Die Papierverarbeitungstechnik ist als ein stoffbezogenes Teilgebiet der Verarbeitungs technik anzusehen. Ausgehend von den allgemeinen Gesetzmäßigkeiten und Arbeitsmethoden der Verarbeitungstechnik und gegebenenfalls auch der Verfahrenstechnik, befasst sie sich mit den speziellen Problemen der Verarbeitung von Papier, Karton und Pappe. Diese Prozesse laufen nicht nur innerhalb der papierverarbeitenden Betriebe ab, sondern auch bei der Papierherstellung und Papierveredelung (z. B. Längs- und Querschneiden, Beschichten) sowie beim Einsatz der vorgefertigten Erzeugnisse (z. B. maschinelles Verpacken von Gütern in Schachteln).
Zur einheitlichen Anwendung sind unter Nutzung verschiedener Literaturquellen [2.1], [2.2], [2.3], [2.4], [2.5] [2.6] wichtige Begriffe zusammengefasst:
Abscheiden: Trennen nach Phasen. nach Trocknung unter festgelegten Bedingungen zur Masse
absolut trocken (atro): Zustand eines Faserstoffes oder Papiers nach der Trocknung unter festgelegten Bedingungen. Theoretischer Wert, ersetzt durch ofentrocken (otro), siehe dort.
Grundlage der Papiererzeugung sind die Papierfaserstoffe. Dabei wird zwischen Primär- und Sekundärfaserstoffen unterschieden. Primärfaserstoffe werden direkt aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen, und zwar vorwiegend aus Holz und Einjahrespflanzen. Industriell werden vor allem Durchforstungsholz und Sägewerksabfälle genutzt. Durch chemischen Aufschluss von Holz oder Einjahrespflanzen entsteht der Zellstoff, durch mechanische Zerfaserung von Holz der Holzstoff. Sekundärfaserstoffe werden aus Alt papier gewonnen. Durch Aufbereitung des Altpapiers in der Papierindustrie entsteht der Altpapierstoff.
Die Anzahl der in der Papierverarbeitung eingesetzten Werkstoffe ist – bedingt durch die Vielfalt an Produkten und Produkteigenschaften – erheblich. Neben Papier, Karton und Pappe kommen Kunststofffolien, Aluminiumfolien, Druckfarben, Lacke, Klebstoffe und andere Werkstoffe zum Einsatz. Der folgende Abschnitt ist auf die Hauptkomponenten Papier, Karton, Pappe und Folien konzentriert. Es wurden über 150 Werkstoffe erfasst.
In den Unternehmen der Papierverarbeitung wird eine Vielfalt von Produkten für die unterschiedlichsten Anwendungen in ganz verschiedenen Bereichen hergestellt. Daraus resultiert fast zwangsläufig, dass je nach dem Anforderungsprofil die Rohstoffbasis nicht nur Papier, Pappe oder Karton sein kann, sondern auch z. B. Verbundmaterialien mit Papier oder Kunststofffolien allein ohne Papier. Die Papierverarbeitung bedeutet als nicht ausschließlich „Verarbeitung von Papier”, sondern schließt auch stets Kunststofffolien mit ein, in einigen Fällen auch Formteile aus Kunststoff oder Folien aus Metall, Vliesen und anderen flächigen Werkstoffen. Die Rohstoffbasis ist also sehr groß. Ebenso groß ist naturgemäß die Vielfalt der Hilfsstoffe, die für die Herstellung der Papierverarbeitungsprodukte notwendig sind. Klebstoffe zählen dazu ebenso wie Druckfarben und Lacke.
Die Verarbeitung von Papier, Karton und Pappe nimmt bei der Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette Papier häufig eine Zwischenposition ein: Produkte der Papierherstellung werden zumeist über mehrere Prozessstufen veredelt und zu neuen Erzeugnissen verarbeitet, anschließend als Zwischenoder Endprodukte an die Industrie und den Handel gegeben, ehe sie den Endverbraucher erreichen.
Wellpappe ist Weltmeister und das gleich in mehrfacher Hinsicht. Der weit überwiegende Teil der Transportverpackungen weltweit besteht aus Wellpappe. Ohne Wellpappe ist der internationale Warenverkehr heute eigentlich nicht denkbar. Weltmeister ist die Wellpappe aber auch, wenn die Festigkeitseigenschaften betrachtet werden. Wer ist schon dazu in der Lage, das Vielfache des eigenen Gewichtes zu tragen, ohne in die Knie zu gehen? Ein Quadratmeter Wellpappe könnte leicht einen kleinen Elefanten tragen, vorausgesetzt er schafft es, sein Gewicht gleichmäßig zu verteilen (Bild 7.1).
Hygienepapiere blicken inzwischen schon auf eine vielhundertjährige Geschichte zurück. Die erste belegte Nennung von Toilettenpapier geht auf Yan Zhitui zurück, der im Jahre 589 einen Artikel verfasste, in dem der Gebrauch von Toilettenpapier erwähnt wurde [8.1]. Allerdings sollte man davon ausgehen, dass das erwähnte Toilettenpapier von damals mit unserem heutigen Tissue-Papier nicht allzu viel gemein hatte. Darüber hinaus blieb die Nutzung dieses Hygieneartikels dem Kaiser vorbehalten. Toilettenpapiere, wie wir sie heute kennen, sind eine Erfindung aus dem späten 19. Jahrhundert. Im Jahr 1907 wurde Verbrauchern in London und Paris empfohlen, keine Leinentaschentücher mehr zu verwenden, weil dadurch die Verbreitung verschiedener schwerer Krankheiten gefördert würde. Stattdessen solle man Taschentücher aus Papier verwenden, wie sie auch schon in Japan oder anderen ost-asiatischen Ländern in Gebrauch seien. Zellstoffwatte wurde in Europa bereits seit Anfang des 20. Jahrhunderts hergestellt. In den 1920er- und 1930er-Jahren entwickelte sich die Herstellung von Tissue-Ppapier sehr stark und zog eine massive Entwicklung der Verarbeitungsindustrie nach sich [8.2].
Innerhalb der Packmittel aus Papier, Karton, Pappe nehmen Faltschachteln einen herausragenden Platz ein. Allein in Deutschland wurden im Jahr 2010 laut statistischem Bundesamt 861 268 t Faltschachteln hergestellt und damit ein Umsatz von 1,825 Mrd. Euro erzielt [9.1]. Eine Vielzahl von Erzeugnissen der verschiedensten Wirtschaftszweige wird in Faltschachteln verpackt.
Etiketten begleiten die Menschheit über Jahrtausende. Der Begriff Etikett ist auf das altfranzösische Wort „estiquer” zurückzuführen, das für feststecken steht. Im Englischen werden Aufkleber (gestanzte Papier- oder Folienelemente, die mit Haftklebern beschichtet sind) als „sticker” bezeichnet. Aus der Geschichte ist bekannt, dass bereits 6000 vor Chr. Sumerer und Ägypter ein Verfahren entwickelten, bei dem durch ein Rollsiegel mit Schriftzeichen Inhalte eines Produktes gezeigt werden. Diese wurden von den Griechen und Römern im 6. Jahrhundert vor Chr. durch Anhänger ersetzt. Diese meist kleinen Anhänger wurden bis in das Mittelalter benutzt. Mit den heutigen Etiketten vergleichbare Anwendungen sind aus dem 17. Jahrhundert bekannt. Warenballen wurden mit einem Papieretikett, das mit einem Leim geklebt wurde, gekennzeichnet [11.1].
Trotz der Hörbücher, E-Books oder mobilen Internetdienste sind Buch, Zeitschrift oder Zeitung als traditionelle Druckerzeugnisse nicht vom Medienmarkt wegzudenken, was neben den Gewohnheiten zumindest älterer Leser vor allem den Vorteilen des gedruckten Informationsträgers zu verdanken ist. Zwar ist die Lesbarkeit zu jeder Zeit an jedem Ort nicht mehr Alleinstellungsmerkmal für das Buch, aber seine Unabhängigkeit von Elektronik und Netzanschluss oder Batterie hebt es gegenüber den immer komfortabler werdenden E-Books immer noch hervor.
Die Vielfalt an starren Hohlkörpern aus Papier, Karton und Pappe ergibt sich einerseits aus der Geschichte der Werkstoffe und den damit verbundenen Entwicklungsschritten in ihrer Herstellung und andererseits aus dem technischen Fortschritt in der Verarbeitung dieser Werkstoffe. Ebenso vielfältig sind die Anwendungen von Hohlkörpern als Packmittel, als Transporthilfsmittel, als Einweggeschirr oder ähnliches.
Tüten gehören zu den ältesten Verpackungen, die genutzt wurden. Mit dem Beginn der Papierherstellung in Deutschland im Jahre 1390 wird auch das manuelle Herstellen von Tüten verbunden sein. Der Begriff Tüte ist schriftlich seit dem Jahr 1540 überliefert [13.1]. Beutel und Säcke, die aus Tierfellen und Flechtwerken hergestellt wurden, gehören sicher zu den ältesten Packmitteln. Nach der Ablösung der Tierfelle durch Woll- oder Leinengewebe dauerte es bis fast bis zum Ende des 19. Jahrhunderts, bis Papier als Material für Beutel und Säcke zum Einsatz kam. [13.2]
Die Entwicklung von Kartonverpackungen für flüssige Nahrungsmittel (nachfolgend mit der Abkürzung KfN bezeichnet) wurde von Beginn an durch Bestrebungen bestimmt, die heute mit dem Begriff Ressourceneffizienz assoziiert werden:
■ Reduzierung des Verpackungsgewichtes,
■ Steigerung der Effektivität von Transport-, Umschlag- und Lagerungsprozessen,
■ Verbesserung der Haltbarkeit flüssiger Nahrungsmittel.
Die moderne Analytik erlaubt uns heute, Substanzen schon in sehr niedrigen Konzentrationen zu identifizieren und zu messen. Das nötige Equipment gehört zur Standardausrüstung selbst kleiner Laboratorien. Sehr oft fehlt dann aber eine vernünftige Bewertung der Ergebnisse. In der Materialanalytik sind einfache Befunde mit der Angabe einer chemischen Bezeichnung selten aussagekräftig. Noch schwieriger wird es, wenn daraus mögliche Reaktionen des Materials abgeleitet oder falsche Anforderungen zur Interpretation herangezogen werden.
Ralph Derra
Backmatter
Metadaten
Titel
Papierverarbeitungstechnik
herausgegeben von
Jürgen Blechschmidt
Copyright-Jahr
2013
Verlag
Carl Hanser Verlag GmbH & Co. KG
Electronic ISBN
978-3-446-43166-9
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-446-43166-9
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