Die Rolle des Navigators in Unternehmen ist grenzüberschreitend, vernetzt und sichert Ressourcen. Angesichts der zunehmenden Unsicherheit sollte die Funktion jenseits klassischer Karrieremodelle unbedingt gefördert werden.
In Unternehmen wird die abteilungsübergreifende Rolle von Navigatoren benötigt.
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Navigieren ist die Kunst des Steuermannes. Im einfachen Fall heißt Navigieren, den Standort feststellen, das Ziel festlegen und den Weg dorthin steuern. Die höhere Form des Navigierens ist die Fähigkeit, sich im Unbekannten zurechtzufinden - dann, wenn die Standorte ungewiss, die Ziele beweglich und die Wege vielfältig sind." (Fredmund Malik)
1. Auf der Suche nach Navigation
Die Suche nach Navigation in einem organisatorischen Kontext ist allgegenwärtig. Zahlreiche Veröffentlichungen zu grenzüberschreitenden Rollen beschreiben die Notwendigkeit, sich in einem zunehmend schwierigeren Umfeld zurechtzufinden. Generell bedeutet Navigation: Orientierung finden, Sinn und Richtung vorgeben und sichere Häfen ansteuern. Organisatorische Navigation ist für diejenigen Personen und Rollen von entscheidender Bedeutung, die durch ein hohes Maß an Komplexität, Autonomie und Verantwortung gekennzeichnet sind.
2. Mit dem Warum beginnen
Vor mehr als 50 Jahren führt Dennis W. Organ, Professor für Personal- und Organisations-verhalten, die Bedeutung von Grenzgängern als Bindeglieder zwischen ihren Organisationen und der Umwelt ein. Er weist darauf hin, dass es nicht die Organisation als solche, sondern die organisatorischen Akteure sind, die mit der Umwelt interagieren, insbesondere in turbulenten Zeiten. Das Cynefin-Framework befasst sich mit dem systemischen Wandel von ehemals einfachen Geschäftsbedingungen hin zu komplexen Aufgabenstellungen mit ungeordnetem Kontext. Dies erfordert neue Führungsprofile auf allen Ebenen der Organisation.
3. Wer sind die organisatorischen Grenzgänger?
Studien weisen auf grenzüberschreitende Rollen vor allem in den Funktionen Forschung & Entwicklung, Marketing & Vertrieb sowie Einkauf & Lieferketten-Management aus. Deren Akteure funktionieren als Dreh- und Angelpunkte innerhalb und zwischen Unternehmensnetzwerken. Dies kann mit der formalen organisatorischen Rolle übereinstimmen, z.B. einem Großkundenmanager, kann aber auch von jemandem übernommen werden, der eher informell Verantwortung übernimmt, z. B. einem technischen Experten.
4. Wie spielt sich Navigation ab?
Vor diesem Hintergrund wurde das Interviewpanel gebildet: Mitarbeiter auf mittleren Führungsebenen aus verschiedenen Unternehmen, Branchen und Regionen, die bei der Reflexion eines selbst ausgewählten Projektes ihre Rolle als Navigator beschreiben.
4.1 Wahrnehmen - den Kurs festlegen
Allen interviewten Projekten ist das Lesen von Zeichen und Signalen, das Erkennen von Chancen und/oder Bedrohungen gemeinsam. Es ist zunächst die Fähigkeit des Navigators, zu interpretieren, zu synthetisieren und Bedeutung zu verleihen, das heißt den Status quo der Organisation zu definieren (Position A). Zweitens die Fähigkeit, sich ein gewünschtes Ziel (Position B) vorzustellen und anzuvisieren. Und drittens proaktive Extrapolation durch das Ausarbeiten von Routen für die Richtung von A nach B.
4.2 Sichern – Ermöglichen der Reise
Besonders in größeren Organisationen sind Überbrückungsstrategien erforderlich, um Ressourcen zu sichern und sie effektiv zusammenzuführen. Navigatoren profitieren von ihrem persönlichen Netzwerk und stellen aktive Verbindungen innerhalb und über organisatorische Grenzen hinweg her. Sie wirken wie ein Magnet, motivieren Teammitglieder, sich der Reise anzuschließen, und schaffen eine Atmosphäre des gegenseitigen Vertrauens.
4.3 Verändern - die Ziellinie überqueren
Obwohl Wahrnehmung und Sicherung grundlegende Voraussetzungen für eine erfolgreiche Navigationsführung sind, reichen sie nicht aus. Viele gut geplante Projekte und motivierte Reisen würden, laut den Interviewpartnern, die Ziellinie nicht erreichen, wenn Agilität und Anpassungsfähigkeit bei der Durchführung keine wichtige Rolle spielen. Als Reaktion auf unbekanntes Terrain und sich ändernde Bedingungen sind flexible Manöver erforderlich.
5. Was sind die Navigations-Fähigkeiten?
Passend zum triangulierten Navigationsprozess des Wahrnehmens, Sicherns und Veränderns können die hierfür notwendigen Fähigkeiten durch das dreigliedrige Konzept von Kopf, Herz und Händen beschrieben werden.
5.1 Kopf
Konzeptionelles Denken ermöglicht es dem Navigator, das Gesamtbild zu verstehen, ein Muster zu erkennen und eine Verbindung herzustellen. Navigation erfordert Kreativität, um Ideen und Szenarien für neue und unerforschte Lösungen zu generieren. Die Ideenfindung ist oft mit Neugier verbunden, der Fähigkeit, alternative Wege und Richtungen zu hinterfragen, zu erkunden und zu untersuchen.
5.2 Herz
Die emotionale Dimension ist durch die Fähigkeit von Navigatoren gekennzeichnet, ihre eigene Leidenschaft und Begeisterung für Veränderung und Innovation auf andere zu übertragen. Die ansteckende Wirkung ihres proaktiven Verhaltens erzeugt Optimismus und einen positiven Teamgeist. Auf die Frage, was wichtiger ist: die Reise oder das Ziel, werden Navigatoren hinzufügen: die Kameradschaft.
5.3 Hände
Auf der Reise werden die aktuellen Bedingungen von den Erwartungen abweichen. Navigatoren müssen den Mut haben, kontrollierte Risiken einzugehen, wenn sie Hindernisse und Hürden auf ihrem Weg umgehen. Sie beweisen Beharrlichkeit und Hartnäckigkeit, führen mit gutem Beispiel und nehmen die Hände nicht vom Ruder oder Steuer, bis die Aufgabe vollständig erfüllt ist. Wie alle interviewten Navigatoren nachdrücklich betonen, ist es ihre Fähigkeit, einen angemessenen Anteil von Fähigkeiten und Eigenschaften aus allen drei Dimensionen zu kombinieren und parallelisieren, die sie als Navigatoren auszeichnet.
6. Wann engagieren sich Navigatoren?
Navigatoren bekleiden selten ernannte Führungspositionen; sie führen durch situative und proaktive Initiative. Daher ist Anerkennung für sie sehr wichtig, insbesondere bei der Durchführung von Projekten, die mehrere interne und externe Grenzen überschreiten.
Navigatoren sind lernbegierig und entwickeln ihre Fähigkeiten und Kompetenzen weiter. Herkömmliche Schulungs- und Entwicklungsmaßnahmen reichen nicht aus; stattdessen sind unterschiedliche Formate und Methoden erforderlich, wie zum Beispiel Simulationen, Szenario-Planungen und/oder spielbasiertes Lernen.
Navigatoren ziehen es vor, sich horizontal oder lateral zu entwickeln. Sie entscheiden sich für grenzüberschreitende Rollen mit Führungspotenzial gegenüber silokomprimierten Rollen mit Managementverantwortung. Bei Leistungsbeurteilungen sind Navigatoren an Feedforward-Gesprächen interessiert, um künftig besser unterstützt zu werden.
7. Navigatoren sind wichtig
In Anbetracht der zunehmenden Volatilität und Unsicherheit von Rahmenbedingungen sowie der Komplexität und Mehrdeutigkeit der Aufgaben in grenzüberschreitenden Rollen ist es höchste Zeit für Organisationen, Navigation zu ermöglichen, zu fördern und zu belohnen. Es ist nicht das, was diese Navigatoren im Kopf haben, was sie aus der Masse hervorstechen lässt, sondern die Art und Weise, wie sie das nutzen, was sie haben.