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19.07.2016 | Omnibusse | Nachricht | Online-Artikel

Daimler zeigt teilautomatisiert fahrenden Stadtbus Mercedes-Benz Future Bus

verfasst von: Angelina Hofacker

6:30 Min. Lesedauer

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Als Ausblick auf die diesjährige IAA Nutzfahrzeuge stellte Daimler gestern den Mercedes-Benz Future Bus vor. Dank der Fusion von GPS-, Kamera- und Radardaten fährt die Omnibus-Studie streckenweise selbsttätig.

Wie sich Daimler Buses den Stadtbus der Zukunft vorstellt, demonstrierte der Omnibushersteller am gestrigen Montag, 18. Juli, in der Nähe von Amsterdam: Der Technologieträger namens Mercedes-Benz Future Bus ist ein teilautomatisiert fahrender Stadtbus auf Basis des Solobus Mercedes-Benz Citaro (12 Meter lang), der auch dank einer neu konzipierten Innen- und Außengestaltung zur Mitfahrt animieren sollen. Der Omnibus fährt seine komplette Linie teilautomatisiert, ohne dass der Fahrer Lenkung, Gas und Bremse oder auch nur die Türtaster betätigen muss. Der Technologieträger bewegt sich auf den fünf definierten Stufen auf dem Weg zum autonomen Fahren auf Level zwei: Teilautomatisierung mit Spurhaltefunktion, Längsführung, Beschleunigung und Bremsmanövern durch Assistenzsysteme. Der Busfahrer trägt also weiterhin die Verantwortung und muss im Notfall eingreifen.

Daimler wird das Konzeptfahrzeug auf der IAA Nutzfahrzeuge vom 21. bis 29. September in Hannover präsentieren. Medienvertreter konnten gestern vorab an der 20-km-langen Premierenfahrt auf einer Bus-Rapid-Transit(BRT)-Strecke in der Nähe von Amsterdam teilnehmen.

Auf den Future Truck folgt der Future Bus

Erst drei Monate zuvor sind in den Niederlanden die Potenziale der Vernetzung von Lkw bei der European Truck Platooning Challenge gezeigt worden. Auch Daimler war mit drei über WLAN miteinander vernetzte Mercedes-Benz Actros Lkw mit Highway Pilot Connect von Stuttgart aus nach Rotterdam gestartet. Als Pionier von selbstfahrenden Trucks haben die Entwickler von Daimler Buses nicht ganz von vorne beginnen müssen, sagte Dr. Wolfgang Bernhard, Mitglied des Daimler-Vorstands und verantwortlich für Daimler Trucks & Daimler Buses, im Rahmen der IAA-Vorabpräsentation des Mercedes-Benz Future Bus in den Niederlanden. Im Jahr 2014 hatte Daimler den Mercedes-Benz Future Truck 2025 bei der IAA Nutzfahrzeuge in Hannover vorgestellt. Im Mai 2015 bekam der Freightliner Inspiration Truck die US-Straßenzulassung und im Oktober 2015 statteten die Experten den Mercedes-Benz Actros mit dem Highway Pilot aus. Wie Wolfgang Bernhard ausführte, konnten die Entwickler des Mercedes-Benz Future Bus nun auf den Highway Pilot zurückgreifen und entwickelten diesen als "City Pilot" für den Einsatz in der Stadt weiter.

So kann der City Pilot Ampeln erkennen, mit diesen kommunizieren und fährt sicher über Ampelkreuzungen (Vehicle-to-Infrastructure). Zudem erkenne das System Hindernisse und Fußgänger und Fahrradfahrer auf der Fahrbahn und bremse selbstständig. Der mit dem City Pilot ausgestattete Mercedes-Benz Future Bus kann zudem automatisch an Haltestellen heranfahren. Beim Stopp hält der Omnibus einen sehr knappen Abstand zum Bordstein. Das Öffnen und Schließen der Türen erfolgt ebenfalls automatisiert. Die Zusammenführung der Daten von zehn Kameras sowie Fern- und Nahbereichsradarsysteme und ein GPS-System ermöglichen die Teilautomatisierung des Konzeptfahrzeugs.

Das funktionierte so auch in der Praxis bei der Premierenfahrt auf einer knapp 20 km langen Strecke mit Kurven, mit Tunneln, Ampeln, zahlreichen Haltestellen und bei Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h. Als Strecke für die Premierenfahrt hat Daimler ein Teilbereich der Airportlinie 300 in den Niederlanden ausgewählt. Sie verbindet die niederländische Metropole Amsterdam mit dem Flughafen Amsterdam-Schiphol und der Stadt Haarlem. Die Strecke ist insgesamt 37,8 km lang. Unter anderem Dank separater Trasse, Pre-Ticketing und eindeutiger sowie identische Aktionen an Haltestellen sind BRT-Linien prädestiniert für die Einführung (teil-)automatisierter Systeme, sind sich die Experten von Daimler Buses sicher.

Teilautomatisiertes Busfahren dank City Pilot 

Die Entwickler konnten für die technische Ausstattung des Mercedes-Benz Future Bus sowohl den Fernbereichsradar mit bis zu 200 m Reichweite, die elektrisch angesteuerte Servotwin-Lenkung sowie die Mirrorcams anstelle der Außenspiegel aus dem Future Truck übernehmen. Bekannt ist ebenfalls die Kamera für die Spurerkennung, sie wird in anderen Omnibussen und Lkw von Mercedes-Benz für die dort verwendeten Spurassistenzsysteme eingesetzt. Eine weitere Spurkamera dient beim Future Bus als zusätzliche Absicherung. Vier Nahbereichsradarsensoren - zwei in der Frontpartie sowie zwei vorne an den Fahrzeugecken - decken beim Omnibus die Entfernungen von 50 Zentimeter bis zehn Meter vor dem Bus ab. Zwei Stereokameras mit einer Reichweite von bis zu 50 Meter ermöglichen räumliches Sehen und eine Hindernis- und Fußgängererkennung.

Zur exakten Positionierung des Mercedes-Benz Future Bus dienen das satellitengestützte Ortungssystem GPS, die Spurkameras sowie vier Kameras zur globalen visuellen Lokalisierung. Diese Kameras sind an den Seiten oben in Höhe der Vorderachse montiert. Sie sollen die Umgebung beobachten und mit den zuvor gespeicherten Bildern vergleichen. Die Kameras dienen zur exakten Positionierung und orientieren sich an Wegmarken. Sie arbeiten den Daimler-Entwicklern zufolge auf acht Zentimeter genau und sind auch in beleuchteten Tunneln im Einsatz, in denen zur Ortung nicht auf das GPS-Signal zurückgegriffen werden kann. Derartige Kameras kamen erstmals vor drei Jahren bei der vollautomatisierten Fahrt einer Mercedes-Benz S-Klasse über die Bertha-Benz-Memorial-Route zum Einsatz.

Zwei weitere Nahbereichs-Kameras sind vorn an den Seiten senkrecht nach unten gerichtet. Sie erkennen das Muster der Asphaltoberfläche einer Straße wie einen Fingerabdruck und vergleichen sie ebenfalls fortlaufend mit den zuvor gespeicherten Bildern dieser Strecke. Hinzu kommen schließlich drei Kameras zur Dokumentation des Geschehens. Sie nehmen ebenso die Bewegungen des Busses auf wie den Fahrer. Wie die Experten von Daimler Buses erklärten, entsteht über eine komplexe Sensorfusion auf diese Weise ein präzises Bild der Umgebung und der exakten Position des Omnibusses in seinem unmittelbaren Umfeld. Er sei auf diese Weise zentimetergenau auf seiner Fahrspur unterwegs. Genauer als ihn ein Fahrer in der täglichen Praxis jemals manuell steuern könnte. Die datentechnische Vernetzung mit der Ampelinfrastruktur auf der Strecke soll eine frühe Erkennung der Signalschaltung und damit eine vorausschauende, gleichmäßige und letztendlich verbrauchsärmere Fahrweise ermöglichen als sie konventionell realisierbar wäre.

Vernetzung als Schlüssel zur Kraftstoffeinsparung

Verkehrsampeln auf der Strecke sind für den mit dem City-Pilot-System ausgestatteten Omnibus kein Hindernis. Durch Vernetzung mit der Ampel beeinflusst der Bus die Ampelschaltung und erzielt damit eine sogenannte grüne Welle. Bei fehlender Funkverbindung zur Ampel nutzt der Omnibus eine visuelle Erkennung. Umgekehrt kommuniziert die Ampel ebenfalls mit dem Bus und signalisiert ihm, wann sie umschaltet. Der Omnibus passt daraufhin seine Geschwindigkeit automatisch den Gegebenheiten an. Ergebnis ist eine effiziente und flüssige Fahrweise, die auch bei der Premierenfahrt in den Niederlanden zu spüren war. Den sanft anmutenden Fahrstil des Systems werden die Gäste der IAA Nutzfahrzeuge im September allerdings nicht erleben. Daimler wird den Mercedes-Benz Future Bus in Hannover nur statisch präsentieren.

Fahrer ist weiterhin in der Verantwortung

Der Mercedes-Benz Future Bus mit City Pilot verfügt dank seiner Radar- und Kameratechnik auch über eine Hindernis- und Fußgängererkennung. Damit kann er zum Beispiel kreuzende Fußgänger auf seiner Fahrbahn identifizieren. In einem solchen Fall leitet der Omnibus automatisch eine Zielbremsung ein. Und am Ende eines Stopps beschleunigt der Bus nicht aus der Haltestelle, falls Fußgänger seine Spur überqueren. Eine automatische Vollbremsung ist dagegen mit Rücksicht auf stehende und nicht angeschnallte sitzende Fahrgäste nicht vorgesehen, sagen die Entwickler. Bei Bedarf kann aber der Fahrer jederzeit die Kontrolle über das Fahrzeug übernehmen und mit einer Notbremsung eingreifen. Ohnehin, betonen die Busexperten von Daimler, bleibt er als Fahrzeugführer jederzeit in der Verantwortung.

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