Die Cultural Studies gehen von einem engen Zusammenhang zwischen Kultur und Kommunikation aus. Vor diesem Hintergrund haben sie sich schon sehr früh mit den Online-Medien auseinandergesetzt. Ziel des vorliegenden Überblicks ist es zunächst, einige wichtige Grundzüge der Cultural Studies aufzuzeigen, die ihre Perspektive auf digitale Medien charakterisieren. Dann wird genauer auf die ‚Cybercultural Studies‘ eingegangen, ein Titel, unter dem die online-spezifische Theorie und Empirie der Cultural Studies zusammengefasst werden. Im Abschn. 2 werden im Anschluss daran beispielhaft Arbeiten zur Untersuchung des Wandels von Identität, neuere Entwicklungen wie Big Data sowie der Domestizierungsansatz vorgestellt. Im Abschn. 3 werden dann Aneignungs- und Nutzungsstudien im Rahmen der Cultural Studies skizziert sowie auf einige neuere Forschungsrichtungen innerhalb dessen hingewiesen. Dabei dienen konkrete Studien dazu, die je eingenommenen Perspektiven und die empirische Umsetzung aufzuzeigen und die Diskurse zu illustrieren. Einen letzten Einblick – und auch Ausblick – liefert die Frage nach weiter gefassten Ansätzen im Rahmen der Cultural Studies, welche die Entwicklung der digitalen Medien in einer Gesamtperspektive integrieren; sie werden mit dem Schwerpunkt Mediatisierungansatz im Abschn. 4 besprochen.
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Zu Beginn ging diese kritische Orientierung sogar so weit, dass Cultural Studies den Anspruch hatten einzugreifen. Dieser Anspruch ist inzwischen weniger weit verbreitet, allerdings hat die Diskussion um diesen Anspruch (und mögliche praktische Konsequenzen daraus) nicht aufgehört.
Diese frühe Auseinandersetzung spiegelt sich auf verschiedenen Ebenen wider. So finden sich z. B. bei der ‚Association of Internet Researchers‘ (AoIR) schon früh viele Vertreter/innen dieses Ansatzes. Neben den üblichen akademischen Texten gab es zudem eine Handvoll von Zeitschriften, die ebenfalls die frühen Diskurse stark prägten. Dazu gehört insbesondere die kalifornische Mondo 2000, die kanadische CTheory, aber auch die frühe Wired.
Dies manifestiert sich u. a. in dem von Bell und Kennedy herausgegebenen Band ‚The Cybercultures Reader‘ (2000) oder auch in dem von Silver betriebenen ‚Resource Center for Cyberculture Studies.‘
Der Technologiebegriff ist hier weit gefasst. Es gab im Rahmen der Cultural Studies nie wirklich eine Beschränkung auf Medientechnologien im engeren Sinne, sondern es wurden auch Reproduktionstechnologien, wissenschaftliche Forschungslabore etc. untersucht. Beispielhaft für einen wichtigen Strang der expliziteren Auseinandersetzung mit Technologie – sehr geprägt auch von den ‚Science and Technology Studies‘ (STS) – steht die Universität Lancaster mit dem dortigen ‚Centre for Science Studies,‘ welches Teil der Soziologie ist. Einerseits wird Actor-Network-Theory hier groß geschrieben (unter anderem durch Law), andererseits zeichnet sich das Zentrum auch durch Arbeiten zu ‚feminist technoscience‘ aus (die vor allem von McNeil vertreten wird). Es gibt aber auch explizite Verknüpfungen von STS und Kulturtheorie (diese insbesondere vertreten durch Mackenzie).
In späteren Jahren hat Turkle aber nicht nur das Potenzial für Empowerment in diesen Entwicklungen herausgestellt, sondern auch die möglichen Probleme, etwa da, wo sie über die Frage der Identitätsfindung unter den Bedingungen des immer präsenten Mobiltelefons und der darüber immer präsenten Anderen reflektiert hat (Turkle 2008). Siehe auch den Kommentar zu ihren aktuellen Arbeiten.
Der Begriff ‚race‘ wäre in Nakamuras Interpretation im Deutschen zwischen den Begriffen ‚Ethnie‘ und ‚Rasse‘ anzusiedeln. Da Letzterer aber nach wie vor zu belastet ist, verwenden wir im Folgenden weiterhin den Begriff ‚race‘ (der auch eine andere Theorie-Geschichte in sich birgt).
Zwar ist Nakamuras Buch deutlich anzumerken, dass es in einem US-amerikanischen Umfeld entstanden ist; so kann man davon ausgehen, dass einige der Punkte in z. B. dem bundesrepublikanischen Umfeld noch stärker zutreffen, da ‚race‘ aus vielerlei Gründen hier noch viel weniger ein Thema ist.
Striphas umreißt hier, dass kulturelle Vorgänge zunehmend zu computerisierten Prozessen werden. Kultur ist für ihn die Klassifizierung und Hierarchisierung, d. h. die Sortierung von Menschen, Orten, Objekten und Ideen (vgl. Striphas 2015, S. 396). Während die Zunahme an datenbasierten Vorgängen in diesen Klassifizierungsprozessen tendenziell unstrittig ist, umfasst seine Definition von Kultur durchaus Aspekte, die debattierbar sind, hier aber den Rahmen der Diskussion sprengen würden.
Explizite Bezüge zu den Cultural Studies finden sich im Domestizierungsansatz nur vereinzelt, dennoch lässt er sich hier einordnen (vgl. Hartmann 2009b).