Durch Outsourcing senken viele Banken nicht nur ihre Kosten, sondern greifen auch auf das Fachwissen externer Dienstleister und Fintechs zu. Wobei es darauf ankommt, erklären die Strategie- und Outsourcing-Experten Richard Dratva und Marcus Schmermer.
Springer Professional: Die aktuelle Studie "Outsourcing in der Finanzindustrie" (PDF) von Pricewaterhouse Coopers zeigt, dass Banken im Gegensatz zu Fintechs in Künstlicher Intelligenz (KI) deutlich weniger Potenzial sehen. Ein Grund könnte in veralteter Bank-IT und geringerer Entwicklungskompetenz liegen, heißt es in der Analyse. Aufgrund eigener Innovation Labs der Institute, die ja ausschließlich neue Technologien im Fokus haben, und Kooperationen mit Fintechs erscheint diese Begründung etwas schwach. Kann es auch daran liegen, dass die Kosteneinsparungen oder die Effizienzsteigerung bislang nicht im gewünschten Maße ausfallen?
Schmermer: Der Aufbau von KI-Lösungen ist für Banken mit erheblichem Aufwand verbunden. Einerseits limitiert eine komplexe und teilweise veraltete IT-Landschaft den möglichen Einsatz übergreifender Lösungen, während andererseits die operative Überwachung und Steuerung von selbstständig agierenden Systemen aufsichtsrechtlich herausfordernd ist. Weil ein Kreditinstitut eben auch nachweisen muss, nach welchen Kriterien Entscheidungen herbeigeführt werden. Kreditinstitute betrachten Künstliche Intelligenz deswegen häufig als Zukunftstechnologie, die jedoch gegenwärtig nur eine relativ niedrige Priorität hat. Aktuell versprechen insbesondere unter Effizienzgesichtspunkten andere Lösungen wie Robotics Process Automation (RPA) pragmatischere Umsetzungsalternativen.
Dratva: Viele Institute betreiben zwar die von Ihnen angesprochenen Innovation Labs, allerdings sind diese zumeist vom Tagesgeschäft völlig losgelöst und können deswegen auch keinen Beitrag zu Kosteneinsparungen oder Effizienzsteigerungen leisten. Auch dies dürfte ein Grund dafür sein, weshalb Banken das Potenzial von KI bislang als weniger bedeutsam einschätzen als Fintechs. Die Entwicklung von KI-Lösungen wie auch die Digitalisierung insgesamt müssen mitten im Business stattfinden, damit eine Bank ihr volles Potenzial ausschöpfen kann.
Cloud-Lösungen kommen im Bankmanagement deutlich besser an. Sind diese leichter umsetzbar oder sind diese schlicht kostengünstiger zu haben?
Schmermer: Cloud-Lösungen haben entscheidende Vorteile. Sie können schnell implementiert werden, sind beliebig skalierbar und immer up to date. Zudem entkoppeln sie die bereitgestellten Lösungen weitestgehend von der eigenen IT-Infrastruktur und damit auch dem eingesetzten Kernbankensystem. Der Reiz dieser Lösungen besteht darin, dass sich das Bankmanagement mit Cloud-Lösungen Komplettpakete einkaufen kann. Man sollte aber bei Cloud-Lösungen den zunehmenden Steuerungsaufwand einkalkulieren, der im bestehenden Auslagerungsmanagement berücksichtigt werden muss.
Die Befragung zeigt, dass bei der Auslagerung von Marketing- und Vertriebs-, Kontroll- und Unterstützungsprozessen an Dienstleister im Institut die notwendigen Kenntnisse vorhanden sein müssen, die für eine wirksame Überwachung der Dienstleistungen notwendig sind. Eine große Rolle dürften hier unter anderem regulatorische Anforderungen spielen. Welche Kompetenzen und Strukturen brauchen Banken hierfür?
Schmermer: Die aktuelle Veröffentlichung "Guideline on Outsourcing Arrangements" der European Banking Authority (EBA) verschärft den Druck insbesondere auf europäischer Ebene für die Institute, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Während es in der klassischen Industrie völlig normal ist, Auslagerungen und externe Fremdbezüge nach strategischen, kaufmännischen und risikoorientierten Kriterien zu steuern, tun sich Finanzinstitute immer noch schwer mit der richtigen Umsetzung. Banken werden in Zukunft aufgrund der zunehmenden Komplexität der externen Leistungsbezüge viel stärker auf ein gut abgestimmtes System aus einer zentralen Einheit mit standardisierten Vorgaben und dezentralen Bereichen in der Leistungsüberwachung setzen müssen. Ohne technische Unterstützung durch zentrale Vertrags-Datenbanken und Workflow-Systeme wird es jedoch nur noch mit erheblichem manuellem Mehraufwand möglich sein, die Anforderungen an ein bedarfsorientiertes und aufsichtsrechtlich konformes Auslagerungsmanagement zu erfüllen.
Und was müssen die Institute hierfür im Hinblick auf die Personalentwicklung tun?
Dratva: Beim Outsourcing ist auf Bankseite nicht nur eine bloße Überwachungstätigkeit gefragt, sondern vielmehr auch ein Mitgestalten – insbesondere dann, wenn es darum geht, wie ein Institut innovativer, schneller und kundenorientierter werden kann. Nötig sind bei den Banken damit nicht nur neue Kompetenzen und Strukturen, sondern vor allem ein neues Mindset – und zwar sowohl beim Umsetzungsteam wie auch in der Chefetage. Nur so können Digitalisierungsprojekte nachhaltig erfolgreich sein und neue digitale Geschäftsmodelle aufgebaut werden.
Das dürfte nicht allen Instituten leicht fallen, oder?
Dratva: Während bei den sogenannten Challenger-Banken ein solches Mindset ganz selbstverständlicher Teil ihrer digitalen DNA ist, besteht hierin für etablierte Institute, die über Jahrzehnte hinweg völlig anders agiert haben, die wohl größte Herausforderung. Für sie wird es künftig vor allem darauf ankommen, agile Arbeitsweisen und eine Offenheit für Neues zu fördern und auch eine Fehlerkultur zu etablieren: Weg von einem Abbrechen und Abstrafen im Falle eines Misserfolgs und hin zu einem Neu-Justieren und Nochmals-Versuchen auf allen Managementebenen. Dies gilt umso mehr, da Banken mit Fintechs und anderen Dienstleistern auf dem Fachkräftemarkt verstärkt um die besten Köpfe konkurrieren. Banken werden deswegen künftig bereit sein müssen, innovative Arbeitsformen nicht nur in der eigenen Innovationswerkstatt zuzulassen.