Die Liste des UNESCO-Welterbes ist ein internationales Verzeichnis jener Natur- und Kulturstätten, die gemäß dem Verständnis der Initiatoren und Verwalter dieses Instrumentes von Bedeutung für die gesamte Menschheit sind. Das Bewertungsverfahren des UNESCO-Welterbes stellt eine besondere Form der gesellschaftlichen Produktion des Wertvollen dar. Der Beitrag konzentriert sich auf die kulturellen Stätten und vertritt die These, dass der spezifische Produktionsmodus des UNESCO-Welterbes eine praktische Universalisierung des Wertes partikularer Güter darstellt. Im Zentrum des Beitrages stehen die Fragen danach, wie das kulturell Wertvolle produziert wird, auf welche Weise die Universalität einer Stätte hergestellt wird und welche Rolle dabei die Vorstellung von Authentizität spielt. Die Universalisierungsarbeit des UNESCO-Welterbes wird anhand von zwei Aspekten der Bewertungspraxis – der Arbeit mit und der Arbeit an den Bewertungskriterien – beleuchtet und dabei die Verschränkung von Universalität und Partikularität herausgearbeitet.
Das Berliner Journal für Soziologie veröffentlicht Beiträge zu allgemeinen Themen und Forschungsbereichen der Soziologie sowie Schwerpunkthefte zu Klassikern der Soziologie und zu aktuellen Problemfeldern des soziologischen Diskurses.
Im Jahr 2015 waren dies Algerien, Kolumbien, Kroatien, Finnland, Deutschland, Indien, Jamaika, Japan, Kasachstan, der Libanon, Malaysia, Peru, die Philippinen, Polen, Portugal, Katar, Südkorea, der Senegal, Serbien, die Türkei und Vietnam.
Zum internationalen Wettbewerb um Touristen allgemein vgl. Urry und Larsen (2011, S. 223 ff.) sowie zum „heritage tourism“ dieselben Autoren (ebd., S. 135 ff.) und Frank (2009, S. 77 ff.), zur Aufmerksamkeitskonkurrenz zwischen Städten siehe Hauser (2002).
Die Liste kann online unter http://whc.unesco.org/en/list eingesehen werden. Die Webseite erlaubt eine dynamische Sortierung nach Land, Region, Jahr der Einschreibung oder Name der Stätte. Darüber hinaus können die Ergebnisse gefiltert werden, z.B. können nur Natur- oder Kulturerbestätten oder die von der Liste gestrichenen Stätten („delisted“) angezeigt werden.
Das stetige Anwachsen der Liste wird von vielen Mitgliedsstaaten sowie in der Forschungsliteratur als problematisch bewertet. Im Jahr 1994, 22 Jahre nach der Verabschiedung der Konvention, waren 439 Stätten in die Welterbeliste eingeschrieben, 2016, also weitere 22 Jahre später, sind es bereits 1052 Natur- und Kulturerbestätten.
Auf die allgemeinen Charakteristika des Mediums „Liste“ kann an dieser Stelle nicht ausführlicher eingegangen werden, sie würden zweifellos eine eingehendere Betrachtung verdienen. Zu Listen als alltäglichen und epistemischen Formaten vgl. allgemein Bowker und Star (1999, S. 137 ff., 150 ff.); Goody (2012); Jullien (2004); Müller-Wille und Charmantier (2012).
Auch nach der Aufnahme einer Stätte in die Welterbeliste bleiben die Kriterien bindend für die weitere Beurteilung des Zustandes dieser Stätte, der in regelmäßigen Abständen evaluiert wird. Auf diesen Prozess des „Periodic Reporting“ kann hier nicht weiter eingegangen werden.
Diese Debatte führte unter anderem auch zur Anerkennung des sogenannten immateriellen Kulturerbes, die sich in der Ausarbeitung einer separaten Konvention, der „Convention for the Safeguarding of the Intangible Cultural Heritage“ (2003) niederschlug.
Die Nominierung der Stätte wurde von einer manifesten diplomatischen Krise zwischen Japan und Südkorea überschattet, die erst in letzter Minute auf höchster Ebene gelöst werden konnte. Den Streitpunkt bildeten der Einsatz koreanischer Zwangsarbeiter an den nominierten Industriestandorten und die sich daran anschließende Frage, inwieweit Japan zu einer Erinnerung an diesen Aspekt seiner Geschichte bereit ist.
Nicht bei jeder Nominierung kommt es im Plenum des Welterbekomitees zu einer inhaltlichen Debatte. In den meisten Fällen folgen die Mitgliedsstaaten den Empfehlungen der Fachgremien und nehmen nur allgemein zur jeweiligen Nominierung Stellung.
ICOMOS Evaluation, Dokument-Nr. WHC-15/39.COM/INF.8B1, S. 200 ff. Häufig kommt es vor, dass Mitgliedsstaaten einen Antrag, der zur Ablehnung empfohlen ist, freiwillig zurückziehen. Solange noch kein endgültiger Beschluss über eine Ablehnung gefasst wurde, besteht die Möglichkeit, den Antrag erneut einzureichen. Deutschland hat den Antrag jedoch nicht zurückgezogen und ging somit ein Risiko ein, indem es ihn debattieren ließ.
Ebd., S. 205. Zu diesem Zeitpunkt stehen bereits Aachen, Speyer, Hildesheim, Lorsch, Maulbronn, Quedlinburg und die Insel Reichenau auf der Welterbeliste.
Wie der konzertierte und reibungslose Ablauf der Aussprache zeigt, ist die Arbeit der Diplomatinnen und Diplomaten darauf gerichtet, die Kontingenz der Bewertungsdebatte im Vorfeld durch intensive Absprachen zu reduzieren. Die meisten Länder unterhalten eigenständige UNESCO-Botschaften in Paris (zur Diplomatisierung des Welterbes vgl. Droste (2011, S. 38) und Brumann (2014)). Die Vorbereitung geschieht hinter verschlossenen Türen, für einen Einblick ist die wissenschaftliche Untersuchung auf Berichte der Beteiligten angewiesen. Durch ein Interview mit dem Delegierten eines Staates, der gegenwärtig Komiteemitglied ist, im Mai 2016 konnte ich in Erfahrung bringen, dass Vorverhandlungen über die gegenseitige Unterstützung von Nominierungsanträgen bereits Wochen vor der Komiteesitzung beginnen. An den Verhandlungen sind den Angaben des Informanten zufolge sowohl hochrangige Delegationsmitglieder als auch Experten für Natur- bzw. Kulturerbe aus den jeweiligen Delegationen beteiligt. Obwohl die Unterstützung einer schwierigen Nominierung häufig mit dem Versprechen der Unterstützung des Staates in anderen internationalen Verhandlungen („verbal and moral support“) verbunden wird, gibt es nach Aussage des Informanten auch inhaltliche Grenzen der Kooperation, sodass die Unterstützung teilweise abgelehnt wird. Dies ist ein Grund, weshalb die Bewertungsdebatte nicht als bloße Inszenierung missverstanden werden darf und ihre Komplexität unterstrichen werden muss. Entscheidend ist außerdem, dass die Delegierten in der Debatte auf das Welterbeverfahren Bezug nehmen müssen und ihre Argumente auf das System der Bewertungskriterien beziehen müssen, um eine „gültige“ Stellungnahme zu produzieren.
Hier und im weiteren Verlauf des Textes werden mit den nicht weiter gekennzeichneten Zitaten wörtliche Auszüge aus der Debatte wiedergegeben. Siehe dazu auch die offizielle Videodokumentation der Sitzung vom 5. Juli 2015, die unter http://whc.unesco.org/en/sessions/39COM/records/?day=2015-07-05 verfügbar ist. Letzter Aufruf: 01.06.2016.
Das Dokument bildet damit ein Beispiel für die Vielfalt der an der Bewertungspraxis beteiligten Entitäten wie Listen, Karten, Dokumente, Videoscreens etc., auf die hier nur am Rande eingegangen werden konnte.