Die Pandemie bewegt sich auf niedrigem Niveau, Mitarbeiter kehren ins Büro zurück und Unternehmen brauchen dringend Konzepte für die hybride Arbeitswelt. Gastautor Bernhard Schaar gibt Anregungen, Best Practices und Handlungsempfehlungen.
Nicht alles am Homeoffice ist gut, an der Präsenzarbeit aber auch nicht. Unternehmen sind gut beraten, nach der Pandemie die Vorteile beider Modelle für sich zu nutzen.
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Die Pandemie hat die Lebens- und Arbeitswelt fundamental verändert. Beschäftigte haben gelernt, von zu Hause zu arbeiten, Kollegen und Kunden virtuell zu treffen. Arbeitnehmer reisen kaum noch und haben sich an das permanente Abstandhalten mehr oder weniger gewöhnt.
Nun gibt es Hoffnung auf Besserung – den Impfstoffen sei Dank. Die Frage ist nun, welche pandemiebedingten Veränderungen bleiben oder ob Arbeitgeber schnell wieder in die alten Verhaltensmuster der Vor-Corona-Zeit zurückfallen werden. Kommen wieder alle täglich ins Büro, steigen in den Flieger oder die Bahn, um Messen zu besuchen und Kunden zu treffen?
Willkommen in der Zeit Post-Corona
The times they are a-changin’, meint nicht nur Bob Dylan. Es ist zu erwarten, dass es keinen Weg zurück zum Früher geben wird, sondern sich eine neue Ära, eine hybride Arbeitswelt, einstellt, eine Kombination aus digitalen und analogen Momenten und Arbeitsabläufen, deren Mixtur individuell gemischt und den Bedürfnissen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gerecht wird.
Das Büro verschwindet nicht einfach so. Es wird nur anders aussehen und eine mehr kommunikative und besondere Rolle für die Kultur spielen. Unternehmen können von den jüngst erzielten und erprobten Veränderungen profitieren und die Bedingungen für remote und analog arbeitende Teams verbessern, um so attraktiv für die besten Talente der Welt zu werden.
Hybrides Organisationsmodell als neue Arbeitsrealität
Und tatsächlich setzen nun etliche Konzerne wie Siemens oder Opel dank guter Erfahrungen und wohl auch aus Gründen der Kostenreduzierung dauerhaft auf die Arbeit aus dem Heimbüro, wollen es zur Regel machen. SAP erlaubt seinen Mitarbeitern Homeoffice zu jeder Zeit und auch Porsche-Mitarbeiter dürfen künftig zwölf Tage pro Monat von Zuhause arbeiten. Auch der Reisekonzern TUI macht allen Beschäftigten in der Zentrale in Hannover Homeoffice-Angebote, Friedrich Joussen tauscht gar sein CEO-Büro gegen eine offene Arbeitsfläche mit Vorstandskollegen.
Doch das Ende des herkömmlichen Büros steht nicht bevor. Die großen US-Technologiekonzerne, die eigentlich für Remote Work gut aufgestellt sind, steuern bereits um und sichern sich etwa in New York die besten Immobilien: Facebook mietet das ehemalige, staatliche Postgebäude der Metropole. Apple greift sich die ehemalige Zentrale des Handelshauses Macy’s. Und Google investiert 250 Millionen Dollar für weitere Büros im hippen Manhattan.
Aber natürlich werden auch in diesen Unternehmen nicht alle Menschen wieder ins Büro drängen – schon gar nicht täglich. Niemand möchte zwei Stunden im Stau stehen, um dann im Büro E-Mails zu lesen. Das Büro wird mehr zum Ort des Treffens und der Kommunikation und weniger des standardisierten Arbeitens, eine Art Begegnungsstätte, wo Menschen diskutieren, denken, an Visionen arbeiten und gemeinsam Erfolge feiern können. Sie leben zusammen die Unternehmenskultur.
Neue Organisationskonzepte jetzt pilotieren
Intelligente Unternehmen sehen dies als Gelegenheit für die Verbesserung der Employee Experience und gleichermaßen als Chance, die eigene digitale Transformation voranzutreiben. Erreicht werden kann das durch eine Mischung aus Pilotierung und Learning by doing.
Prophets neues Büro in New York ist derzeit das erste, in dem das Office Reimagine-Konzept umgesetzt werden soll. Die gewonnenen Erkenntnisse zum idealen Office Setup, optimiertem Design und einer Aufteilung der Arbeitsbereiche werden dann an die anderen Büros weitergegeben, so dass diese gegebenfalls gleich einen Schritt weiter gehen können.
Um ein individuelles Office Reimagine-Konzept für das eigene Unternehmen zu entwickeln, sollte zuerst ermittelt werden, welche internen Arbeitsabläufe dauerhaft virtuell bleiben könnten, wenn das Social Distancing gelockert wird. Das Konzept sollte den Mitarbeitern darüber hinaus genügend Handlungsspielraum für deren individuelle Bedürfnisse einräumen. Das bedeutet konkret:
- Ermitteln Sie, welche Arbeitsabläufe in der Remote-Zeit gut funktioniert haben. Nutzen Sie hierfür die vorhandenen Möglichkeiten der bereits verstärkt genutzten, digitalen Tools. So kann man beispielsweise anhand der Microsoft-Anwendungen auswerten, welche Kommunikationskanäle wie genutzt wurden, wie viel Zeit die Mitarbeiter in Meetings verbracht haben und wie viel Zeit für die produktive Abarbeitung der Aufgaben übrigblieb. Darüber hinaus sollten Mitarbeiter dazu befragt werden, welche Arten von Arbeit sie lieber per E-Mail, Anruf, Video oder vor Ort erledigen würden. Lassen Sie diese Erkenntnisse in das Konzept für die neue Arbeitsrealität einfließen.
- Etablieren Sie im Zuge dieser Erstdiagnose feste Messgrößen, befragen Sie Ihre Mitarbeiter kontinuierlich dazu, bewerten und optimieren Sie das Konzept in regelmäßigen Abständen.
- Schaffen Sie ein modulares Arbeitsmodell mit Handlungsspielraum für jeden einzelnen Mitarbeiter, denn die Lebensrealität eines jeden Kollegen ist einzigartig. Es könnte etwa aus zwei verpflichtenden Tagen Office und drei Tagen optionaler Remote Work bestehen. Montags kommen beispielsweise alle ins Büro, um die neue Woche zu planen, mit den Kollegen zu diskutieren und auch das Zusammensein als Team zu fördern. Dies ist insbesondere auch für neue Kollegen relevant, um wirklich im Unternehmen anzukommen. Aus dem Homeoffice werden später viele Aufgaben abgearbeitet.
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