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1990 | Buch

Öffentliches Wirtschaftsrecht

Allgemeiner Teil

verfasst von: Professor Dr. Reiner Schmidt

herausgegeben von: Hartmut Bauer, Rudolf Mögele

Verlag: Springer Berlin Heidelberg

Buchreihe : Enzyklopädie der Rechts- und Staatswissenschaft

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Über dieses Buch

Das vorliegende Buch behandelt das grundsätzliche Verhältnis des Staates zur Wirtschaft in der Bundesrepublik. Der moderne Staat reguliert die gesamte Volkswirtschaft; seine ständig wachsende Aufgabenfülle hat zu einer kaum mehr übersehbaren Vermehrung des Rechtsstoffes geführt. Die Rechtsproduktion der nationalen, supranationalen (Europäische Gemeinschaft) und internationalen (Vereinte Nationen) Normschöpfer kann nur durch eine systematische und dogmatische Durchdringung des öffentlichen Wirtschaftsrechts bewältigt werden. Das Buch will unter Einbeziehung der Wirklichkeit des Wirtschaftslebens ein in sich stimmiges Gefüge juristischer Begriffe, Grundsätze und Institute bieten, die das öffentliche Wirtschaftsrecht zu ordnen geeignet sind. Sein Hauptanliegen ist die Bewahrung des sozialen Rechtsstaates und des Marktprinzips. Die wichtigsten behandelten Themen sind die Geschichte des öffentlichen Wirtschaftsrechts, dessen Gebiete, die Wirtschaftsverfassung, Rechtsfragen der Konjunktur- und Währungspolitik, die Wirtschaftsverwaltungsorganisation, die Rechtsformen des Wirtschaftsverwaltungshandelns und die wirtschaftliche Eigenbetätigung der öffentlichen Hand. In einem gesonderten Kapitel wird auf das europäische und das internationale Wirtschaftsrecht eingegangen.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter

Staat und Wirtschaft

§ 1. Die Wirtschaftstätigkeit als Gegenstand des Rechts in der Geschichte
Zusammenfassung
Über die historischen Wurzeln und die geschichtliche Kontinuität des Wirtschaftsrechts besteht nach wie vor keine Einigkeit. Die herkömmlichen Darstellungen der „Geschichte des Wirtschaftsrechts“ setzen wahlweise mit dem Beginn des 20. Jahrhunderts1 oder mit der Einführung der Gewerbefreiheit2 ein; zum Teil verfolgen sie die Spuren des Wirtschaftsrechts auch über die mittelalterlichen Markgenossenschaften3 und die germanische Hauswirtschaft4 bis in die Antike5 zurück6.
Reiner Schmidt
§ 2. Das öffentliche Wirtschaftsrecht als Rechtsgebiet der Gegenwart
Zusammenfassung
Die übernahme des wirtschaftlichen Geschehens in staatliche Gesamtverantwortung, welche den modernen liberalen und sozialen Verfassungsstaat auch dann kennzeichnet, wenn sich dieser für den Markt als zentrales volkswirtschaftliches Steuerungsinstrument entschieden hat, macht die Zuordnung von Normen zu einem besonderen Rechtsgebiet “Wirtschaftsrecht” und die Aussonderung eines “öffentlichen Wirtschaftsrechts” schwierig1. Die Gründe hierfür liegen nicht nur in dieser allumfassenden Verantwortungsübernahme, sie liegen auch in der Unbestimmtheit des Gegenstandes Wirtschaft2, in der Frage nach der für eine Definition des Wirtschaftsrechts erforderlichen Qualität und Intensität einer Verbindung zwischen Recht und Wirtschaft3 und schließlich scheinen die herkömmlichen Kriterien zur Unterscheidung von öffentlichem und privatem Recht hier weniger denn je zu greifen4. Stellen die Bemühungen um ein öffentliches Wirtschaftsrecht außerdem den Anspruch, mehr als eine pragmatische Ordnung des Materials zu bieten, weil sich ein eigenständiges Rechtsgebiet nur durch eine einheitliche Systemidee, zumindest aber nur durch übergreifende Grundsätze konstituieren läßt, dann scheinen sie von Anfang an vergebens, denn “Ordnung und Einheit”5 lassen sich wohl kaum in einer Rechtsmaterie herstellen, deren “Querschnittsfunktion”6, deren über die einzelnen Rechtsgebiete hinausgreifender Charakter außer Frage steht.
Reiner Schmidt
§ 3. Grundgesetz und Wirtschaftssystem
Zusammenfassung
Im Gegensatz zu Max Weber, der jeden Versuch zurückgewiesen hatte, die Re-gelhaftigkeit des sozialen Lebens in Rechtsregeln einzufangen, wird heute ein Gestaltungsauftrag des Staates gegenüber der Wirtschaft auch in der Wirtschaftswissenschaft anerkannt, wenn man von den ersten beiden Phasen der klassischen Nationalökonomie absieht1. Die besonderen Probleme allerdings, die mit einer staatlichen Einflußnahme auf eine Marktwirtschaft aufgeworfen werden, diskutiert die Wirtschaftswissenschaft erst seit dem Ende der zwanziger Jahre. Bahnbrechend hierfür war das Werk von Braun 2, Die eigentliche Schnittstelle zwischen wirtschaftspolitischen Ordnungsvorstellungen und rechtswissenschaftlichen Institutio-nalisierungsbemühungen bildet aber historisch gesehen erst die Ordnungsidee der Liberalen. Sehr schnell stellte sich nämlich heraus, daß eine idealtypisch gedachte freie “Verkehrswirtschaft”, in der die Privaten die Pläne machen und in der Koordinierungsprobleme über den Preis gelöst werden, ohne eine rechtliche Absicherung des Wettbewerbs, der zur “staatlichen Veranstaltung” (Miksch) wird, nicht bestehen kann. Das Recht wird so zum natürlichen Verbündeten einer Wirtschaftslehre, die eine “ordnungspolitische Gesamtentscheidung” für eine vollständige Konkurrenzwirtschaft treffen will, die es gegen wirtschaftliche Machtgruppen und Monopolisierungstendenzen abzusichern gilt.
Reiner Schmidt
§ 4. Die wesentlichen Aussagen des Grundgesetzes zur Wirtschaft
Zusammenfassung
Das Grundgesetz enthält zahlreiche Aussagen zur Wirtschaft, die zwar nicht zu einer abgesonderten oder in sich abgeschlossenen „Wirtschaftsverfassung“1 verdichtet sind, die aber gleichwohl in einem gewissen inneren Zusammenhang stehen, der bei der Verfassungsinterpretation zu berücksichtigen ist2:
Neben den zumindest auch auf die wirtschaftliche Betätigung bezogenen Grundrechten der Art. 2 Abs. 1, 3, 9, 12, 14 GG zählen hierzu insbesondere das Rechtsstaatsprinzip, die Sozialstaatsklausel und das Prinzip der repräsentativen parlamentarischen Demokratie. Diese Bereiche des Wirtschaftsverfassungsrechts werden ergänzt durch Regelungen über die Gesetzgebungs- und Verwaltungszuständigkeiten, durch die Verpflichtung der Haushaltswirtschaft in Bund und Ländern auf das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht (Art. 109 GG), durch die Finanzverfassung (Art. 104 a ff. GG) sowie durch allgemeine Verfassungsprinzipien. Hinzu kommt eine Reihe weiterer Grundgesetzbestimmungen, die — wie etwa die Meinungs-, Presse-, Kunst- und Forschungsfreiheit (Art. 5 GG), das Recht zur Errichtung von Privatschulen (Art. 7 Abs. 4 GG) und die mit Art. 24 GG verbundene Problematik der Geltungspriorität des Europäischen Gemeinschaftsrechts — enge oder — wie etwa die Freizügigkeit (Art. 11 GG; Schutz auch der wirtschaftlichen Freizügigkeit) und die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG; Schutz auch der Geschäftsräume) — mehr periphere Berührungspunkte mit der Wirtschaftstätigkeit aufweisen3.
Reiner Schmidt

Internationales und Europäisches Wirtschaftsrecht

§ 5. Die rechtliche Ordnung der internationalen Wirtschaftsbeziehungen
Zusammenfassung
Grenzüberschreitende Wirtschaftsbeziehungen sind keine Erfindung der Gegenwart1. Vor allem im Gefolge der ersten industriellen Revolution brachen sich die Gedanken der internationalen Arbeitsteilung und der komparativen Kostenvorteile2 Bahn und ermöglichten einen intensiven wirtschaftlichen Verkehr, an dem nicht zuletzt das neugegründete Deutsche Reich Anteil hatte3. Dennoch haben die internationalen Wirtschaftsbeziehungen seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges eine völlig neue Qualität gewonnen, die sich anhand folgender Phänomene beschreiben läßt:
  • einer mittlerweile vier Jahrzehnte andauernden Phase relativen Freihandels (Stichworte: Abbau von Zollschranken, Kontingenten und Devisenbeschränkungen),
  • der Entstehung von Staatengemeinschaften mit dem Ziel regionaler Wirtschaftsintegration vor allem in Europa, aber auch in Asien, Afrika und Lateinamerika,
  • des im Zeichen der Entkolonialisierung und eines zunehmenden entwicklungspolitischen Bewußtseins der Industriestaaten stehenden Hinzutretens zahlloser souveräner Länder Afrikas, Asiens und Lateinamerikas4 sowie
  • der Entwicklung völlig neuartiger, leistungsstarker Verkehrs-, Transport- und Kommunikationssysteme.
Reiner Schmidt
§ 6. Die rechtliche Ordnung der Wirtschaftsbeziehungen in den Europäischen Gemeinschaften
Zusammenfassung
Die Entstehung der Europäischen Gemeinschaften reicht in die unmittelbare Nachkriegszeit zurück1. Unter dem Eindruck der Folgen des Zweiten Weltkrieges und dersich auf die Bildung zweier Machtblöcke hin wandelnden welt- und machtpolitischen Konfiguration waren die alten Gegensätze zwischen den europäischen Nationalstaaten fragwürdig geworden. Die Erholung der europäischen Volkswirtschaften schien im engen Rahmen der nationalstaatlichen Möglichkeiten kaum gelingen zu können. Für die Bundesrepublik bot sich mit der Eingliederung in einen europäischen Verbund die Chance zu politischer Rehabilitierung2. Während außen- und militärpolitische Projekte scheiterten3, konnte im Sinne eines funktionalistischen Ansatzes die wirtschaftliche Integration 4 in Gang gesetzt werden.
Reiner Schmidt

Die rechtliche Gestaltung der Wirtschaft

§ 7. Die rechtliche Ordnung der Wirtschaftspolitik und der Wirtschaftsaufsicht
Zusammenfassung
Wirtschaftspolitik, ein Teilbereich der allgemeinen Politik, geht wie diese von der Wünschbarkeit und der Möglichkeit einer Gestaltung des wirtschaftlichen Geschehens aus. Sie umfaßt alle Maßnahmen der leitenden Staatsorgane (u.a. Regierung, Parlament, Bundesbank) zur Verfolgung bestimmter Ziele im Bereich der Wirtschaft1. Ein Spezifikum des modernen Wohlfahrtsstaats ist dabei die Tendenz, das allgemeine Ziel des Gemeinwohls in der politischen Praxis durch Verfolgung bestimmter Einzelzwecke faßbarer zu machen; statt allgemeiner Regeln oder Gesetze (nomokratische Gemeinwohlauffassung) herrschen konkrete Ziele, weil diese im politischen Prozeß schlagkräftiger sind (teleokratischer Programmstaat)2. Das Recht ist dabei sowohl für die Zielbestimmung (Staatsaufgabenformulierung) als auch für die Instrumentalisierung der Wirtschaftspolitik von besonderer Wichtigkeit.
Reiner Schmidt
§ 8. Die rechtliche Gestaltung der Geldpolitik
Zusammenfassung
Wirtschaftspolitische Ziele wie die des „magischen Vierecks”, nämlich Vollbeschäftigung, Preisniveaustabilität, Wirtschaftswachstum und außenwirtschaftliches Gleichgewicht, werden in der modernen Volkswirtschaft auch mittels des Einsatzes monetärer Instrumente verfolgt. Träger der Geld- bzw. Währungspolitik sind die Regierung oder (und) die Notenbank. Voraussetzung für deren konjunkturpolitische Steuerung ist die Schaffung einer Geld-, Kredit- und Währungsordnung, eines finanziellen Kommunikationssystems. Dazu gehört vor allem die Sicherung der drei Grundfunktionen des Geldes. Geld dient als Recheneinheit, als allgemeines Tauschmittel (oder besser Wertübertragungsmittel) und als Wertaufbewahrungsmittel1. derstaat muß deshalb mittels seiner Rechtsordnung zumindest die Währungseinheit festsetzen und das Geld als Wertübertragungs- und Wertaufbewahrungsmittel ausstatten. Hinzu kommt die Schaffung eines funktionsfähigen Geld- und Kreditwesens2.
Reiner Schmidt

Wirtschaftsverwaltung und Eigenwirtschaft

§ 9. Die Organisationsformen
Zusammenfassung
Während nach Art. 30 GG die Erfüllung derstaatlichen Aufgaben grundsätzlich bei den Ländern liegt, hat sich im Bereich der Gesetzgebung das Verhältnis umgekehrt; die wirtschaftspolitische Gesetzgebung wird vom Bund beherrscht. Dies geht vor allem auf die intensive Nutzung der konkurrierenden Gesetzgebungsbefugnisse zurück. Aber auch die dem Bund zur Verfügung stehenden Möglichkeiten aus dem Katalog der ausschließlichen Zuständigkeiten (Art. 73 GG) sind von Gewicht: nach Art. 73 Nr. 4 GG liegt das Währungs-, Geld- und Münzwesen in der Hand des Bundes1, wozu die Währungspolitik2 einschließlich der Entscheidung über die Auf- und Abwertung3 ebenso zu rechnen ist wie die über das zulässige Gesamtvolumen des auszugebenden Geldes. Außerdem gehören u.a. die Einheit des Zoll- und Handelsgebiets, die Freizügigkeit des Warenverkehrs und der Waren- und Zahlungsverkehr mit dem Ausland4 sowie die Handels- und Schiffahrtsverträge (Art. 73 Nr. 5 GG) zur ausschließlichen Gesetzgebungskompetenz des Bundes. Schließlich zählen die Bundeseisenbahnen und der Luftverkehr (Art. 73 Nr. 6 GG) und das Post- und Fernmeldewesen (Art. 73 Nr. 7 GG) zur ausschließlichen Regelungsbefugnis des Bundes, wobei trotz der Beschränkung des Postwesens auf die herkömmlichen Dienstzweige der Post5 und der des Rundfunks auf den sendetechnischen Bereich6 diese Kompetenz wegen der Entwicklung der neuen Medien von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung ist7.
Reiner Schmidt
§ 10. Die Rechtsbindungen und die Rechtsformen des Wirtschaftsverwaltungshandelns
Zusammenfassung
Die Handlungsformen der Wirtschaftsverwaltung sind im wesentlichen keine anderen als diejenigen des allgemeinen Verwaltungsrechts; durch ihre Bezogenheit auf die „Wirtschaft“ erhalten sie aber eine besondere Ausrichtung und führen dementsprechend in eigengeartete Problemkonstellationen hinein. Sie bringen die „in ihrer Vielfalt unüberschaubare, amorphe Tätigkeit der Verwaltung“1 in die geordneten Bahnen des Rechts und unterscheiden sich vor allem hinsichtlich der Eignung zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, der rechtlichen Voraussetzungen, des einzuhaltenden Verfahrens sowie der gegen sie eröffneten Rechtsschutzmöglichkeiten2.
Reiner Schmidt
§ 11. Die wirtschaftliche Betätigung der öffentlichen Hand
Zusammenfassung
Die öffentliche Hand wirkt in vielfältiger Weise auf die Wirtschaft ein. Sie betreibt Wirtschaftspolitik, d.h. sie interveniert in einen „an sich” als staatsfrei vorgestellten Raum, sie beaufsichtigt die Wirtschaft anhand von normativ vorgegebenen Maßstäben und sie betätigt sich als Wirtschaftssubjekt, indem sie als wirtschaftlicher Unternehmer selbst am Marktverkehr teilnimmt, Waren oder Dienstleistungen anbietet. Diese wirtschaftliche Betätigung von Bund, Ländern, Gemeinden und anderen verselbständigten öffentlichrechtlichen Einheiten (öffentliche Hand) kann grundsätzlich in öffentlichrechtlichen oder privatrechtlichen Organisations- und Handlungsformen ausgeübt werden. Sie wirft juristische Probleme vor allem deshalb auf, weil je nach der Zwecksetzung der Wirtschaftsbetätigung unterschiedliche Rechtsregeln gelten sollen — für unternehmerisches bzw. erwerbswirtschaftliches Handeln die allgemeinen Regeln des privaten Rechts, für die Teilnahme am Wirtschaftsverkehr in Verfolgung besonderer Verwaltungszwecke die Grundsätze der Leistungsverwaltung. Allerdings sind weder diese Abgrenzung noch die aus ihr gezogenen Folgen eindeutig; denn einmal wird bei Differenzierungen nach dem Zweck einer Tätigkeit nie absolute Trennschärfe zu erreichen sein1, zum anderen sollen im Bereich der Leistungsverwaltung, wenn diese in privatrechtlichen Rechtsformen handelt, die Bindungen des öffentlichen Rechts nur modifiziert gelten; der Begriff des „Verwaltungsprivatrechts”2 kennzeichnet dies schlagwortartig.
Reiner Schmidt
Backmatter
Metadaten
Titel
Öffentliches Wirtschaftsrecht
verfasst von
Professor Dr. Reiner Schmidt
herausgegeben von
Hartmut Bauer
Rudolf Mögele
Copyright-Jahr
1990
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Electronic ISBN
978-3-662-09046-6
Print ISBN
978-3-662-09047-3
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-662-09046-6