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Erschienen in:

Open Access 2022 | OriginalPaper | Buchkapitel

4. Open Budget – Öffnung des Haushaltswesens

verfasst von : Jörn von Lucke, Katja Gollasch

Erschienen in: Open Government

Verlag: Springer Fachmedien Wiesbaden

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Zusammenfassung

Das Konzept Open Budget beschäftigt sich mit der Frage, wie eine Öffnung des Haushaltswesens in Bund, Ländern und Kommunen vollzogen werden kann. Dieses Kapitel gibt zunächst eine Einführung in die Grundlagen eines öffentlichen Finanz- und Haushaltswesens. Anschließend wird das Leitbild eines offenen Haushalts für die Bereiche Haushaltsaufstellung, Haushaltsbewirtschaftung sowie der Rechenschaftslegung skizziert und auf wesentliche Akteure in diesem Bereich eingegangen. Ebenso wird veranschaulicht, wie Ansätze für offene Haushaltsdaten in diesen drei Themenfeldern aussehen können. Ergänzt wird dies um Stärken und Chancen, aber auch Schwächen und Risiken. Erste Versuche für die Visualisierung von Haushaltsdaten und die darin liegenden Mehrwerte werden aufgezeigt sowie ein Ausblick auf die weiterführenden Themen Beteiligungs- und Bürgerhaushalte, offene Vergabe und Beteiligungsberichte gegeben.

4.1 Öffentliches Finanz- und Haushaltswesen

Um zu verstehen, wie eine Öffnung des Haushaltswesens vollzogen werden kann, ist es zunächst notwendig, die Grundlagen eines öffentlichen Finanz- und Haushaltswesens zu betrachten. Der folgende Abschnitt fasst wesentliche Punkte zusammen.

4.1.1 Öffentliches Finanzwesen und öffentliche Finanzwirtschaft

Definition: Öffentliches Finanzwesen
Gesamtheit aller Strukturen und Aktivitäten, die mit dem Haushalt einer Gebietskörperschaft zusammenhängen.
Das öffentliche Finanzwesen umfasst in erster Linie das Haushalts-, Rechnungs- und Kassenwesen von Bund, Ländern und Kommunen. In einem föderalen Mehrebenensystem wie der Bundesrepublik Deutschland gibt es eine verteilte Verantwortung. Auf Bundesebene liegt die Koordination dieser Aktivitäten im Zuständigkeitsbereich des Bundesministeriums der Finanzen. Auf Ebene der Länder sind die jeweiligen Landesministerien der Finanzen dafür zuständig. Auf kommunaler Ebene kümmern sich die Finanzdezernate oder die Kämmereien um das Finanzwesen.
Definition: Öffentliche Finanzwirtschaft
Wirtschaftliche Betätigung des Staates, die für die Beschaffung, Bereitstellung und Verwendung der zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben erforderlichen Mittel nötig sind.
Der Begriff der „öffentlichen Finanzwirtschaft“ zielt auf die wirtschaftliche Betätigung des Staates ab. Neben Einnahmen aus Abgaben wie Steuern, Beiträge und Gebühren sowie Zuschüsse können staatliche Stellen auch auf Zinseinnahmen, Kredite, Vermögensveräußerungen und Erwerbseinkünfte aus der Beteiligung an Unternehmen setzen. Zudem können sie öffentliche Bankhäuser gründen und betreiben.

4.1.2 Öffentliches Rechnungswesen

Das öffentliche Rechnungswesen dient der Planung und Dokumentation der Erfüllung öffentlicher Aufgaben (Leistungen) sowie der finanziellen Entwicklung von Gebietskörperschaften. Hierzu wird auf eine finanzielle Rechnungslegung in Form von jährlichen Haushaltsberichten und zunehmend auch auf eine nicht-finanzielle Rechnungslegung in Form von Leistungsberichten gesetzt. Dabei bezieht sich die Rechnungslegung mit Planungsrechnungen (Soll-Rechnungen) auf künftige Perioden als auch mit Ergebnis- und Finanzrechnungen (Ist-Rechnungen) auf vergangene Perioden. Einzahlungen und Auszahlungen sowie Aufwendungen und Erträge werden dazu im Rechnungswesen laufend erfasst und gemäß den Grundlagen der Haushaltsordnung verbucht.
Das öffentliche Rechnungswesen übernimmt damit mehrere Funktionen. Das politisch-administrative System wird mit den relevanten Informationen zur internen Entscheidungsfindung versorgt. Auch eine interessierte Öffentlichkeit, etwa Bürger, Unternehmen, Verbände und Ratingagenturen, kann diese Informationen für Zwecke der Planung, Steuerung und zur eigenen Aufgabenwahrnehmung nutzen. Drittens sollen durch das Rechnungswesen heutige und künftige Generationen vor unangemessenen ökonomischen Belastungen durch gegenwärtige staatliche und kommunale Entscheidungen geschützt werden.

4.1.3 Öffentlicher Haushalt

Der öffentliche Haushalt ist das zentrale Informations- und Steuerungsinstrument über die Einnahmen und Ausgaben einer Gebietskörperschaft. Durch seine Strukturierung in einen Gesamthaushalt, die einzelnen Teilhaushalte sowie seine Anlagen wie Stellenplan, Übersichten und Kennzahlen übernimmt er eine gewisse Ordnungsfunktion. Das Budgetbewilligungsrecht dient der Sicherung des parlamentarischen beziehungsweise kommunalpolitischen Einflusses. Zudem hat er rechtliche Bedeutung, denn in einem Rechtsstaat bindet der Haushalt die Verwendung der Mittel an Art, Betrag und Zeit. Damit verfügt er über eine finanzwirtschaftliche und im föderalen Mehrebenensystem auch über eine volkswirtschaftliche Bedeutung. Obendrein hat er auch eine kontrollmäßige Bedeutung für das öffentliche Haushaltswesen inne, denn für jede Form der Finanzkontrolle ist er eine gute Ausgangsbasis bei anstehenden Prüfungen.

4.1.4 Haushaltsrecht

Das Grundgesetz mit seinen Ausführungen zum Finanzwesen (Art. 104a–115 GG) setzt in der Bundesrepublik Deutschland den Rahmen für das Haushaltsrecht. Das Gesetz zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StabG) konkretisiert das Staatsziel des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Das Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) setzt die Grundsätze für das Haushaltsrecht des Bundes und der Länder. Dies wird in der Bundeshaushaltsordnung sowie in den jeweiligen Landeshaushaltsordnungen konkretisiert. Die Haushaltsgesetze von Bund und den Ländern auf Basis eines Haushaltsplans werden in der Regel jährlich, bei Doppelhaushalten alle zwei Jahre von den jeweiligen Parlamenten beschlossen. In den Kommunen werden dagegen Haushaltssatzungen, ebenfalls auf Basis eines Haushaltsplans, verabschiedet.
Zu den in Deutschland gültigen Grundsätzen ordnungsgemäßer Haushaltsführung zählen ohne Ausnahmen die Einheit und Vollständigkeit des Haushaltes, seine Fälligkeit, die Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit, die Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie die Ausgeglichenheit des Haushalts. Zu den weiteren Grundsätzen (mit Ausnahmen) zählen die Vorherigkeit (falls zu Beginn des Haushaltsjahrs der Planungsprozess noch nicht abgeschlossen wäre), die Jährlichkeit und die zeitliche Bindung (im Falle eines Doppelhaushalts), die Gesamtdeckung, die Einzelveranschlagung, die sachliche Bindung, das Bruttoprinzip und die Öffentlichkeit. Gerade die Transparenz- und Öffentlichkeitspflichten dienen dazu, die Bevölkerung über die Pläne, Bewirtschaftung, Rechnungslegung und Prüfung zu informieren. Hierzu tragen die Budgetöffentlichkeit (Art. 104a ff. GG) und die öffentliche Haushaltsdebatte aktiv bei.

4.1.5 Haushaltskreislauf

Das öffentliche Haushaltswesen gibt den konkreten Rahmen zur Planung, Bewirtschaftung und Rechnungsprüfung der Haushalte von Gebietskörperschaften und ihren Behörden vor. Die Verantwortlichen planen und diskutieren für einen bestimmten Zeitraum über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben und damit die Sicherung der Aufgabenfinanzierung. Grundlage vieler Haushaltspläne ist das Regierungsprogramm. In der Regel wird über ein Haushaltsjahr verhandelt. Zur Vereinfachung und Entlastung kann durchaus aber auch auf einen Doppelhaushalt für zwei Jahre gesetzt werden. Nach einer Haushaltsdebatte im Parlament oder im kommunalen Rat wird der Haushalt in Form eines Haushaltgesetzes (auf Bundes- und Landesebene) oder einer Haushaltssatzung (auf kommunaler Ebene) und eines Haushaltsplans beschlossen. Idealtypisch ist ein Haushalt somit zum Haushaltsjahresbeginn bewilligt. Damit ist er Ausdruck des politischen Wollens. So soll er von der Verwaltung auch umgesetzt werden. Im folgenden Haushaltsjahr wird er im Rahmen der haushaltsrechtlichen Vorschriften von der Verwaltung bewirtschaftet. Reichen die vorgesehenen Mittel nicht aus, ist ein Nachtragshaushalt erforderlich. Nach Abschluss des Haushaltsjahres erfolgt die Rechenschaftslegung zum Haushaltsabschluss, die Prüfung durch die Rechnungshöfe beziehungsweise durch die Rechnungsprüfungsämter, die anschließenden Beratungen in den Ausschüssen sowie die Entlastung der Verantwortlichen (Schmidt, 2002, S. 474; von Lucke, 2011; von Lucke et al., 2011).

4.1.6 Haushaltsreformansätze

Die Anforderungen an Systeme des öffentlichen Haushaltswesens sind im Laufe der vergangenen Jahrzehnte weiter gestiegen. Die tradierte Kameralistik mit ihren Einnahme- und Ausgaben-Buchungen kam trotz Weiterentwicklungsansätzen an ihre Grenzen. Sie diente vor allem der Rechenschaftslegung, verfügte aber über keinerlei integrierte Kosten-Leistungs-Rechnung. Mit einer Umstellung auf Doppik wird das Berichtswesen reformiert und im Sinne von Public Management zu einem Steuerungsinstrument mit Blick auf Effizienz ausgebaut. Dadurch verbessern sich auch die Grundlagen für die Einführung von Kennzahlensystemen zur Steuerung (Controlling) und für eine echte Prozesskostenrechnung. Der Umsetzungsstand variiert jedoch in Deutschland. Einige Länder (Bremen, Hamburg, Hessen und Nordrhein-Westfalen) und viele Kommunen sind (durch gesetzlichen Zwang) zum Vorreiter geworden. Andere Akteure wie etwa der Bund oder andere Länder setzen weiter auf die Kameralistik. Auf europäischer Ebene wird europaweit über EPSAS, eine Harmonisierung der Haushaltssysteme in Richtung Doppik und Transparenz angestrebt, was insbesondere in Deutschland erhebliche Widerstände provoziert hat.

4.2 Leitbild eines offenen Haushalts

In den vergangenen Jahren hat sich eine zunehmende Öffnung des Haushaltswesens beobachten lassen, durchaus getrieben von den Möglichkeiten der Web 2.0-Technologien und offener Daten. Dies ermöglicht die Skizzierung des Leitbilds eines offenen Haushalts in den Bereichen Haushaltsaufstellung, Haushaltsbewirtschaftung sowie der Rechenschaftslegung, das im Folgenden vorgestellt werden soll.

4.2.1 Planungssicherheit bei der Haushaltsaufstellung

Ganz im Sinne von Haushaltstransparenz, Budgetöffentlichkeit und offener Haushaltsdebatte eröffnen offene Haushaltsdaten, zugängliche Berichte und digitale Werkzeuge den Bürgern verständlichere Zugänge zur komplexen Materie des Haushalts. Die Öffentlichkeit kann so besser informiert und in bestehende Abläufe des Haushaltskreislaufs konstruktiv eingebunden werden. Zugleich eröffnen sich neuartige Ansätze, um die Komplexität der Zahlenwerke, Nachteile ihrer papierbasierten Aufbereitung und die unzureichenden Diskussionsformate zu überwinden. Konkret planen und diskutieren die Verantwortlichen im Vorjahr für einen bestimmten Zeitraum über die voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben. Jede proaktive Bereitstellung von Haushaltsplänen in offenen Formaten ermöglicht der öffentlichen Haushaltsdiskussion neue Perspektiven. Vorschläge und Einwendungen aus der Bürgerschaft können in die Beratungen öffentlicher Gremien einfließen. Die Bürgerschaft kann auch über Beteiligungshaushalte im Rahmen der Haushaltsplanerstellung beratend mitwirken. Echte Bürgerhaushalte eignen sich dort, wo Erarbeitung und Entscheidung eines Budgets gleichermaßen der Bürgerschaft vollständig übertragen werden sollen. Nach der Haushaltsdebatte und den erforderlichen Beschlüssen kann die Öffentlichkeit über Haushaltsgesetze und -satzungen sowie das Abstimmungsverhalten über das Internet zeitnah informiert werden.
All dies verbessert die Planungssicherheit bei der Haushaltsaufstellung. Transparente Entwürfe schaffen früh Klarheit über Einnahmen, Ausgaben, Handlungsspielräume und Zielvorstellungen. Vorschläge aus der Bürgerschaft lassen sich gemeinsam sichten, durchrechnen und über die Fraktionen beraten, bewerten und einbinden. In den Gremien verbessert sich dank digitaler Aufbereitung das Verständnis über Haushaltsplan, Vorgaben, Steueraufkommen, Verschuldung, Zinslast, Spielräume und Grenzen. Davon profitiert der gesamte Haushaltsprozess.

4.2.2 Transparenz in der Haushaltsbewirtschaftung

In jedem Haushaltsjahr wird der Haushaltsplan von der Verwaltung mit Unterstützung elektronischer Haushaltsbewirtschaftungssysteme bewirtschaftet. Moderne Systeme generieren tagesaktuelle Berichte und Analysen zur Bewirtschaftung. Diese könnten in einer verständlichen Aufbereitung auch externen Akteuren frei zugänglich gemacht werden. So wäre eine transparente Haushaltsbewirtschaftung gesichert, die in einer papierbasierten Welt als nahezu unvorstellbar galt. Im Internet lassen sich ganz im Sinne von offenen Vergabedaten auch alle erteilten Zuschläge bei Ausschreibungen und Vergaben veröffentlichen. Darüber hinaus können dort auch alle vom Staat abgeschlossenen Verträge vorbehaltlos offengelegt werden – ein weiterer Bestandteil vieler Transparenzgesetze. Öffentliches Interesse besteht auch an den Empfängern von Subventionszahlungen, da dazu umfangreiche öffentliche Mittel bereitgestellt werden.

4.2.3 Rechenschaftslegung über den Haushalt

Nach Abschluss des Haushaltsjahres erfolgen der Haushaltsabschluss und die Erstellung von Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung im Rahmen der Haushaltsrechnungslegung. In der Kameralistik wird ein Rechenschaftsbericht erstellt, der über die Bewirtschaftung des Haushaltsplans informiert und in dem größere Abweichungen der Planwerte von den Sollwerten erläutert werden. In der Doppik ergänzt der Rechenschaftsbericht (Lagebericht) den Jahresabschluss als eigenständiges Dokument. Die Prüfung der Rechnungslegung durch die zuständigen Rechnungshöfe beziehungsweise Rechnungsprüfungsämter baut darauf auf. In eine wirkungsorientierte Prüfung der Mittelverwendung lässt sich auch die Öffentlichkeit einbinden. Mit ihren Berichten informieren die Rechnungshöfe die Öffentlichkeit über relevante Auffälligkeiten. Zum Abschluss erfolgt eine öffentliche Debatte über Rechnungslegung, Prüfung und Entlastung der Verantwortlichen durch das Parlament oder den kommunalen Rat.

4.2.4 Offener Haushalt

Alle diese skizzierten Möglichkeiten, die auf Ansätzen von offenen Daten, Transparenz, Bürgerbeteiligung und Zusammenarbeit basieren, lassen sich in einem Leitbild des offenen Haushalts bündeln:
Definition: Offener Haushalt
Öffentliches Haushaltswesen, das sich über die gesetzlich geforderte Haushaltstransparenz hinaus bewusst öffnet.
Grundlage ist ein IT-gestütztes Haushaltssystem, mit dem sich technisch diese Offenheit realisieren lässt. Ansatzpunkte ergeben sich etwa aus einem offenen Haushaltsplan, stärker in der Öffentlichkeit durchgeführte Haushaltsdiskussionen, einem transparenten Beschluss von Haushaltsgesetzen und Haushaltssatzungen, einem offenen Haushaltsvollzug, einer offenen Rechnungslegung und einer offenen Haushaltsprüfung. Grundsätzlich ist es wünschenswert, wenn über ein Haushaltsportal für jede Haushaltsperiode ein Zugriff auf bereits publizierte Entwürfe, beschlossene Pläne, Gesetze und Satzungen, Zwischen- und Abschlussberichte sowie Prüfungsberichte, Bemerkungen zur Haushaltsprüfung und Entlastungsnachweise gebündelt zugänglich sind.
Hintergrundinformationen
Auch der synonym zu verwendende Begriff „Open Budget“ wird klassisch für offene und transparente Haushalte und Haushaltssysteme verwendet, die Haushaltstransparenz, Budgetöffentlichkeit und offene Haushaltsdebatten sicherstellen.
Dies entspricht einer mobilisierenden Grundhaltung, nach der sich informierte Bürger aktiver in das öffentliche Gemeinwesen einbringen könnten und als Betroffene in die für sie relevanten Entscheidungsprozesse von Politik und Verwaltung auch eingebunden werden wollen.

4.2.5 Open Budget Survey und Open Budget Index

All diese Gedanken rund um offene Haushalte bestimmen auch die Arbeit der International Budget Partnership (2021). Diese globale Partnerschaft von Haushaltsanalysten, Organisatoren, Anwälten, Staaten und der Zivilgesellschaft setzt sich weltweit für öffentliche Haushaltssysteme ein, die für Menschen und nicht für Sonderinteressen funktionieren. Sie analysiert mit Partnern bestehende Haushaltssysteme, setzt sich für Reformen ein und baut Kompetenzen und Wissen auf Seiten der Zivilgesellschaft für offene und inklusive Haushaltsprozesse auf.
Ein wichtiges Projekt der International Budget Partnership ist die Open Budget Survey (2021), die in regelmäßigen Abständen den Grad der Offenheit nationaler Haushaltssysteme misst und diesen als Open Budget Index in Form einer Zahl auf einer Skala zwischen Null (geschlossen) und Hundert (umfassend geöffnet) darstellt. Ziel dieses Indizes ist es, Transparenz- und Rechenschaftspflichten nationaler Haushalte vergleichbar zu machen, um auf Fehlentwicklungen, Verbesserungen und Entwicklungsperspektiven hinzuweisen. Ursprünglich sollte dieses Vorhaben mit seinem Haushaltstransparenzwert einen Beitrag dazu leisten, dass Entwicklungsländer über öffentliche Haushaltsdebatten zu mehr Stabilität und Wohlstand gelangen und dass sich die Lebensbedingungen ihrer Einwohner substanziell verbessern. Die frei zugängliche Datenlage eröffnet es Fort- und Rückschritte in allen erfassten Ländern zu verfolgen, Vergleiche und Rankings zwischen Staaten vorzunehmen und in Diskussionen über eine Fortentwicklung des Haushaltswesens einzusteigen.
Bei der Open Budget Survey 2019 lag der Open Budget Index-Wert für den Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschlands bei 69 von 100 Punkten. Dies ist ein durchaus positiver Wert. Dennoch signalisiert er Verbesserungspotenzial für die 2020er-Jahre. So wird vorgeschlagen, zur Jahresmitte einen neuen Halbjahresbericht zu erstellen, in Haushaltsentwürfen auch auf nicht-finanzielle Daten und alternative Ausgabendarstellungen zu setzen und das Portal Bundeshaushalt.de zu vereinfachen und zu verbessern. Die Öffentlichkeit und auch die Zivilgesellschaft können noch deutlich intensiver am Haushaltsprozess durch das Bundesfinanzministerium und den Debatten im Deutschen Bundestag beteiligt werden. Zudem wird nahegelegt, dass auch der Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestags den laufenden Haushaltsvollzug und den Prüfungsbericht prüfen solle, verbunden mit einem Bericht seiner gewonnenen Erkenntnissen (IBP, 2019).

4.3 Öffnung von Haushaltsdaten

Ein wesentlicher Bestandteil eines offenen Haushalts ist das Zurverfügungstellen von Haushaltsdaten in einem offenen Format. Dieser Abschnitt stellt vor, was offene Haushaltsdaten sind, in welchen Bereichen sie Anwendung finden und wo mögliche Stärken, Schwächen, Chancen und Risiken liegen.

4.3.1 Offene Haushaltsdaten

Offene Haushaltsdaten bauen auf den Ideen und Konzepten eines offenen Haushalts auf. Sie tragen zur Haushaltstransparenz von Behörden und Gebietskörperschaften im gesamten Haushaltskreislauf bei.
Definition: Offene Haushaltsdaten
Datenbestände des Haushaltswesens des öffentlichen Sektors, die von Staat und Verwaltung im Interesse der Allgemeinheit ohne jedwede Einschränkung zur freien Nutzung, zur Weiterverbreitung und zur freien Weiterverwendung frei zugänglich gemacht werden.
Hierbei handelt es sich in erster Linie um Haushaltsplandaten, Haushaltsbewirtschaftungsdaten, Haushaltsbelege und Haushaltsberichte von Gebietskörperschaften und Behörden ohne Personenbezug. Offene Haushaltsdaten setzen auf offene Haushaltssysteme auf. Sie tragen zur Haushaltstransparenz von Gebietskörperschaften bei. Sobald Haushaltsdatenbestände strukturiert und leicht maschinenlesbar in einem offenen Format von den zuständigen Behörden proaktiv bereitgestellt werden, lassen sie sich durchsehen, durchsuchen, filtern, aufbereiten, überwachen und weiterverarbeiten. Eine Vernetzung über das World Wide Web im Sinne von „Linked Open Budget Data“ eröffnet weitere Optionen, Haushaltsdaten über Domänen und Organisationsgrenzen hinweg direkt zu nutzen, etwa für Statistiken, Auswertungen, Vergleiche, Karten und Publikationen. Durch solche Verknüpfung können Zusammenhänge in kurzer Zeit erschlossen, grafisch aufbereitet und verstanden werden. Weitere Mehrwerte ergeben sich, wenn die neu miteinander kombinierten Daten zu neuen Erkenntnissen führen (von Lucke & Geiger, 2010, S. 3; von Lucke et al., 2011, S. 6–7).
Offene Haushaltsdaten und die durch Web 2.0-Technologien und Social Media getriebene Öffnung des Staates prägen auch eine noch weitergehende Öffnung des Haushaltswesens im Sinne von „Open Budget 2.0“. Durch eine bewusste Nutzung und die gewollte digitale wie reale Einbindung von Bürgern verändern sich die Haushaltsaufstellung und die öffentliche Diskussion, die Haushaltsdebatte und die Wahrnehmung der Erwartungen aus der Bevölkerung, der transparente Umgang mit Beschluss und Haushaltsplan, die Haushaltsbewirtschaftung und die Berichterstattung, die Haushaltsprüfung und die öffentliche Kommentierung. Bund, Länder und Kommunen haben bereits in den vergangenen Jahren, nach der Veröffentlichung erster Skizzen zur Öffnung von Haushaltswesen und Haushaltsdaten (von Lucke et al., 2011), bisher ungenutzte Potenziale für das Haushaltswesen, die Haushaltstransparenz und die Bürgerbeteiligung erschlossen. Seitdem lässt sich beobachten, dass sich die Rollen und das Selbstverständnis von Parlamentariern und Gemeinderäten, von Kämmerern und Verwaltungsmitarbeitern, aber auch von Lobbyisten, Bürgern und der Presse dadurch weiterentwickelt haben.

4.3.2 Öffnung von Haushaltsdaten zur Planung

Rund um den gesamten Haushaltszyklus gibt es eine Vielzahl von Ansatzpunkten zur Öffnung von Haushaltsdaten. Dies lässt sich um Planung, Bewirtschaftung und Rechnungslegung gruppieren.
Definition: Haushaltsplan
Systematische Zusammenstellung aller voraussichtlichen Einnahmen und Ausgaben sowie Verpflichtungsermächtigungen für einen bestimmten Zeitraum. Er wird benötigt, um den Finanzbedarf und den Deckungsbedarf zu berechnen.
Aus pragmatischen Gründen arbeiten Regierung und Verwaltung bei seiner Erstellung gemeinsam, ehe die Legislative über den Entwurf diskutiert. Auch Kämmerer auf kommunaler Ebene bereiten nach der Vorausschätzung der Deckungsmittel und Gesprächen zur Aufteilung der Finanzmasse die Entwürfe für die Fachbereichshaushalte und den Gesamthaushalt vor (Eichhorn, 2002, S. 57–58).
Offene Haushaltsplandaten und frei zugängliche Haushaltsplanungsportale vereinfachen den Umgang mit Haushaltsplanentwürfen. Diese können heruntergeladen, rasch ausgewertet und gezielt überarbeitet werden. Komprimierte Darstellungen auf einer Bildschirmseite vereinfachen das Verständnis über die Komplexität eines Haushaltsplans. Gerade interaktive Visualisierungen helfen Tabellen- und Zahlensammlungen zu verstehen und wichtige Details zu entdecken. Zugleich eröffnen sich auch spielerische Ansätze, um Interessierten die bestehenden Möglichkeiten und Grenzen des Haushaltsplans aufzuzeigen. Mittlerweile sind vielfältige Darstellungsformate und interaktive Visualisierungsdienste für Daten verfügbar. Zu den neuartigen Darstellungsmöglichkeiten zählen Druckanzeiger, Hitzekarten, detaillierte Geokarten, interaktive Kacheldiagramme, dreidimensionale Zeitleisten, Wissenskarten und rotierende Themenwolken. Kartographische Aufbereitungen in interaktiven Formaten helfen, die räumliche Mittelverteilung darzustellen. Solche Aufbereitungen lassen sich rasch über das World Wide Web und soziale Medien versenden und bereichern so Debatten zur Konzeption, Konsultation und Beschlussfassung eines Haushaltes. Solche Ansätze sind nicht nur für Finanzministerien und Parlamente attraktiv. Gerade Zeitungen, Zeitschriften und zivilgesellschaftliche Gruppen beleben durch Visualisierungen, wie beispielsweise das OKF-Projekt Offener Haushalt (2021), und spielerische, digitale Aufbereitungen die Diskussionen und tragen zur intensiveren Auseinandersetzung bei.

4.3.3 Öffnung von Haushaltsdaten zur Bewirtschaftung

Im Haushaltsjahr selbst wird der Haushaltsplan bewirtschaftet. Zum Haushaltsvollzug werden Haushaltsbewirtschaftungssysteme eingesetzt. Haushaltsdaten können dadurch proaktiv, im vollen Umfang und zeitnah auch als offene Haushaltsdaten in Datenportalen veröffentlicht und zur Steuerung genutzt werden. Mit Direktabfragen im System lassen sich Mitarbeiter tagesaktuell über den Stand der Haushaltskonten, den Ansatz im beschlossenen Haushaltsplan und den bereits erfolgten Mittelabfluss informieren. Eine offene und transparente Haushaltsbewirtschaftung bedeutet, dass wie etwa beim Vorbild Texas Transparency (2021) darüber hinaus auch Politikern, der Presse und der Bevölkerung ein Direktzugriff auf diese Berichtssysteme und deren offenen Daten eröffnet wird. Interaktive Visualisierungen erleichtern das Verständnis. Transparenzportale können über das reine Haushaltswesen hinaus auch über die Mitarbeiter und deren Gehälter, über den Umgang mit Vergaben und Ausschreibungszuschlägen, über die mit einer Gebietskörperschaft geschlossenen Verträge samt Beschlüssen und Abreden sowie über die Zuwendungsempfänger bei öffentlichen Subventionsleistungen informieren. Der transparente Umgang mit diesen Informationen trägt zur Haushaltstransparenz, zur öffentlichen Kontrolle und zur Korruptionsbekämpfung bei. Eventuell dadurch ausgelöste öffentliche Diskussionen können zeitnah zu Handlungsveränderungen, zu Einsparungen, zum zielgerechteren Abruf bereitgestellter Mittel und damit zu nachhaltigeren Entscheidungen führen (von Lucke et al., 2011, S. 30–32).

4.3.4 Öffnung von Haushaltsdaten zur Rechnungslegung

Nach Abschluss eines Haushaltsjahres erfolgen die Rechenschaftslegung und deren Prüfung. Gebietskörperschaften verbessern ihre Transparenz, wenn sie ihre Abschlussberichte in einem Rechenschaftsportal bündeln und dies um die Haushaltsbewirtschaftungsdaten einschließlich der Belege in offenen Datenformaten ergänzen. Eine solche Aufbereitung vereinfacht nicht nur den Rechnungshöfen die Überprüfung, sondern eröffnet auch interessierten Bürgern Optionen für eine unabhängige Analyse. Die proaktive Offenlegung aller Belege dient weniger der Überwachung der Mitarbeiter, sondern informiert die Öffentlichkeit über den korrekten Umgang mit den Steuermitteln und besitzt abschreckende Wirkung auf Regelverstöße. Das Portal OffenerHaushalt.at (2021) des KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung zeigt für die Republik Österreich, wie eine solche Sammlung auch zu kartenbasierten Vergleichen auf Basis von Kennzahlen zur Ertragskraft, Eigenfinanzierungskraft, Leistungsfähigkeit und Verschuldung verwendet werden kann.

4.3.5 Perspektivische Anwendungsfelder

Die sich aus offenen Haushaltsdaten ergebenden Möglichkeiten werden den Umgang mit öffentlichen Mitteln verändern. Berichtssysteme informieren zunehmend tagesaktuell und nicht mehr auf Basis von Berichten aus den vergangenen Wochen, Monaten oder Jahren. Übersichtliche Dashboards für Kämmerer, Oberbürgermeister, Minister und Finanzpolitiker erleichtern das Verständnis einer komplexen Materie. Dies eröffnet auch Beteiligungshaushalten neue Perspektiven. Die zunehmende Offenheit lässt sich von verschiedenen Stellen auch für ein begleitendes Haushaltsmonitoring nutzen. So strebt die Europäische Union mit dem neuen Standard EPSAS an, frühzeitig auf Fehlentwicklungen, Verschuldungen, sinkende Steuereinnahmen und Krisen in einzelnen Mitgliedsstaaten aufmerksam gemacht zu werden, um adäquat sowie zeitig handeln zu können. Für die Rechnungshöfe und Rechnungsprüfungsämter wäre auch ein solcher Zugang von großem Interesse. Dies würde ihnen die Durchführung laufender Analysen ermöglichen und erheblich erleichtern.

4.3.6 SWOT-Analyse zu offenen Haushaltsdaten

Staat und Verwaltung müssen den Grad und die Vielfalt einer Öffnung von Haushaltsdaten im Rahmen ihres Verständnisses von demokratischer Haushaltsführung abwägen und dabei die sich ergebenden Stärken und Schwächen sowie Chancen und Risiken berücksichtigen.
Für eine Öffnung von Haushaltsdaten spricht, dass durch Visualisierung und vorbereitete Auswertungen ein rasches Verständnis der Daten-, Kassen- und Haushaltslage ermöglicht wird. Dies reduziert die Komplexität nachhaltig und verbessert die Haushaltstransparenz. Setzen die beteiligten Stellen im Haushaltswesen zunehmend auf offene Standards, Schnittstellen und Interoperabilität, könnten Haushaltssysteme noch stärker miteinander verknüpft, Vergleichsringe eingerichtet und Folgen von Entscheidungen im politischen Dialog antizipiert werden. Werden Bürger und die Zivilgesellschaft bewusst als konstruktive Impulsgeber in die Haushaltsprozesse eingebunden, können neue Ideen und Vorschläge in der Haushaltsdebatte wertvolle Anregungen generieren. So lässt sich ein transparenter sowie effizienter Umgang mit öffentlichen Mitteln sicherstellen.
Demgegenüber stehen Aufwand und Kosten für die Öffnung. Die gelebten Traditionen eines gedruckten Haushaltsplans oder eines PDF-Dokuments werden auf Seiten der Verwaltung durchaus geschätzt. So bleibt das Bürgerinteresse überschaubar. Es kommen wenig Überarbeitungswünsche und Fehlinterpretationen bleiben aus. Für den Umgang mit Haushaltsdaten ist zudem auch nach einer Öffnung weiterhin Expertenwissen erforderlich.
Echte Risiken bestehen eher darin, dass gute Aufbereitungen offener Haushaltsdaten zu größerem Diskussions- und Änderungsbedarf bei Planung, Bewirtschaftung und Rechnungslegung führen. Dies sollte die Kultur im Umgang mit Änderungen und Fehlern in der öffentlichen Verwaltung zwar im positiven Sinne verändern, jedoch können fehlerhafte und unverständliche Haushaltsdaten auch zur allgemeinen Verwirrung und Intransparenz beitragen. Umgekehrt lassen sich Haushaltsdaten für populistische Zwecke instrumentalisieren. Bemerken Bürger, dass Politik und Verwaltung sie nur informieren oder gar nur zum Schein beteiligen wollen und keine Rücksicht auf ihre Vorschläge nehmen, wird das Interesse abnehmen.
Grundsätzlich überwiegen jedoch die Chancen für Haushaltstransparenz und gelebte Bürgerbeteiligung. Offene Daten tragen zur Stärkung des Vertrauens der Bevölkerung in Staat und Verwaltung bei. Zugleich sind sie eine wichtige Grundlage für Beteiligungs- und Bürgerhaushalte. Die Gesetzgebung zu Open Data eröffnet dem Haushaltswesen mittlerweile viele Ansätze zur Öffnung und Weiterverwertung von Haushaltsdaten. Durch konsequente Vernetzung, Visualisierung und Nutzerorientierung erschließen sich zahlreiche Ansatzpunkte für Transparenz, Bürgerbeteiligung, Zusammenarbeit und Innovation im Haushaltswesen.

4.4 Visualisierung von Haushaltsdaten

Die Bereitstellung von Haushaltsdaten kann durch Visualisierungen unterstützt werden. Einige Anregungen zu den Mehrwerten und Anwendungsbeispielen zeigt der folgende Abschnitt auf.

4.4.1 Mehrwerte einer Visualisierung

Zum Verständnis eines Haushalts sind Kenntnisse im Bereich von Haushaltssystematik, Haushaltsrecht und Haushaltspolitik notwendig. Durch die Visualisierung von Haushaltsdaten in Form von zwei-, drei- oder mehrdimensionalen Artefakten können Datenbestände und deren komplexe Zusammenhänge grafisch erschlossen und rasch verstanden werden. Visualisierungen helfen, denn sie eröffnen wie Kunstwerke den Betrachtern viel Raum für Neugier, Erstaunen, Analyse, Interpretation und offene Fragestellungen. Werden die grundlegenden Datenbestände in offenen Dateiformaten zugänglich gemacht, lassen sich diese mit anderen Daten vergleichen und aufbereiten. All dies trägt zur Steigerung von Transparenz und Nachvollziehbarkeit bei.

4.4.2 Vorbildhafte Visualisierungen offener Haushaltsdaten

Ausgangsbasis für viele Visualisierungen sind Haushaltspläne und Haushaltsstatistiken. Bund, Länder und Kommunen veröffentlichen seit 2010 zunehmend ihre Haushaltspläne in offenen Datenformaten, also Versionen von Beginn der Beratungen über Beschlussfassungen für Haushaltsgesetz und Haushaltssatzung bis zu den Rechenschaftsberichten. Das Bundesministerium der Finanzen publiziert dazu die Daten über das Portal Bundeshaushalt.​de (2021). Zudem werden Agenturen beauftragt, Infografiken mit diesen Daten anzufertigen. Das deutsche Statistische Bundesamt veröffentlicht quartalsmäßig in der Fachserie 14/2 die vierteljährlichen Kassenergebnisse des öffentlichen Gesamthaushalts mit allen Einnahmen und Ausgaben (Statistisches Bundesamt, 2021).
Weltweit gibt es zahlreiche Visualisierungen von Haushaltsdaten. Hervorzuheben sind die Studienarbeiten an der Universität Bern sowie die Aufbereitungen der Städte Freiburg/Breisgau, Idstein und Darmstadt. Bemerkenswert waren die kartenbasierten Aufbereitungen der Einnahmen und Ausgaben aller französischer Kommunen durch NosFinanceLocales (2013) sowie die kartenbasierte Visualisierung von Wiederaufbaufördermitteln im US-Staat Illinois (2011). In Brasilien finden sich im nationalen Transparenzportal Portaltransparencia.gov.br (2021) vielfältige Haushaltsdatensammlungen bis hin zu Stellenplänen und detaillierten Gehaltsübersichten.

4.4.3 Open Budget Data Coaches

Für eine ansprechende Aufbereitung von Haushaltsdaten sind Kompetenzen, Qualität und Kreativität erforderlich. Diese Kompetenzen können Ansprechpartner zu offenen Haushaltsdaten (Open Budget Data Coaches) vermitteln. Zivilgesellschaftliche Gruppen, Vereine und Hochschulgruppen, die Interesse an einer Öffnung und Visualisierung von vorhandenen Haushaltsdaten besitzen, profitieren von deren Fachkenntnissen und Erfahrungen. Coaches wissen, welche Werkzeuge sich für welche Form der Visualisierung besonders eignen, welche Sammlungen mit beispielhaften Umsetzungen gute Anregungen geben und über welche Foren und Netzwerke sich Gleichgesinnte untereinander austauschen. Sie können auch Empfehlungen für weitere Fortbildungsangebote und Massive Open Online Courses (MOOC) geben und auf wissenschaftliche Publikationen hinweisen. Zu den Thementreibern gehören die Open Knowledge Foundation, die OECD mit ihrem Budget Transparency Toolkit, OpenSpending.​org und die Global Initiative for Fiscal Transparency.

4.5 Leitbilder für Beteiligungs- und Bürgerhaushalte

Die Aufstellung eines Haushaltsplans kann vor der Haushaltsdebatte in den zuständigen Gremien unter Einbindung der Bevölkerung (Beteiligungshaushalt) erfolgen oder den Bürgern sogar vollständig übertragen werden (Bürgerhaushalt). In Deutschland werden die beiden Begriffe bedauerlicherweise oft als Synonym verwendet, obwohl dahinter ganz andere Konzepte stecken.

4.5.1 Beteiligungshaushalte

Bei einem Beteiligungshaushalt handelt es sich nach Oliver Märker eigentlich um ein „nichtrepräsentatives Mitberatungsinstrument“. Zunächst wird die Bürgerschaft über einen Haushaltsvorentwurf mit Rahmendaten, Zielen und Wirkungen informiert. Dazu eignen sich Broschüren, Flyer, Plakate und Aufbereitungen im Internet. Ganz im Sinne einer öffentlichen Konsultation dürfen sich interessierte Bürger mit Impulsen, eigenen Ausarbeitungen und Bedenken einbringen. Oft wird gefragt, wofür ein vorgegebenes Investitionsbudget verausgabt werden könnte, wo konkret im Haushalt eine vorgegebene Summe eingespart werden sollte oder welche Ziele und Wirkungen in einem bestimmten Bereich mit einem Budget zu erreichen sind. Bürger tragen so zur Meinungsbildung für die eigentliche Haushaltsaufstellung bei. Heutzutage werden diese Anregungen über IT-basierte Haushaltsbeteiligungssysteme gesammelt. Alle Vorschläge können öffentlich eingebracht, bewertet, unterstützt oder abgelehnt und damit priorisiert und dann gebündelt an die zuständigen Gremien weitergeleitet werden. Haushaltsrelevante Entscheidungen treffen nach öffentlicher Debatte weiterhin die vom Volk gewählten Politiker im Parlament oder Rat mit ihrem Haushaltsbeschluss. Diese machen den Einbezug von Bürgerideen aber transparent und begründen ihre Entscheidungen gegenüber den Bürgern.
Hintergrundinformationen
Eine Variante des Beteiligungshaushaltes ist der Sparhaushalt, bei dem die Bürger mit Blick auf ein vorgegebenes Budget nicht zu Investitions- und Aktivitätsvorschlägen aufgerufen werden, sondern Sparvorschläge und Steuersätze zur Erreichung eines Einsparziels einbringen sollen.
Die Bürger wirken als Impulsgeber, sehen konkrete Ergebnisse ihrer Vorschläge und werden so die direkten Mehrwerte einer Mitwirkung schätzen lernen. Der Mehrwert für die Politik liegt in einer nichtrepräsentativen Beratung unter Nutzung der „Intelligenz der Massen“ und im frühzeitigen Erkennen der Wünsche und Prioritäten. Einzelne Ergebnisse geben politischen Entscheidungen eine Legitimationsbasis. Obwohl sich nicht alle Bürger beteiligen und Medien auf die Mitwirkung Einfluss nehmen, könnten potenziell alle Bürger am Angebot teilnehmen. Risiken wie zu geringe Beteiligung oder Scheinbeteiligung, dominante Minderheiten und eine Boulevardisierung gilt es im Blick zu halten. Dennoch legt ein Beteiligungshaushalt ein Fundament für eine bessere Akzeptanz politischer Entscheidungen in der Bürgerschaft, eine geringere Politikverdrossenheit und öffnet neue Wege für innovative Lösungsansätze (von Lucke et al., 2011, S. 12–14).

4.5.2 Bürgerhaushalte

Denkbar und im wörtlichen Sinne eines „Bürgerhaushalts“ ist es auch, Bürgern als Gruppe die Verantwortung zur Erstellung eines verbindlichen Haushaltsplans vollkommen zu übertragen. Dabei handelt es sich um einen direktdemokratischen Ansatz ohne gewählte Repräsentanten, mit dem erreicht werden soll, dass von den Bürgern ein Haushaltsplan bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt aufgestellt und für die umsetzende Verwaltung verbindlich beschlossen werden soll. Bürgerhaushalte sind „nichtrepräsentative Mitberatungs- und Mitentscheidungsinstrumente“ nach dem Grundsatz „Keine Entscheidung über mich ohne mich!“, die durch IT-Unterstützung erfolgreich realisiert werden können. In demokratischen Staaten erscheint dies ein idealtypisches Denkmodell zu sein, das sich (eigentlich nach einem politischen Haushaltsbeschluss) etwa zum Quartiersmanagement auf ein Viertel übertragen lässt. Es entfaltet seine Wirkung dagegen in allen Regionen mit chaotischen oder anarchistischen Strukturen ohne Ordnung und demokratische Konstitution, aus denen sich staatliche Akteure faktisch zurückgezogen haben, wie etwa in Elendsvierteln oder Slums.
Bis zu einem vorgegebenen Zeitpunkt erarbeiten interessierte Bürger einen Haushaltsentwurf zu einem in der Regel gedeckelten Budget aus. Dieser Entwurf kann im Sinne einer laufenden öffentlichen Konsultation kommentiert, ergänzt und bewertet werden. Der verbindliche Beschluss des Haushaltsplans wird zu einem vorgegebenen Zeitpunkt entweder von den Bürgern selbst beschlossen oder vom gewählten Rat auf Basis der Vorlage bestätigt. Vorstellbar wäre es, den Bürgern im Nachgang zum Beschluss auch die Überwachung und Prüfung der Haushaltsbewirtschaftung zu übertragen.
Ein solcher Ansatz eignet sich vor allem in kleinräumigen überschaubaren Regionen mit direktdemokratischer Tradition sowie zur lokalen Verteilung von Fördermitteln. Bürgern werden direkte Beteiligungs- und Entscheidungsmöglichkeiten gegeben. So kann lokal eine Handlungsagenda unter Einbindung von Wirtschaft und Zivilgesellschaft gesetzt werden. Dies erfolgt in der Regel nichtrepräsentativ und bedeutet eine Entmachtung gewählter Gremien. Zudem kann niemals eine Einbindung aller Bürger gewährleistet werden. Sorgevoll stimmen dabei Befürchtungen, sich einem Diktat von engagierten Minderheiten, gut organisierten Lobbygruppen und Stimmen gekaufter Mitbürger beugen zu müssen. Ein solches Verhalten kann von der Presse durchaus skandalisiert werden. Dennoch überzeugen solche Ansätze, wenn sie Bürger vor Ort mobilisieren, Wirkung entfalten und der Korruptionsbekämpfung dienen (von Lucke et al., 2011, S. 21–23).

4.5.3 Handbücher, Anleitungen und Werkzeuge

Zu Widersprüchen und zur Wirklichkeit des partizipativen Planungsmodells von Beteiligungs- und Bürgerhaushalten hat Rogerio Rodrigues Mororó am Beispiel von Porto Alegre (Brasilien) geforscht. Seine ausgezeichnete Dissertationsschrift (Mororó, 2014) eröffnet wertvolle Einblicke in Theorie und Praxis. Sebastian Schneider hat sich in seiner Dissertation (Schneider, 2018) mit den Einflussfaktoren bei Bürgerhaushalten in Deutschland am Beispiel der Stadt Oldenburg auseinandergesetzt. Mittlerweile haben auch eine Reihe an deutschen Städten wie Köln, Oldenburg und Frankfurt am Main ihre Evaluierungen von Bürger- und Beteiligungshaushalten veröffentlicht. Ergänzt wird dies durch Portale wie Buergerhaushalt.org (2021) von der Bundeszentrale für politische Bildung. Wertvoll sind zudem Leitfäden, Handbücher und Handlungsanleitungen, die über Beteiligungs- und Bürgerhaushalte sowie Methoden, Werkzeuge und Umsetzungen informieren. Praxisbezogene Publikationen helfen, um von den Erfahrungen anderer Kommunen zu profitieren.

4.5.4 Best Practice: Beteiligungshaushalte

Vorbildhafte Umsetzungen für Beteiligungshaushalte, die sich für eine vertiefende Analyse eignen, finden sich in Friedrichshafen am Bodensee, Berlin-Lichtenberg, Stuttgart und Freiburg.
Aus der T-City Friedrichshafen hat sich 2010 die Anliegensmanagementplattform „Sags-doch.de“ entwickelt. 2015 wurde sie um das Bürgerbeteiligungswerkzeug „mach-mit!“ ergänzt. Die erste Bürgerbeteiligung fand gleich zum Doppelhaushalt 2016/17 der Stadt Friedrichshafen statt. Zwei Jahre später folgte zum Doppelhaushalt 2018/19 erneut ein Lauf, der den Fraktionen viele Impulse gab. Der Kreistag des Bodenseekreises beschloss 2018 über dieselbe Plattform eine Bürgerbeteiligung zum Haushalt 2019 durchzuführen. Verwaltung, Kämmerer und Fraktionen haben dadurch viel gelernt und wertvolle Impulse sammeln dürfen.
Berlin-Lichtenberg hat 2005 den ersten Beteiligungshaushalt in Deutschland durchgeführt und seitdem dafür mehrere Preise erhalten (BHL, 2021). In der baden-württembergischen Landeshauptstadt Stuttgart hat sich seit 2011 ein Beteiligungshaushalt unter der Marke „Bürgerhaushalt“ etabliert (BHS, 2021). Die Stadt Freiburg setzt seit 2014 auf Beteiligungshaushalte. Zahlreiche Vorschläge finden sich in den Änderungsanträgen der Gemeinderatsfraktionen wieder. Viele davon werden in den Doppelhaushalt übernommen, auch solche, die ursprünglich nicht im Haushaltsentwurf vorgesehen waren. Weitere Vorschläge gelangen im Verlauf der folgenden Jahre auf die städtische Agenda.

4.6 Offene Vergabe

Für das öffentliche Haushaltswesen sind Ausschreibungen und Vergaben ebenso relevant. Im folgenden Abschnitt wird aufgezeigt, wie Transparenz im Bereich von Beschaffung und Vergabe geschaffen werden kann.

4.6.1 Öffentlicher Einkauf und offene Vergabe

Durch die Vergabe wird das politische Handeln konkretisiert. Staatliche und kommunale Stellen beschaffen Produkte und Dienstleistungen am Markt, für deren Einkauf sie öffentliche Mittel ausgeben, die an anderer Stelle eingenommen werden müssen. Um die monopolartige Situation der Verwaltung nicht in ungerechtfertigter Weise gegen die Anbieter auszuspielen, organisiert sich das öffentliche Beschaffungswesen über Ausschreibungen und Vergaben. Zunehmend werden dazu elektronische Vergabeplattformen verwendet. Im föderalen Mehrebenensystem der Bundesrepublik beschaffen zuständige Beschaffungsstellen der Ämter und Behörden eigenständig. Dafür nutzen sie teilweise öffentliche oder privatwirtschaftliche Ausschreibungsplattformen. Eine verlässliche Gesamtübersicht über Umfang, Volumen und Stellen lag mangels statistischer Erfassung bis 2020 nicht vor.
Überlegungen zur angemessenen Öffnung des öffentlichen Einkaufs und Vergaben sowie zu offenen Vergabedaten spielen in Wissenschaft und Zivilgesellschaft durchaus eine Rolle. In ihrer Dissertation hat sich Britta Reuter der Frage gestellt, wie Transparenz und die Öffnung öffentlicher Einkaufsdaten im Kontext offener Verwaltungsdaten auch für Deutschland Realität werden kann. Das Werk (Reuter, 2021) gilt als wichtiger Meilenstein für die weitere Öffnung der Vergabe und der Vergabedaten in Deutschland. Die Verfasserin hat Vergabe- und Bekanntmachungsportale auf Bundes- und Landesebene analysiert, ein konkretes Leitbild formuliert und Handlungsempfehlungen vorgelegt. All dies wird zu einer Modernisierung des Vergabewesens in Deutschland, insbesondere bei Vergaben im Unterschwellenbereich, beitragen.
Der Begriff „öffentlicher Einkauf“ wird dabei als Oberbegriff für die Versorgung von öffentlichen Bedarfsträgern mit Lieferungen und Leistungen verwendet. Die Käufer kommen aus dem öffentlichen Sektor und kaufen Produkte, Güter und Dienstleistungen für den öffentlichen Bedarf ein. In der Regel übernehmen spezielle Organisationseinheiten in Behörden die Funktion des Einkaufens nach den Regeln des Ausschreibungswesens. Das Einkaufsvolumen öffentlicher Stellen in der Bundesrepublik Deutschland wird für 2019 auf über 30 Milliarden EUR pro Jahr geschätzt. Die Vergabe umfasst nur die Auftragsvergabe sowie den prozessualen Ablauf gemäß den Vergabeordnungen und dem Vergaberecht. Sie ist damit nur ein Teil des übergeordneten und weiterreichenden Einkaufsprozesses, der mit der Bedarfsanalyse beginnt und auch die Lieferungen, Zahlungstransaktionen und Zeiträume der Garantiegewährleistungen umfasst (Reuter, 2021, S. 33–34).

4.6.2 Bestandsaufnahme öffentlicher Einkaufsdaten

Ein offener öffentlicher Einkauf, im Prinzip also das Ergebnis der Schnittmenge von öffentlichem Einkauf, Electronic Government und Open Government, gilt es in Deutschland in den 2020er-Jahren noch aufzubauen. Staatliche Einkaufsdaten werden bisher kaum geöffnet und geteilt. Für den Zugriff auf Ausschreibungsunterlagen müssen Unternehmen vielfach bezahlen. Solange der Vergabeprozess läuft, muss Vertraulichkeit gewährleistet sein. Nach erfolgter Vergabe kann aber Transparenz über Angebote und Zuschläge geschaffen werden. Öffentlichen Ausschreibungsportalen mangelt es bisher an einer durchgängigen Verbindung und Vernetzung ebenso wie an einem automatischen Zuordnen der Ausschreibungen zu Angeboten und ihren Auswertungen. Zwar sind Daten zu Ausschreibung, Bewertung und Vergabe in den bestehenden digitalen Vergabesystemen in Deutschland vorhanden, ergänzende Daten zur Planung und Ausführung fehlen jedoch. Auch die Qualität der bisher vorliegenden Einkaufsdaten muss als verbesserungswürdig eingestuft werden. 2020 fehlte zudem eine ebenenübergreifende Umsetzungsstrategie für ein elektronisches Vergabenetzwerk in Deutschland (Reuter, 2021, S. 232–233).
Kenntnisse über die Verbreitung von offenen öffentlichen Einkaufsdaten werden dabei helfen, eine Öffnung des Vergabewesens zu forcieren. Dies führt zu einem erhöhten Wettbewerb der Anbieter und Preisreduktionen zu Gunsten staatlicher Stellen, zur gezielteren Korruptionsbekämpfung und zur Haushaltstransparenz. Zur Umsetzung sind aber politischer Wille zu Transparenz und Zusammenarbeit sowie ein politischer Diskurs mit der Wirtschaft erforderlich. Vermutlich bedarf es auch einer gerichtlichen Auseinandersetzung, um eine breite öffentliche Akzeptanz für die erforderliche Neubewertung von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen nach einer Öffnung des Vergabewesens und der Öffnung von Einkaufsdaten zu gewinnen. Sorge bereiten Ansehensverluste staatlicher Stellen, sollten unvorteilhaft geschlossene Verträge so publik werden. Dies führt aber auch zu besseren Einsparpotenzialen durch Transparenz und eine verlässliche Vergabestatistik, zu einer verstärkten elektronischen Vergabe und zur Realisierung weiterer Synergieeffekte (Reuter, 2021, S. 243).

4.6.3 Offenes öffentliches Beschaffungswesen

Ein offenes öffentliches Beschaffungswesen kann in Deutschland durchaus realisiert werden. Schließlich liegt ein Großteil der öffentlichen Einkaufsdaten digital vor. Aber nur ein gutes Drittel der Daten werden online und maschinenlesbar bereitgestellt. Kenntnisse über die Verbreitung von offenen öffentlichen Einkaufsdaten werden helfen, eine Öffnung des Vergabewesens zu forcieren. Bislang fehlt es noch am politischen Willen zur Schaffung von Transparenz im Bereich des öffentlichen Einkaufs sowie an einer Anpassung der Rechtslage. Es dominieren eher die Sorge um Amts- und Dienstgeheimnisse sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse von Unternehmen, wenn Verwaltungsbehörden und deren Mitarbeiter über die Öffnung des Vergabewesens und deren Konsequenzen nachdenken. Dahinter steckt auch die Sorge und die Erfahrung, durch zu viel Transparenz die langwierigen Vergabeverfahren noch mehr zu verlangsamen, da sich mehr Angriffspunkte für Einsprüche vor der Vergabekammer ergeben. Dass Transparenz nach der Vergabeentscheidung zu einer rechtskonformen Vergabe im Sinne von Rechenschaft gehören muss, wird dabei gerne ausgeblendet. Ebenso entspricht der Wunsch, die Kalkulation eines Angebots gegenüber dem Staat und der Konkurrenz nicht aufzudecken, der gelebten Tradition in Deutschland.
Politisch wäre es vorstellbar, wie etwa in Brasilien, dass das öffentliche Interesse an Transparenz der Gebote um öffentliche Mittel höher wiegt als die Interessen der Unternehmen, die eine Anbieter- und Angebotstransparenz verhindern wollen. Transparenz wird sicherlich auch zu substanziellen Veränderungen führen, etwa tagesaktuelle Übersichten zur Auftragsvergabe oder die Weiterverwertung von offen einsehbaren Vertragstexten durch Dritte. Insofern bedarf es eines Leitbildes zur Öffnung des öffentlichen Einkaufs. Britta Reuter sieht die Öffnung der öffentlichen Einkaufsdaten als Teil der digitalen Transformation des öffentlichen Einkaufs sowie die zentrale Vision für die kommenden Jahre. Daraus leitet sie die konkrete Mission ab, die öffentlichen Einkaufsdaten des Unterschwellenbereichs zur optimierten Steuerverwendung über das GovData.de-Portal bereitzustellen (Reuter, 2021, S. 360).

4.6.4 Internationale Best Practice als Vorbild für Deutschland

Beispiele zu Open Contracting aus aller Welt zeigen, dass sich offene Einkaufsdaten und eine offene Vergabe realisieren lassen und so Wirkung erzielen. In ihrem Werk geht Britta Reuter etwa vertieft mit Fallbeispielen auf die Entwicklungen in Frankreich (Reuter, 2021, S. 342–350) und in der Slowakei (Reuter, 2021, S. 332–341) ein und leitet daraus Implikationen für Deutschland ab.
Die kanadische Provinz Nova Scotia veröffentlicht seit Jahren bei der Zuschlagsinformation nicht nur den Gewinner der Vergabe sowie die Höhe dessen Gebots, sondern auch eine transparente Übersicht aller unterlegenen Bieter und deren finanzielle Gebote.
Die italienische Regierung begann 2012 unter dem Ministerpräsidenten Monti mit dem Portal OpenCoesione.​gov.​it (2021) eine kartografische Übersicht der Auszahlungen von Kohäsionsmitteln der Europäischen Union in Italien zu publizieren. Betrachter verstanden rasch, welche Regionen für welche Projekte von den Zuwendungen profitieren sollten. Dies sorgte in Italien für erhebliche Diskussionen.
Internationaler Treiber einer offenen Vergabe ist die zivilgesellschaftlich organisierte Open Contracting Partnership (2021). Sie koordiniert Aktivitäten und hat mit dem Open Contracting Data Standard Modell auch einen Standard gesetzt.

4.6.5 Handlungsfelder zur Öffnung des öffentlichen Einkaufs

Zur Etablierung eines offenen öffentlichen Beschaffungswesens in Deutschland bedarf es einer Strategie, um dieses Ziel in politischen Programmen zu verankern, um von einer Teilnahme an der Open Contracting Partnership zu profitieren und um nachhaltige Projekte aufzusetzen. All dies gilt es zu koordinieren und zu organisieren. Mit einer Anpassung des Vergaberechts an eine Öffnung können die Berichtspflichten für einkaufende staatliche Stellen angepasst werden. Technische Fortschritte und Standards werden neuartige Einsatzpotenziale eröffnen. Gelebte Transparenz, Partizipation und Kollaboration tragen dazu bei, eine breite Unterstützung zu erzielen (Reuter, 2021, S. 364–376).

4.7 Beteiligungsberichte

Um Transparenz im Haushaltswesen zu schaffen, sind nicht zuletzt Beteiligungsberichte ein wichtiges Instrument. Im folgenden Abschnitt wird erläutert, wie Beteiligungsberichte heute und zukünftig aufbereitet werden können.

4.7.1 Transparenz über Beteiligungen

Die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben können Gebietskörperschaften auch auf Unternehmen und andere Organisationen auslagern. Häufig besitzen sie dazu zahlreiche Unternehmen und Unternehmensbeteiligungen. Mit einem Beteiligungsmanagement wird sichergestellt, dass Einfluss auf diese Beteiligungen genommen werden kann. Zugleich muss die Frage beantwortet werden können, welche Leistungen mit welchen Mitteln erbracht werden und welcher Beitrag für die Erbringung öffentlicher Aufgaben erwirtschaftet wird. Dazu ist eine Transparenz über die Beteiligungen unerlässlich (Papenfuß et al., 2015, S. 3–4).

4.7.2 Instrument: Beteiligungsberichte

Jährliche Berichte des Beteiligungsmanagements helfen, einen Überblick über die zahlreichen Beteiligungen zu bekommen, die jeweils für sich ihre eigenen Geschäftsberichte veröffentlichen. Kernaufgabe des Beteiligungsberichts ist die Darstellung der öffentlichen Vermögensbestände, die durch die Beteiligung an Unternehmen entstanden sind. Zugleich leitet sich aus der Aufbereitung ab, wieso das Engagement noch notwendig ist und welche Mehrwerte sich aus den jeweiligen Beteiligungen ergeben (Hartenstein, 2015).
Bürger erhalten so einen Überblick über die Vielfalt öffentlicher Beteiligungen und die Anteile an den jeweiligen Organisationen. Zugleich wird die Mittelverwendung in den öffentlichen Unternehmen verständlich. Beteiligungsberichte zeigen zudem die Rolle der Beteiligungen für die Daseinsvorsorge in der Region deutlich auf. Politik und Verwaltung bekommen aus diesen Berichten die Auskunft, inwieweit demokratisch gewollte Handlungsziele wirksam und wirtschaftlich erfüllt werden. Der Überblick über bilanzielle Informationen zur Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der öffentlichen Unternehmen sichert einen Gesamtüberblick, ob das Richtige getan wird oder ob es richtig getan wird (Papenfuß et al., 2015, S. 3–4). Mittlerweile gibt es einige Handbücher und Leitfäden zur Erstellung von Beteiligungsberichten, die so zur Professionalisierung solcher Berichte beitragen. Bisher werden Beteiligungsberichte vor allem in Papierform und elektronisch in Form von PDF-Dokumenten bereitgestellt. Offene Standards und offene Schnittstellen zu öffentlichen Beteiligungen wurden in Deutschland noch nicht gesetzt, obwohl sich gerade hier für vernetzte offene Daten viele Möglichkeiten eröffnen.

4.7.3 Offene Unternehmensregister

Ganz im Sinne offener Handelsregisterdaten könnten Metadaten zu Unternehmen derart in einem offenen Unternehmensregister gesammelt und offen geteilt werden, dass sie Dritte auf Basis offener Standards und Schnittstellen für Analysen und Anwendungen bereitgestellt werden. Ein globaler Verbund solcher (nationaler) offener Unternehmensregister würde es erlauben, relevante Hintergrundinformationen zu allen Unternehmen abzurufen. Eine solche Transparenz trägt zu einer globalen Markt- und Unternehmenstransparenz bei. Sie ist eine wichtige infrastrukturelle Grundlage für einen globalen digitalen Markt.
Open Corporates (2021) ist ein britisches Datenportal, das den Zugang zu Unternehmensdaten von mehr als 200 Millionen Unternehmen erschließt. Neben der Webseite stehen auch die Programmierschnittstelle OpenCorporates’ API und Datenbestände zum Abruf bereit. Das Unternehmen wurde 2010 gegründet, durchlief den Inkubator des Londoner Open Data Instituts und ist auf Grund seiner Förderung von Unternehmensdatentransparenz mehrfach prämiert worden.
Auf Basis offener Standards und Schnittstellen für Unternehmensmetadaten lassen sich Beteiligungsberichte von Gebietskörperschaften künftig vollkommen neuartig generieren. Daten, Kennzahlen und Berichte werden dann offen hinterlegt, so dass sie im Sinne von Linked Open Data tagesaktuell miteinander verknüpft und verwendet werden können. Organigramme und Beteiligungsstrukturbäume können dann auf Knopfdruck täglich und nach jeder Veränderung neu erzeugt werden.

4.7.4 Moderne Beteiligungsberichte

Moderne Beteiligungsberichte nutzen bereits zahlreiche Möglichkeiten der Datenaufbereitung und der Datenanalyse, selbst wenn weder offene Unternehmensdatenstandards verwendet noch Berichtsdaten offen bereitgestellt werden. Dazu zählen unterschiedliche Aufbereitungen und Visualisierungen, etwa nach unmittelbarer und mittelbarer Beteiligung oder nach alleiniger, Mehrheits- und Minderheitsbeteiligung sowie Rechtsformen. Auch Kennzahlen zur Geschäftsentwicklung, Beschäftigungszahlen, der Anteil von Frauen, die Höhe von finanziellen Zuwendungen sowie die Zusammensetzung und Vergütung der Geschäftsführungen und der Überwachungsorgane bieten weitere Anknüpfungspunkte. Ebenso lassen sich Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in den Berichten zusammentragen und redaktionell aufbereiten. Graphische Beteiligungsbäume wachsen mit der Anzahl der Beteiligungen und erschließen die komplexe Materie rasch und übersichtlich.

4.7.5 Ausblick: Offene Beteiligungsberichte

Sollen für ein zeitgemäßes Public Management bis Ende der 2020er-Jahre offene Beteiligungsberichte Realität werden, etwa um die Möglichkeiten vernetzter offener Daten eindrucksvoll nutzen zu können, sind noch einige Aufgaben zu bewältigen. Zunächst muss international an die offene Standardisierung von Unternehmensdaten und Beteiligungsberichten herangegangen werden. Zugleich bedarf es akzeptierte offene Schnittstellen, um diese Datenbestände sicher transferieren zu können. Derzeit wird dazu vom W3C an einer Reconciliation Service API (2021) gearbeitet. Aber erst, wenn entsprechende Unternehmensdatenbanken mit Daten und strukturierten Berichten gefüllt sind, lassen sich Kennzahlen, Übersichten, Organigramme, Beteiligungsportfolios und Beteiligungsberichte automatisch erstellen. Eine solche Schnittstelle wird noch mehr Potenziale eröffnen. Eine derartige Aufbereitung erlaubt eine erweiterte Analyse der staatlichen oder kommunalen Verschuldung. Bekanntlich werden Beteiligungen bei klassischen Finanz- und Schuldenanalysen eher selten betrachtet. Manchmal bietet es sich aus taktischen Gründen an, Schulden aus dem Blickfeld der Politik und Rechnungshöfe zu nehmen.
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Literatur
Zurück zum Zitat Eichhorn, P. (2002). Aufstellung des Haushaltsplans. In P. Eichhorn et al. (Hrsg.), Verwaltungslexikon (3. Aufl., S. 57–58). Nomos. Eichhorn, P. (2002). Aufstellung des Haushaltsplans. In P. Eichhorn et al. (Hrsg.), Verwaltungslexikon (3. Aufl., S. 57–58). Nomos.
Zurück zum Zitat Hartenstein, H. (2015). Herausforderungen von großen frei zugänglichen Datenbeständen des öffentlichen Sektors – Big Open Public Data, TOGI-Schriftenreihe (Bd. 14). ePubli GmbH. Hartenstein, H. (2015). Herausforderungen von großen frei zugänglichen Datenbeständen des öffentlichen Sektors – Big Open Public Data, TOGI-Schriftenreihe (Bd. 14). ePubli GmbH.
Zurück zum Zitat von Lucke, J. (2011). Open Budget – Gedanken zur Öffnung des Haushaltswesens im Zeitalter sozialer Medien und vernetzter Communities. In: H.-U. Heiß, P. Pepper, H. Schlinghoff & J. Schneider (Hrsg.), INFORMATIK 2011 – Informatik schafft Communities, CD-ROM, GI-Edition, Lecture notes. Gesellschaft für Informatik. http://www.user.tu-berlin.de/komm/CD/paper/061123.pdf. Zugegriffen am 06.12.2021. von Lucke, J. (2011). Open Budget – Gedanken zur Öffnung des Haushaltswesens im Zeitalter sozialer Medien und vernetzter Communities. In: H.-U. Heiß, P. Pepper, H. Schlinghoff & J. Schneider (Hrsg.), INFORMATIK 2011 – Informatik schafft Communities, CD-ROM, GI-Edition, Lecture notes. Gesellschaft für Informatik. http://​www.​user.​tu-berlin.​de/​komm/​CD/​paper/​061123.​pdf. Zugegriffen am 06.12.2021.
Zurück zum Zitat Papenfuß, U., Peper, H., & Steinhauer, L. (2015). Qualität kommunaler Beteiligungsberichte im deutschlandweiten Vergleich. Messmodell, Checkliste und Ranking von 81 Großstädten. In R. Böhmer, J. Kegelmann & J. Kientz (Hrsg.), Rechnungswesen und Controlling in der öffentlichen Verwaltung (Heft. 8, S. 1–60). Papenfuß, U., Peper, H., & Steinhauer, L. (2015). Qualität kommunaler Beteiligungsberichte im deutschlandweiten Vergleich. Messmodell, Checkliste und Ranking von 81 Großstädten. In R. Böhmer, J. Kegelmann & J. Kientz (Hrsg.), Rechnungswesen und Controlling in der öffentlichen Verwaltung (Heft. 8, S. 1–60).
Zurück zum Zitat Schmidt, U. (2002). Haushaltskreislauf. In P. Eichhorn et al. (Hrsg.), Verwaltungslexikon (3. Aufl., S. 474). Nomos. Schmidt, U. (2002). Haushaltskreislauf. In P. Eichhorn et al. (Hrsg.), Verwaltungslexikon (3. Aufl., S. 474). Nomos.
Metadaten
Titel
Open Budget – Öffnung des Haushaltswesens
verfasst von
Jörn von Lucke
Katja Gollasch
Copyright-Jahr
2022
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-36795-4_4

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