifisch maßgeschneidert sein und die spezifischen Bedürfnisse der Onboardees berücksichtigen sowie die Onboardees selbst aktiv einbeziehen (Becker und Bish 2021; Orosa 2023). Auch die anwendenden Unternehmen betonten die Notwendigkeit zielgruppenspezifischer Prozessvorlagen, die auch nachträglich anpassbar sind. Funktionen wie Notizen, Zielsetzung, Fortschrittsanzeigen sowie Favoritenmarkierungen erhöhen die Nutzerfreundlichkeit. Ebenso wurden Filter- und Suchfunktionen sowie eine intuitive Navigation als essenziell angesehen.
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Eine detailliertere Auflistung der in den Interviews genannten Anforderungen der IDboard1-Unternehmen und die konkrete Umsetzung im Tool kann Tab. 1 im Anhang entnommen werden und ist bereits um die späteren Feedbacks der Anwendenden im Projekt Onboarding@Nordostniedersachsen2 ergänzt. Die Tabelle zeigt die durch die Anwendungspartner der beiden Projekte genannten Anforderungen geclustert nach unterschiedlichen Konzeptaspekten, die sich in der Entwicklung von digitalen Tools als relevant erwiesen haben und bei den Interviews als thematische Blöcke dienten, sowie die derzeitige Umsetzung im Tool.
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich die in der Literatur beschriebenen Anforderungen und die Bedarfe der Praxis weitgehend decken. Diese Anforderungen wurden systematisch zusammengeführt (siehe Tab. 1) und konnten weitestgehend bei der Konzeption des Tools berücksichtigt werden. Der Prozesslotse wurde somit gezielt auf die Bedarfe tatsächlicher Anwendender in Organisationen zugeschnitten und bietet eine Vielzahl von Funktionen für die digitale Begleitung von Onboardingprozessen. Dabei können sowohl die Onboardees als auch involvierte Personen begleitet werden. Die zielgruppenspezifische Gestaltung, zweckmäßige Einstellungen und eine effektive Verzahnung von Präsenz- und Digitalelementen sind entscheidende Faktoren für eine erfolgreiche Implementierung des Tools (vgl. Orosa 2023).
Im Anschluss an die Anforderungsanalyse und Entwicklung des Prozesslotsen wurde in zwei Fallbeispielen die Nutzung und Evaluation des Tools analysiert. Die beiden Fallbeispiele stammen aus den Projekten „Onboarding@Nordostniedersachen“2 und „(Re)Shape Automotive Industry: Reskilling und Upskilling“3. Die Methode des Fallbeispiels ermöglicht eine ganzheitliche Untersuchung relevanter Kontexte und bietet Raum für Flexibilität und tiefgehende Analysen (Hussy et al. 2013). Im Rahmen der Fallbeispiele wurden Interviews mit Onboardees geführt, die den Prozesslotsen für das Pre- und Onboarding nutzen. Mit Hilfe der Interviews sollen folgende Fragestellungen beantwortet werden: Für welche Pre- und Onboarding-Elemente wird der Prozesslotse genutzt? Wie wird der Prozesslotse zur Begleitung von Pre- und Onboardingprozessen bewertet? Welche Folgen durch die Nutzung und Herausforderungen berichten die Teilnehmenden?
Das erste Fallbeispiel ist ein mittelständisches Unternehmen der chemischen Industrie, das den Prozesslotsen für das Pre- und Onboarding von Auszubildenden und Jahrespraktikant:innen einsetzte. Das Unternehmen beschäftigt rund 120 Mitarbeitende und bietet jährlich sechs Ausbildungsplätze an. Die Interviews wurden mit einem Auszubildenden zum Fachlageristen, einem Auszubildenden zum Industriekaufmann und einem Jahrespraktikanten etwa drei Monate nach Beginn ihrer Tätigkeit geführt. Die Teilnehmenden (MW = 22 Jahre, SD = 2,52 Jahre) waren alle männlich. Die Stichprobenbeschreibung findet sich im Anhang in Tab. 2.
Das zweite Fallbeispiel bezieht sich auf ein Institut einer Universität mit rund 30 Mitarbeitenden. Aufgrund der Vielzahl an Doktorand:innen gibt es dort regelmäßig neue Mitarbeitende, die ein Onboarding durchlaufen. Bereits vor der Einführung des Prozesslotsen bestand ein strukturierter Onboardingprozess, der Elemente wie ein Pat:innen-System, Gesprächsabfolgen mit der Führungskraft und weiteren Funktionsträger:innen sowie die Bereitstellung relevanter Informationen in einem umfangreichen Handbuch umfasste. Analog zum ersten Fallbeispiel wurden Interviews mit vier wissenschaftlichen Mitarbeitenden geführt, drei Frauen und einem Mann, die zwischen sechs und 15 Monaten im Institut tätig waren (MW = 26,75 Jahre, SD = 2,98 Jahre). Die Stichprobenbeschreibung findet sich im Anhang in Tab. 2.
Die Interviews umfassten demografische Angaben, den Pre- und Onboarding-Prozess sowie die Evaluation der Nutzung des Prozesslotsen. Sie wurden im Zeitraum von Januar 2024 bis Juli 2024 online über die Plattform BigBlueButton (invokable GmbH) durchgeführt, aufgezeichnet, transkribiert und in MAXQDA zur Auswertung übertragen. Die Analyse erfolgte mithilfe der qualitativen Inhaltsanalyse, wobei eine Kombination aus deduktivem und induktivem Kodieren angewendet wurde (Mayring 2021). In Übereinstimmung mit den Forschungsfragen wurde ein Kodierschema entwickelt, dessen deduktive Kategorien auf Basis bestehender Literatur zum Onboarding und zur Nutzung digitaler Tools abgeleitet wurden. Für Pre- und Onboarding wurden die deduktiven Codes anhand der Dimensionen des 4C-Modells (Bauer 2010; Gerhardt et al. 2022) erstellt (administrativ, fachlich, sozial und kulturell). Für die Bewertung des Tools basierten die deduktiven Kategorien auf identifizierten Kategorien in verschiedenen Studien. Da es bisher kein einheitliches Framework zur Nutzung und Evaluation von digitalen Onboarding-Tools gibt, wurde ein neues Framework mit deduktiv identifizierten und induktiv ergänzten Kategorien entwickelt, das Funktionen des Prozesslotsen sowie Folgen der Nutzung beinhaltete. Dieser Ansatz ermöglichte eine umfassendere Analyse der Inhalte und berücksichtigte spezifische Themen, die sich im Verlauf der Analyse zeigten (Steigleder 2008). Zwei Forschende identifizierten die deduktiven Codes unabhängig voneinander und konsolidierten diese in gemeinsamen Sitzungen. Anschließend wurden die Transkripte systematisch analysiert, um die Kategorien zu ergänzen (Fisher und Aguinis 2017). Die induktiven Kategorien wurden iterativ in Kodiersitzungen entwickelt (Rädiker und Kuckartz 2019). Nach Fertigstellung des Kodierschemas wurden zwei Transkripte gegencodiert, um das Schema zu validieren. Die Kodierungen wurden verglichen, etwaige Abweichungen wurden in einer Sitzung besprochen und geklärt. Das Kodiersystem findet sich im Anhang in Tab. 3.
Die Interviews zeigen, dass der Prozesslotse sowohl im Pre- als auch im Onboarding von den Teilnehmenden genutzt wurde, um den Einstieg in die Organisation zu erleichtern. Im ersten Fallbeispiel wurde der Prozesslotse im Pre-Boarding vor allem für administrative und fachliche Themen eingesetzt, während im Onboarding beide Fallbeispiele alle Dimensionen des 4C-Modells adressierten. Insgesamt zeigen die Ergebnisse, dass der Prozesslotse gezielt zur Strukturierung und Unterstützung administrativer, fachlicher, sozialer und kultureller Aspekte eingesetzt werden kann, wobei der Schwerpunkt je nach Phase und Organisation variiert.
Im Pre-Boarding unterstützte der Prozesslotse die Vermittlung erster Informationen. Dabei lag der Schwerpunkt auf administrativen und fachlichen Aspekten, während soziale und kulturelle Aspekte in dieser Phase nicht erwähnt wurden. Die Interviews zeigen, dass der Prozesslotse im administrativen Bereich genutzt wurde, um vor Arbeitsbeginn eine klare Übersicht über das bevorstehende Onboarding und wichtige Termine bereitzustellen. Zusätzlich bot das Tool die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Inhalte zu kommentieren. Eine Teilnehmende erklärte: „Ich hab’ am Anfang dann reingeguckt und mal eine Frage gestellt.“ (P2). Diese interaktiven Funktionen erleichterten den Zugang zu relevanten Informationen und schufen eine Plattform für die Kommunikation mit der Organisation.
Im fachlichen Bereich vermittelte der Prozesslotse Informationen über das Unternehmen und den Ablauf des Onboardings. Besonders hilfreich war die Bereitstellung von Schulungsterminen und Plänen zur Ausbildung. Ein Teilnehmender betonte, dass das Tool bei der Strukturierung von Terminen hilfreich war: „Ich hab’ ihn wie einen Terminkalender genutzt, weil alle Infos und Termine drin standen zu Schulungen und so.“ (P1). Ein weiteres wichtiges Element war ein Rahmenplan, der die gesamte Ausbildungszeit übersichtlich im Prozesslotsen darstellte. Dadurch konnten die Onboardees wichtige Meilensteine frühzeitig nachvollziehen, was das Vertrauen stärkte und Unsicherheiten verringerte: „Da war wirklich so ein Rahmenplan, wie wir eingearbeitet werden und alles und was vor einem liegt in der Ausbildung.“ (P3).
Die Teilnehmenden berichteten, dass der Prozesslotse im Onboarding für alle Dimensionen (administrativ, fachlich, sozial und kulturell) eine umfassende Unterstützung bietet. Besonders im zweiten Fallbeispiel, dem Institut einer Universität, wurde der Prozesslotse intensiv eingesetzt, um die verschiedenen Dimensionen des Onboardings abzudecken.
Im administrativen Bereich unterstützte der Prozesslotse wie im Pre-Boarding durch die Bereitstellung allgemeiner Informationen zum Onboarding und der Klärung organisatorischer Aufgaben. Dazu gehörten unter anderem Informationen zu IT-Zugängen, Nutzung interner Kommunikationsplattformen und Details zu relevanten Ansprechpartner:innen: „Also organisatorisch, sowas wie die IT, da gab es immer Infos im Prozesslotsen.“ (P7). Dies erleichterte den Einstieg und förderte eine schnelle Integration in organisatorische Abläufe, wodurch Unsicherheiten reduziert wurden.
Fachlich bot der Prozesslotse Einblicke in Aufgabenbereiche und Projekte, wie eine Teilnehmende berichtete: „…weil auch so fachliche Sachen und zum Projekt oder so dargestellt wurden.“ (P5). Die Möglichkeit, Termine und Verantwortlichkeiten im Tool einzusehen, half, Unsicherheiten abzubauen und Klarheit über die individuellen Rollen zu schaffen.
Auch die soziale Dimension wurde durch den Prozesslotsen unterstützt. Das Tool erinnerte die Onboardees daran, Termine mit Pat:innen oder Kolleg:innen zu vereinbaren und stellte Informationen über wichtige Kontakte bereit: „Also dazu (Anmerkung: Ansprechpartner:innen) hat mir meine Patin was dazu erzählt, das war auch eine Info aus dem Tool“ (P6). Diese Funktionen erleichtern das Knüpfen von Kontakten und das Kennenlernen des Teams. Dies kann das Zugehörigkeitsgefühl stärken und dadurch die soziale Integration verbessern.
Im kulturellen Bereich trug der Prozesslotse dazu bei, die Unternehmenskultur und Werte des Teams zu vermitteln. Informationen zur Zusammenarbeit sowie zu teaminternen Normen und Werten halfen den Onboardees, sich schneller mit Gepflogenheiten und dem „Teamspirit“ vertraut zu machen: „Es ging auch mal um den Teamspirit, also Werte und Normen.“ (P5). Dadurch können Verhaltensweisen und Erwartungen besser eingeschätzt werden und die Zusammenarbeit erleichtert werden.
Die Interviews thematisierten auch die Funktionen, Folgen der Nutzung sowie die Bewertung des Prozesslotsen. Die Bewertungskategorien wurden deduktiv aus bestehenden Studien generiert und induktiv erweitert, da bisher kein umfassendes Framework zur Bewertung von Onboarding-Tools wie dem Prozesslotsen existiert. Identifizierte Funktionen umfassen die zentrale Informationsplattform (Brødsjø et al. 2023), die Standardisierung von Prozessen (Sambare et al. 2022), die chronologische Darstellung der Inhalte (Bruns und Kowald 2023) sowie die visuelle Gestaltung und das responsive Design (Depura und Garg 2012). Die resultierenden Folgen sowie Herausforderungen bei der Nutzung werden im Folgenden beschrieben.
Eine relevante Funktion des Prozesslotsen ist die Bereitstellung als zentrale Informationsplattform, die alle wichtigen Inhalte für das Onboarding bündelt. Die Teilnehmenden berichteten, dass diese zentrale Informationsbereitstellung den Zugang zu Ressourcen erleichtert und die Inhalte übersichtlicher macht: „…und das war viel strukturierter und besser in der Übersicht, wodurch ich das Gefühl hatte, dass das Ganze geordneter ist, weil alle Infos da waren“ (P4). Die schrittweise Bereitstellung der Inhalte trägt zur Übersichtlichkeit bei und unterstützt die Nutzenden dabei, relevante Informationen schnell zu erfassen: „… dass man schnell einen Überblick bekommt.“ (P6). Eine wichtige Folge dieser Funktion ist die Vermeidung von Informationsüberflutung. Die sequenzielle Darstellung der Inhalte hilft, die mentale Belastung zu reduzieren, da die Informationen klar strukturiert und gezielt bereitgestellt werden: „Und die Abnahme von mental load. Also nicht die ganze Zeit alles im Kopf haben zu müssen.“ (P6). Durch die strukturierte Informationsbereitstellung wird Überforderung vermieden, während ein geordneter und verständlicher Zugang zu den relevanten Onboarding-Materialien ermöglicht wird.
Die zweite identifizierte Kategorie, Standardisierung von Prozessen, zeigt, dass der Prozesslotse Onboarding-Prozesse durch klare Strukturen und standardisierte Inhalte unterstützt. Diese Standardisierung gewährleistet einen gut organisierten und nachvollziehbaren Onboarding-Prozess, bei dem die Bearbeitung der Themen und Aufgaben verbindlich gestaltet wird: „wichtig, auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen, um Prozesse zu standardisieren…“ (P5). Eine zentrale Folge dieser Standardisierung ist die Sicherstellung eines einheitlichen Wissensstands aller Mitarbeitenden nach Abschluss des Onboardings: „… dass man einfach weiß, alle sind abgeholt, dafür hilft so ein Prozesslotse ungemein… dass der Mitarbeiter halt auch auf einem gewissen Level ist.“ (P5). Zudem ermöglicht die Standardisierung eine größere Unabhängigkeit von Kolleg:innen: „…dass man auch unabhängig von den Kollegen agieren kann.“ (P7). Informationen müssen nicht wiederholt angefragt werden, da sie im Prozesslotsen leicht zugänglich sind. Dies spart Zeit und schont die Ressourcen der Mitarbeitenden, was von den Teilnehmenden als positiv hervorgehoben wurde: „Und das finde ich wichtig, auf technische Hilfsmittel zurückzugreifen, (…), dass auch Ressourcen geschont werden von Mitarbeitenden“ (P5).
Ein weiterer zentraler Aspekt ist die chronologische Darstellung der Inhalte, die den Prozesslotsen besonders benutzerfreundlich macht. Der Prozesslotse führt die Nutzenden Schritt für Schritt durch den Onboarding-Prozess, bietet klare Orientierung und vermeidet Überforderung: „Es war einfach zu verstehen, da es chronologisch aufgebaut ist.“ (P7). Gleichzeitig ermöglicht die transparente Übersicht über den eigenen Fortschritt eine bessere Selbstorganisation und steigert als Folge die Motivation: „Also dass man Erfolgserlebnisse hat und auch einen guten Überblick, was man sich schon angeschaut hat und was nicht.“ (P6). Neben der chronologischen Darstellung bietet der Prozesslotse zeitliche Flexibilität, indem Nutzende selbst entscheiden können, wann sie die bereitgestellten Inhalte bearbeiten. Diese Möglichkeit, Informationen auch zu späteren Zeitpunkten aufzurufen, erlaubt eine Anpassung des Onboardings an den individuellen Arbeitsalltag: „Dadurch hat man ja selber auch so ein bisschen die Flexibilität, wie man sein Onboarding gestaltet.“ (P4). So vereint der Prozesslotse strukturierte Inhalte mit der Anpassungsfähigkeit an die unterschiedlichen Bedürfnisse neuer Mitarbeitender.
Ein weiteres identifiziertes Thema ist die visuelle Gestaltung des Prozesslotsen, die von den Teilnehmenden als klar, modern und professionell wahrgenommen wurde. Die konsistente Verwendung von Farben, Schriftarten und Symbolen schafft ein kohärentes Erscheinungsbild, das die Orientierung erleichtert und die Plattform übersichtlich gestaltet: „Es sieht schick aus. Also hübsch designet auf jeden Fall. Auch einheitlich. Das hat einen guten Eindruck gemacht.“ (P1). Das durchdachte Design ermöglicht eine einfache Navigation und erleichtert den Zugriff auf benötigte Inhalte: „Ich fand das Interface gut und nutzerfreundlich. Es war einfach zu verstehen“ (P3). Diese intuitive Bedienbarkeit wird durch Funktionen wie eine Suchleiste, Abhak-Optionen und automatische Erinnerungsmails unterstützt. Diese Features fördern die Benutzerfreundlichkeit und helfen den Nutzenden, den Überblick zu behalten und selbstständig voranzukommen: „Also den Umgang damit fand ich eigentlich selbsterklärend und benutzerfreundlich.“ (P2).
Besonders positiv wurde auch das responsive Design bewertet. Die Plattform passt sich flexibel an verschiedene Endgeräte wie Laptop oder Smartphone an: „Ich hab es am Anfang viel am Handy gemacht, das ging auch gut.“ (P2). Diese Flexibilität ermöglicht den Zugang zu den Inhalten unabhängig vom Arbeitsplatz oder der technischen Ausstattung und erlaubt den Nutzenden, das bevorzugte Gerät zu wählen. Dadurch wird der Prozesslotse nahtlos in den Arbeitsalltag integriert und erleichtert die Nutzung.
Im Zuge der Bewertung wurden auch Herausforderungen bei der Nutzung des Prozesslotsen erfragt. Ein Problem war die doppelte Bereitstellung von Informationen, wenn Inhalte sowohl im Prozesslotsen als auch in anderen Medien (z. B. analoge Listen) verfügbar waren: „die waren bei uns noch woanders eingetragen, dann hab’ ich eher da geguckt“ (P1). Ein weiteres Hindernis war der eingeschränkte Zugang zu Endgeräten. Nutzende, die nicht regelmäßig Zugang zu einem Computer hatten, fanden es schwieriger, den Prozesslotsen effektiv zu nutzen: „Andererseits bin ich halt auch momentan nicht oft am Platz oder am Computer und dann vergesse ich es halt.“ (P3). Zudem war es für einige Nutzende herausfordernd, das Onboarding und die Nutzung des Prozesslotsen zu priorisieren. Aufgrund zahlreicher Aufgaben und schnell eintretender Arbeitsbelastung wurde der Prozesslotse teils als nachrangig wahrgenommen: „…ist das jetzt gerade so wichtig, dass ich es mir angucke? Oder kümmere ich mich jetzt um das Tagesgeschäft.“ (P4).
Digitale Ressourcen spielen eine zentrale Rolle in Prozessen wie dem Onboarding, da sie den Zugang zu Informationen erleichtern, Struktur schaffen und Feedback ermöglichen (Moser et al. 2018; Kortsch et al. 2024). Der Prozesslotse, ein digitales Tool zur Unterstützung von Prozessen wie dem Pre- und Onboarding, konnte diese Prozesse in Organisationen erfolgreich unterstützen. Bereits vor Arbeitsbeginn bot er einen Überblick über die Organisation und den Onboarding-Ablauf und stellte damit eine sinnvolle digitale Unterstützung dar. Die Anforderungsanalyse zeigte, welche Erwartungen Organisationen an ein Onboarding-Tool stellen und der Artikel stellt dar, wie diese umgesetzt wurden. Insbesondere die Bereitstellung eines klaren Überblicks über Aufgaben und Verantwortlichkeiten für Onboardees und Beteiligte wurde hervorgehoben. Die Ergebnisse zeigen auch, dass eine unterstützende Einführung sowie persönliche Interaktionen insbesondere für die soziale Integration essenziell bleiben (Sani et al. 2022). Der Prozesslotse konnte sowohl die fachliche und administrative Dimension des Onboardings abdecken, ermöglichte jedoch auch Ergänzungen durch persönliche Gespräche, um soziale und kulturelle Aspekte wirksam zu fördern.
Die Ergebnisse verdeutlichen, dass der Prozesslotse im Pre-Boarding vorrangig für administrative und fachliche Themen genutzt wurde, während im Onboarding alle Dimensionen abgedeckt werden (Bauer 2010; Gerhardt et al. 2022). Generell hängt die Nutzung von digitalen Tools allerdings von der Kapazität und dem Können der Nutzenden ab (Jin et al. 2023). Im Pre-Boarding wurde das Tool insbesondere für Auszubildende eingesetzt, die meist noch keine Berufserfahrung haben und gerade erst in das Berufsleben starten (Armutat 2021; Schörger et al. 2013). Für diese Gruppe könnte die gezielte Bereitstellung relevanter Informationen Überforderungen vermeiden. Im Onboarding wurde der Prozesslotse vor allem von den Onboardees des Instituts genutzt, dabei für alle Dimensionen des Onboardings. Beide Gruppen bewerteten die Nutzung des Tools sowie die resultierenden Effekte durchweg positiv. Ein zentraler Erfolgsfaktor war die Kombination aus digitalen Funktionen und persönlicher Begleitung. Im Prozesslotsen waren Aufforderungen und Aufgaben zum persönlichen Kontakt verankert, was die gezielte Interaktionen fördert, die in der Forschung als entscheidend für die soziale Integration neuer Mitarbeitender gelten (Sani et al. 2022). Diese Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung eines hybriden Ansatzes, bei dem digitale Tools durch persönliche Maßnahmen ergänzt werden.
Die Zielgruppe umfasst unter anderem KMU und Abteilungen, die mehrmals jährlich wiederkehrende Onboardingprozesse durchlaufen und noch keine digitalen Tools nutzen. Besonders für Unternehmen ohne umfangreiche Personalabteilungen oder psychologische Expertise bietet der Prozesslotse durch seinen psychologischen Support und anpassbare Vorlagen Zugang zu fundiertem Onboardingwissen. Auch größere Organisationen können von den Vorteilen profitieren, etwa durch das einmalige Aufsetzen von Inhalten, die für unterschiedliche Zielgruppen angepasst und standardisiert werden können. Dadurch lassen sich Ressourcen schonen, während Inhalte modular und spezifisch für verschiedene Onboardee-Gruppen bereitgestellt werden (z. B. administrative Module für alle, fachliche Module je nach Bedarf). Zusätzlich können weitere Beteiligte, wie Pat:innen oder HR-Mitarbeitende, aktiv in den Onboarding-Prozess eingebunden werden. Funktionen wie automatische Erinnerungen helfen, die mentale Belastung aller Beteiligten zu reduzieren, während die Kommentarfunktion einen Dialog zwischen Organisation und Onboardees ermöglicht. So wurde im ersten Fallbeispiel (KMU) im Pre-Boarding bereits ein Austausch angeregt, indem Onboardees Fragen zu bereitgestellten Informationen stellten, was ihre Unsicherheiten reduzierte (Petrilli et al. 2022).
Die Flexibilität des Prozesslotsen erlaubt zudem eine Vielzahl weiterer Anwendungsmöglichkeiten. Wie die Fallbeispiele zeigen, kann das Tool gezielt für Onboardee-Gruppen mit geringer Berufserfahrung, wie berufseinsteigende Auszubildende oder wissenschaftliche Mitarbeitende, eingesetzt werden. Darüber hinaus bieten sich weitere Zielgruppen wie Mitarbeitende in Führungsaufgaben oder ausländische Fachkräfte an. Letztere stehen oft vor zusätzlichen Herausforderungen, wie Sprachbarrieren oder der Anerkennung beruflicher Qualifikationen (Wehrle et al. 2018). Der Prozesslotse kann hier durch spezifische Inhalte und die Integration von Stakeholdern wie Arbeitsagenturen Unterstützung bieten. Eine Erweiterung des Tools zur Förderung der gesellschaftlichen Integration, etwa durch Zusammenarbeit mit Welcome-Centern, ist ebenfalls denkbar (Paulsen et al. 2016).
Darüber hinaus eignet sich der Prozesslotse auch für den Einsatz in Lernprozessen. Funktionen wie das modulare Ausspielen von Inhalten zu definierten Zeitpunkten können Überforderung und Informationsflut vermeiden. Reflexionsfragen und Fragebögen ermöglichen eine gezielte Evaluierung des Gelernten und unterstützen eine kontinuierliche Lernbegleitung. Diese Funktionen sind insbesondere im Rahmen von Weiterbildungen hilfreich, wie das Beispiel des Weiterbildungsformats VeränderungsMacher zeigt, das durch den Prozesslotsen digital unterstützt und evaluiert wird (Berg et al. 2023; Kauffeld und Berg 2022).
Die Projektbegleitung und Organisationsberatung haben wertvolle Erkenntnisse zur Einführung des Prozesslotsen geliefert. Ein zentraler Aspekt ist der anfängliche Aufwand beim Aufsetzen der Inhalte, der als herausfordernd wahrgenommen wurde – ein häufiges Merkmal bei der Einführung neuer Onboarding-Prozesse (Jeske und Olson 2021). Während der technische Aufwand gering ist, da das Tool über einen Browser läuft, erfordert die initiale Eingabe der Inhalte Zeit. Je besser ein Onboarding-Prozess bereits strukturiert ist, desto leichter lassen sich Inhalte integrieren. Bei wenig strukturierten Prozessen kann das Tool jedoch helfen, Grundlagen zu schaffen und Prozesse effizienter zu gestalten. Besonders Organisationen mit regelmäßigen oder vielen neuen Mitarbeitenden profitieren von einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz.
Der Prozesslotse bietet außerdem das Potenzial, individuelle Lernpfade von Onboardees und anderen Beteiligten, wie Buddies oder Führungskräften, noch stärker entwicklungsorientiert zu begleiten. Reflexionsfragen, Transferaufgaben und eine kontinuierliche Erhebung von (im Onboarding) relevanten Erfolgsfaktoren bieten die Chance, das Gelernte in den Alltag zu transferieren, sich dem aktuellen Status-quo sowie dem (durch das Onboarding) angestrebten Soll-Zustand bewusst zu werden und proaktiv Lücken zu schließen. Beim Aufsetzen solcher entwicklungsunterstützenden Inhalte bedarf es psychologisch fundierter Expertise, welche durch den Support sowie die entstandenen Mustervorlagen im Prozesslotsen durch das Projekt Onboarding@Nordostniedersachsen2 abgedeckt werden kann.
Ein weiteres Ergebnis der Projektbegleitung ist die Bedeutung der Einbindung aller Beteiligten, einschließlich indirekt Beteiligter wie Geschäftsführungen. Führungskräfte spielen eine Schlüsselrolle, da ihre Vorbildfunktion die Akzeptanz des digitalen Onboardings deutlich stärkt (Röltgen et al. 2020). Auch die Anforderungsanalyse bestätigte, dass Unternehmen eine umfassende Einbeziehung aller Beteiligten im Tool wünschen (siehe Tab. 1, Rollen- und Nutzermanagement). Da Onboarding-Prozesse zeitintensiv sind und Zeit oft knapp ist, kann der Prozesslotse durch seine Funktionen die Ressourcenschonung und mentale Entlastung der Beteiligten unterstützen. Gleichzeitig erhöht die Einbindung von Führungskräften die wahrgenommene Relevanz und Priorität des Onboardings, was die Umsetzung erleichtert.
Dennoch wurden in der Projektbegleitung auch Grenzen des Tools deutlich. Der Prozesslotse ist nicht darauf ausgelegt, einen rein digitalen Onboarding-Prozess zu schaffen, sondern unterstützt vielmehr eine hybride Begleitung. Persönliche Interaktionen, wie das Kennenlernen und der Austausch mit Kolleg:innen, bleiben unverzichtbar, um soziale Eingebundenheit zu fördern (Sani et al. 2022). Der Prozesslotse kann diesen Prozess erleichtern, indem er Inhalte wie Erinnerungen an Kennenlern-Termine bereitstellt, ersetzt jedoch nicht den direkten menschlichen Kontakt. Darüber hinaus erfordert die Nutzung des Prozesslotsen eine gewisse digitale Reife der Organisation und eine entsprechende Bereitschaft der Beteiligten. Dank seines responsiven Designs kann das Tool jedoch flexibel auf verschiedenen Endgeräten genutzt werden, was die Barriere für den Einsatz senkt. Die Interviews zeigten ebenfalls, dass die intuitive und einfache Bedienung sowie das responsive Design von den Nutzenden positiv wahrgenommen wurde.
Praktisch betrachtet zeigt der Artikel, welche Anforderungen Organisationen an digitale Onboarding-Tools stellen, wie beispielsweise ein umfassendes Rollen- und Nutzermanagement. Die Fallbeispiele verdeutlichen, wie digitale Tools zentrale Informationsbereitstellung, strukturierte Begleitung und Ressourcenschonung ermöglichen. Außerdem wird aufgezeigt, wie digitale Tools alle Dimensionen des Onboardings – administrativ, fachlich, sozial und kulturell – adressieren können (Bauer 2010; Gerhardt et al. 2022). Die Ergebnisse zeigen, dass digitale Tools zur Standardisierung und Automatisierung von Prozessen beitragen, was Zeit und Aufwand für Beteiligte wie HR-Abteilungen oder Führungskräfte reduziert (Depura und Garg 2012). Sie ermöglichen eine Modularisierung und Individualisierung von Onboarding-Prozessen und bieten dadurch Flexibilität. Gleichzeitig thematisiert der Artikel die Grenzen solcher Tools: Der initiale Aufwand zur Erstellung der Inhalte stellt eine Herausforderung dar (Jeske und Olson 2021). Diese differenzierte Betrachtung bietet ein realistisches Bild der Chancen und Herausforderungen digitaler Unterstützung im Onboarding. Damit liefert der Artikel praxisorientierte Einblicke, wie digitale Lösungen nicht nur die Effizienz und Qualität von Onboarding-Prozessen steigern, sondern auch die Integration neuer Mitarbeitender unterstützen können (Jeske und Olson 2021; Mitschelen et al. subm.).
Die Studie liefert zudem theoretische Implikationen. Der Artikel erweitert die Forschung zum Onboarding um die Entwicklung und Anwendung und Folgen digitaler Tools und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Schließung einer bestehenden Forschungslücke (Bauer et al. 2007; Schilling et al. 2022). Der Artikel verbindet die theoretischen Dimensionen des 4C-Modells (Bauer 2010; Gerhardt et al. 2022) mit ihrer praktischen Umsetzung und zeigt, wie digitale Tools die Umsetzung der Dimensionen ermöglichen. Ergänzend entwickelt der Artikel Bewertungskategorien für digitale Onboarding-Tools, die eine differenzierte Analyse und Evaluation ermöglichen. Diese basieren auf bestehenden Ansätzen zur digitalen Tools im Onboarding (vgl. Brødsjø et al. 2023; Bruns und Kowald 2023; Depura und Garg 2012; Sambare et al. 2022) und wurden spezifisch für den Prozesslotsen erweitert. Somit leistet der Artikel einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der Forschung zu digitalen Tools im Onboarding und deren Evaluation.
Trotz der Stärken und der großen Relevanz des Artikels für Praxis und Forschung gibt es Limitationen, die berücksichtigt werden sollten, sowie Vorschläge für zukünftige Forschung. Eine Limitation ist die geringe Stichprobengröße der Interviews in den Fallbeispielen, wodurch die Transferierbarkeit der Ergebnisse eingeschränkt sein könnte. Zudem wurden ausschließlich querschnittliche Daten erhoben, was keine Beobachtung von Entwicklungen im Zeitverlauf erlaubt. Die einmalige Erhebung könnte insbesondere bei retrospektiven und selbstberichteten Daten die Zuverlässigkeit der Ergebnisse beeinflussen (Margaryan et al. 2013). Dennoch waren qualitative Methoden angesichts des frühen Forschungsstands und der explorativen Fragestellungen angemessen, um Einblicke in die Wahrnehmung und Bewertung des Tools zu gewinnen. Zukünftige Studien könnten quantitative, experimentelle oder längsschnittliche Designs einsetzen, um kausale Zusammenhänge und zeitliche Veränderungen systematischer zu untersuchen (Mitschelen et al. subm.; Schilling et al. 2022). Besonders eine längsschnittliche Erhebung könnte weitere Erkenntnisse über die längerfristigen Folgen der Nutzung liefern.
Darüber hinaus wurden die Interviews ausschließlich mit deutschsprachigen Onboardees geführt, was die Übertragbarkeit der Ergebnisse auf andere kulturelle Kontexte einschränkt. Kulturelle Unterschiede in Onboarding-Praktiken könnten die Anwendbarkeit der Erkenntnisse beeinflussen. Zukünftige Forschung sollte daher Teilnehmende aus unterschiedlichen Regionen einbeziehen, um kulturelle Einflüsse auf das Onboarding besser zu verstehen (Bauer et al. 2007; Schilling et al. 2024). Auch der Einsatz digitaler Tools im Onboarding weiterer Zielgruppen, wie Führungskräfte oder ausländische Arbeitskräfte, die in einer anderen kulturellen Umgebung arbeiten, stellt einen relevanten Ansatz für zukünftige Studien dar.
Der Prozesslotse bietet eine wirksame digitale Unterstützung für Pre- und Onboardingprozesse. Wichtig ist, dass alle Beteiligten – insbesondere Führungskräfte und Onboardees – aktiv in den Einführungsprozess eingebunden werden, um die Akzeptanz und Rollenklarheit zu fördern. Als digitales Tool erleichtert der Prozesslotse die zielgerichtete Bereitstellung von Informationen, reduziert die mentale Belastung und schont Ressourcen der Beteiligten. Insgesamt ermöglicht er eine strukturierte und effiziente Begleitung von Prozessen wie dem Pre- und Onboarding, die Organisationen dabei unterstützt, neue Mitarbeitende erfolgreich zu integrieren. Dabei kommt einem hybriden Ansatz besondere Bedeutung zu, bei dem digitale Elemente durch persönliche Maßnahmen ergänzt werden bzw. deren Planung, Vor- und Nachbereitung erleichtern, um zwischenmenschliche Aspekte und individuelle Bedürfnisse ausreichend zu berücksichtigen.
Im Rahmen der Fördermaßnahmedes Bundesministeriums für Bildung und Forschung „Zukunft der Arbeit: Mittelstand – innovativ und sozial“ wurde das Projekt IDboard (2020–2023) aus Mitteln des europäischen Sozialfonds (ESF) gefördert und vom Projektträger Karlsruhe (PTKA) betreut. Im Rahmen der Allianz für Fachkräfte Nordostniedersachsen wurde das Projekt Onboarding@Nordostniedersachsen (2022–2024) aus Mitteln des europäischen Sozialfonds (ESF+) und des Landes Niedersachsen gefördert. Der Weiterbildungsverbund „(Re)Shape Automotive Industry: Upskilling und Reskilling“ wird im Rahmen des Bundesprogrammes „Aufbau von Weiterbildungsverbünden“ durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales gefördert.
A. Mitschelen, L. Thiele, A. Fischer und S. Kauffeld geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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M. Sc., ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Arbeits-, Organisations- und Sozialpsychologie an der Technischen Universität Braunschweig. In der Forschung im Rahmen ihrer Promotion befasst sie sich vor allem mit den Themen organisationales Onboarding und Sozialisation in Organisationen sowie der Proaktivität und Wissensweitergabe von Newcomern.
ist Senior Consultant bei der 4A-SIDE GmbH (Prof. Dr. KAUFFELD & LORENZO) – ein Unternehmen, welches psychologische Expertise mit IT-Kompetenz kombiniert und neben psychologischer Beratung, Coaching und Trainings auch IT-Tools für HR-Themen zur Unterstützung des Wissenstransfers von der Forschung in die Praxis entwickelt. Lisa Thiele berät und begleitet Unternehmen insbesondere bei den Themen (digital begleitetes) Onboarding und Führungskräfteentwicklung.
ist Senior Consultant bei der 4A-SIDE GmbH (Prof. Dr. KAUFFELD & LORENZO). Sie berät und begleitet Unternehmen bei HR-Themen aller Art und entwickelt psychologisch fundierte IT-Tools. Sie beschäftigt sich insbesondere mit den Themen Onboarding, Retention und Führungskräfteentwicklung.
ist Inhaberin des Lehrstuhls für Arbeit-, Organisations- und Sozialpsychologie der Technischen Universität Braunschweig. In ihrer Forschungstätigkeit setzt sie sich mit den Themen Kompetenz, Team, Beratung und Führung auseinander. Um ihre Konzepte der Praxis zugänglich zu machen, hat sie 2008 unter Beteiligung der TU Braunschweig die 4ASIDE GmbH gegründet.