Von der Corona-Pandemie sind alle Organisationen mehr oder weniger betroffen. Doch wie widerstandsfähig sie durch die Krise kommen, hängt von vielen Faktoren ab. Forscher versuchen sich mit einem Working Paper der Resilienz von Organisationen zu nähern.
In der Corona-Pandemie zeigt sich, wie resilient beziehungsweise robust Organisationen Krisen überstehen. Nicht alle schaffen es unbeschadet.
Rico Kerstan und André Röhl, beide Wissenschaftler an der Northern Business School in Hamburg (NBS), haben mit ihrem Working Paper "Wie gut ist die Resilienz von Organisationen in Zeiten der Pandemie?" aufgezeigt, vor welchen Schwierigkeiten Organisationen in der Corona-Krise stehen.
Wie Corona auf Organisationen wirkt
Durch die Covid-19-Pandemie sind Organisationen als "struktureller und sozialer Rahmen für wirtschaftliche und gesellschaftliche Aktivitäten" selbstredend betroffen, heißt es in der Analyse. Corona bringt für Unternehmen und alle anderen Organisationen große Veränderungen mit sich. Es müssen Einschränkungen bedacht, Anpassungen vorgenommen und Korrekturen so schnell wie möglich umgesetzt werden, egal, ob es sich nun um einen Nachfrageeinbruch oder um Teamsplitting-Modelle im Homeoffice handele.
Unternehmen befinden sich also in einer Krise, einer Situation, "die aufgrund der ihr innewohnenden Risiken besondere Entscheidungsprozesse erfordert". Dabei bestimme unabhängig von den äußeren Einflussfaktoren mit, wie widerstandsfähig beziehungsweise krisenfest ein Unternehmen ist. "An diese exante vorhandene Widerstandsfähigkeit knüpft der Begriff der Resilienz an, der aber zusätzlich auch die Frage beinhaltet, wie gut ex-post mit den relevanten Gefahren und Schäden umgegangen wird", so die Forscher weiter.
Krisenmanagement als Resilienzfaktor
Unter anderem deswegen sind Organisationen auch unterschiedlich stark von der Krise betroffen. Vieles hängt davon ab, welchen Reifegrad die in den jeweiligen Organisationen getroffenen Entscheidungen und Maßnahmen haben. Krisenmanagement ist dabei Teil der organisationalen Resilienz. Daraus entstehen komplett neue Ansatzpunkte für die jeweiligen Resilienzkonzepte in den Organisationen.
Die wesentlichen Änderungen, die zeigen, dass sich Organisationen in einer Krise befinden, sind folgende:
- Änderung der Rahmenbedingungen für beschäftigte Mitarbeiter.
- Neue Prozessabläufe durch Schutzmaßnahmen.
- Einschränkungen im Alltag, die das Arbeitsleben beeinflussen.
Hier muss laut der beiden Wissenschaftler zum einen das Krisenmanagement ansetzen. Zum anderen eröffnen sich an diesen Punkten auch Möglichkeiten, um zu analysieren, wie resilient Organisationen Krisen gegenüber sind.
Was bedeutet organisationale Resilienz?
Springer-Autorin Birgit Cronenberg definiert im Buchkapitel "Grundlagen und wesentliche Elemente der organisationalen Resilienz" den Begriff der Resilienz (Seite 25-26).
Im Kern bedeutet der Begriff Resilienz den erfolgreichen Umgang mit einer Störung (einem Schock, widrigen Umständen), insbesondere durch Anpassungsfähigkeiten oder Möglichkeiten zur Verringerung der Verletzlichkeit. Ebenso wird darunter der Umgang mit einer Krise, also Verhaltensweisen und Ressourcen, die dazu führen mit widrigen Umständen umzugehen, als Resilienz verstanden. Dieses allgemeine Verständnis wird auf den lateinischen Ursprung 'resilire' zurückgeführt und bedeutet so viel wie abprallen und zurückspringen oder aus dem englischen Verständnis von resilience abgeleitet 'Belastbarkeit, Elastizität, Durchhaltevermögen'".
Unvorbereitet in die Corona-Krise?
Interessanterweise haben Kerstan und André Röhl für ihr Working Paper ermittelt, dass Organisationen während der Corona-Anfänge stärker nach Begriffen wie Resilienz in Suchmaschinen gesucht haben als nach Krisenmanagement. Die Forscher definieren Resilienz als "das Vermögen eines Systems und seiner Bestandteile, Ereignisse zu überstehen". Diese Kompetenz folge sowohl einer besonderen Widerstandsfähigkeit als auch der Fähigkeit, mit Ereignissen umzugehen, die in ihrer Auswirkung die Widerstandsfähigkeit von Sicherheitsmaßnahmen übersteigen oder mit deren Eintritt nicht geplant wurden.
Daraus ließe sich schließen, dass Organisationen bereits ein funktionierendes Krisenmanagementsystem haben. Doch dem ist nicht so. Umfragen zufolge, die bereits vor der Krise umgesetzt wurden, gaben 25 Prozent aller befragten Verantwortlichen in Organisationen (87) an, dass es keine Krisenstäbe in ihren Organisationen gebe. Laut 30 Prozent der Befragten werden diese vielmehr spontan aus der Krise heraus gegründet. Weiterhin gibt es in rund 34 Prozent der befragten Organisationen keine Schulungen für das Krisenmanagement.
Abhängigkeit wird in der Krise zum Problem
Corona betrifft verschiedene Organisationen im unterschiedlichen Ausmaß. Genau deswegen sind auch die Reaktionen anders. Gleichzeitig befinden sich die Organisationen in einem Abhängigkeitsverhältnis zum organisationalen Ökosystem, sei es, durch die Vernetzung über Lieferketten, Kunden-Lieferanten-Beziehungen oder fehlende Betreuungsmöglichkeiten der Mitarbeiter, die daher nur eingeschränkt ihrer Tätigkeit nachgehen können. Das heißt, dass der Resilienzreifegrad einer einzelnen Organisation auch immer abhängig von jenem der anderen Organisationen im Netzwerk ist.
"Eine große Abhängigkeit besteht innerhalb der Ökosysteme zu Dienstleistungen des öffentlichen Sektors. Diese Abhängigkeiten, die Bedeutung der Dienstleistungen und die daraus folgende Notwendigkeit zur Resilienzsteigerung sollten künftig stärker betont werden. Es sollte geprüft werden, inwieweit neben der Verstärkung von Ressourcen bestehende systemische Hürden für das agile Handeln innerhalb der öffentlichen Verwaltung durch angepasste Rechtsgrundlagen oder verstärkte Zusammenarbeit innerhalb der Ökosysteme überwunden werden können", so die Wissenschaftler im Working Paper.
Organisationen sollten resilienter werden
Organisationen sollten also an ihrem Resilienzmanagement arbeiten, das Krisenmanagement verstärken und weiterentwickeln, so die Empfehlung von Kerstan und Röhl. Gleichzeitig müssen Organisationen lernen, Krisensituationen richtig einschätzen zu können und vor allem die Wechselwirkung innerhalb des Ökosystems zu berücksichtigen. Horizon Scanning und Szenarioanalysen wären dazu die Methoden der Wahl.
"Resilienz- und Krisenmanagement müssen innerhalb der Ökosysteme über Organisationsgrenzen hinweg gedacht werden. In Bezug auf die Zusammenarbeit von Staat und Wirtschaft muss die Interoperabilität des Krisenmanagements gefördert werden" (Seite 14).
Betriebliches Resilienzmanagement
"Was Unternehmen krisenfest, gesund, agil und wirksam macht", definiert Mirjam Rolfe aus ihrer Erfahrung als Change Managerin und Beraterin. Die Springer-Autorin nennt vier Lernfelder, in die Unternehmen investieren sollten (Seite 194):
- Unternehmenskultur: Hier geht es um Sinn und Werte, Vertrauen statt Macht und Kontrolle, organisationales Lernen und Fehlerkultur sowie Stärkenorientierung.
- Bewusste, positive Führung: Diese ist von verschiedenen Führungsstilen geprägt, wie partizipativer Führung, systemischer Führung, Positive Leadership, Transformational Leadership und Servant Leadership. "Führungskräfte, die die Resilienz ihrer Teams fördern wollen, setzen zuerst bei sich selbst an".
- Organisationale Energie, also die Geschwindigkeit und Ausdauer, mit der eine Organisation zielgerichtet Dinge bewegt und sich mobilisiert.
- Resilienzfördernde Strukturen und Prozesse wie die Förderung der Selbstorganisation und von Netzwerken.
Über diese Perspektive hinaus ist für Martin Fontanari und Theresa Reiche Resilienz ein Merkmal verantwortlicher Unternehmensführung. Für die Springer-Autoren prägen strategisches und operatives Risikomanagement sowie Nachhaltigkeitsstreben den Begriff der Unternehmensresilienz. "Diese muss strategisch vorbereitet und in der Unternehmensorganisation in alle Richtungen implementiert bzw. diffundiert werden." Das Ziel: eine stärkere Antizipationsfähigkeit von Umfeld- und makroökonomischen Faktoren zu gewährleisten (Seite 189).
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