Die Parteigründung um Sahra Wagenknecht sorgt für kontroverse Debatten in Deutschland und Europa. Die zentrale Frage lautet: Zu welcher Parteienfamilie könnte das BSW im europäischen Kontext gehören? Nationale Parteien passen oft klar in ein ideologisches Raster, doch das BSW bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen links-ökonomischen und national-konservativen Positionen. Parteienfamilien im europäischen Kontext zeichnen sich durch gemeinsame historische Wurzeln, ideologische Ausrichtungen und programmatische Ziele aus. Zu den wichtigsten gehören christdemokratische, sozialdemokratische, grüne, liberale, radikale linke, rechtspopulistische und kommunistische Parteien. Das BSW passt auf den ersten Blick in keine dieser Familien. Es gibt programmatische Überschneidungen mit den radikalen Linken oder Sozialdemokraten, etwa in wirtschaftspolitischen Fragen wie Mindestlohn und Vermögenssteuer. Doch fehlt dem BSW eine klare Bezugnahme auf zentrale Themen wie Arbeitslosigkeit. In gesellschaftspolitischen Fragen ist das BSW konservativer als die meisten Parteien der radikalen Linken, insbesondere in Bezug auf Migration und nationale Souveränität. Diese ideologische Mischung aus sozialer Gerechtigkeit und nationaler Souveränität weicht von progressiveren, internationalen Positionen ab. Die Zuordnung des BSW zu rechtspopulistischen oder konservativen Parteien erscheint ebenfalls problematisch. Das BSW verfolgt eine stärker interventionistische Wirtschaftspolitik, was im Widerspruch zur neoliberalen Ausrichtung vieler rechtspopulistischer Parteien steht. Die empirische Analyse zeigt, dass innerhalb der bestehenden Parteienfamilien eine gewisse Homogenität besteht, aber auch heterogene Positionen auftreten. Das BSW könnte je nach Thema sowohl mit verschiedenen linken als auch rechten Strömungen in Dialog treten, ohne sich einer spezifischen ideologischen Linie zu unterwerfen. In Westeuropa gibt es nur wenige vergleichbare Parteien zum BSW. In Zentral- und Osteuropa hingegen ist das linkskonservative Spektrum gut ausgefüllt, was die Besonderheit des BSW im westeuropäischen Kontext unterstreicht. Die politische Landschaft in dieser Region zeigt eine ideologische Vielfalt, in der das linkskonservative Quadrant sowohl von links- als auch von rechtsgerichteten Parteien mit verschiedenen Nuancen belegt ist.
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Zusammenfassung
Die Parteigründung rund um Sahra Wagenknecht sorgt für kontroverse Debatten, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene. Die zentrale Frage lautet: Zu welcher Parteienfamilie könnte das BSW im europäischen Kontext gehören? Während nationale Parteien oft klar in ein ideologisches Raster passen, ist diese Zuordnung bei Wagenknechts Formation besonders schwierig. Sie bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen links-ökonomischen und national-konservativen Positionen, was zum Beispiel eine klare Eingliederung in die bestehenden Strukturen des Europäischen Parlaments (EP) erschwert.
Die Parteigründung rund um Sahra Wagenknecht sorgt für kontroverse Debatten, nicht nur in Deutschland, sondern auch auf europäischer Ebene. Die zentrale Frage lautet: Zu welcher Parteienfamilie könnte das BSW im europäischen Kontext gehören? Während nationale Parteien oft klar in ein ideologisches Raster passen, ist diese Zuordnung bei Wagenknechts Formation besonders schwierig. Sie bewegt sich in einem Spannungsfeld zwischen links-ökonomischen und national-konservativen Positionen, was zum Beispiel eine klare Eingliederung in die bestehenden Strukturen des Europäischen Parlaments (EP) erschwert.
Parteienfamilien im europäischen Kontext zeichnen sich durch gemeinsame historische Wurzeln, ideologische Ausrichtungen und programmatische Ziele aus (Lipset & Rokkan, 1967). Zu den wichtigsten Parteienfamilien gehören unter anderem die christdemokratischen und konservativen Parteien, die sozialdemokratischen Parteien, die Grünen, die Liberalen, die radikale Linke, rechtspopulistische und kommunistische Parteien (Höhne, 2012). Jede dieser Gruppen hat eine klar erkennbare ideologische Basis, welche man auch anhand ihrer Mitgliedschaft im Europäischen Parlament klar erkennen kann. Die Europäische Volkspartei (EVP), der Zusammenschluss aus christdemokratischen Parteien, betont etwa traditionelle Werte, wirtschaftliche Liberalität und die Bedeutung der Familie, während die Progressive Allianz der Sozialdemokraten (S&D) auf soziale Gerechtigkeit, Umverteilung und die Stärkung des Wohlfahrtsstaates setzen. Die radikale Linke, etwa vertreten durch die Europäische Vereinigte Linke/Nordische Grüne Linke (GUE/NGL), kombiniert oft eine starke Kritik am Kapitalismus mit Forderungen nach Umverteilung und einer zentralen Rolle des Staates.
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Das BSW passt auf den ersten Blick in keine dieser Parteifamilien. Zwar gibt es programmatische Überschneidungen mit den radikalen Linken oder Sozialdemokraten, insbesondere in wirtschaftspolitischen Fragen. Forderungen nach einem Mindestlohn, Vermögenssteuer für Reiche oder einer stärkeren Rolle des Staates im sozialen Bereich zeigen eine gewisse Nähe zu den Ansätzen vertreten durch die GUE/NGL sowie S&D. Doch fehlt dem BSW eine klare Bezugnahme auf zentrale Themen wie Arbeitslosigkeit, die traditionell zu den Kernanliegen der radikalen Linken und der Sozialdemokratie gehören. Dies entspricht den Studienergebnissen, die zeigen, dass Wählerinnen und Wähler rechter Parteien Sozialleistungen für Arbeitslose eher ablehnend gegenüberstehen, während sie Leistungen für Rentnerinnen und Rentner hingegen befürworten (Busemeyer et al., 2022). Hinzu kommt, dass das BSW in gesellschaftspolitischen Fragen deutlich konservativer als die meisten Parteien der radikalen Linken ist. Insbesondere in Bezug auf Migration, nationale Souveränität und Fragen der kulturellen Identität steht das BSW in einer Linie mit rechtspopulistischen Bewegungen, die eine restriktive Migrationspolitik und die Betonung nationaler Interessen favorisieren. Diese ideologische Mischung aus sozialer Gerechtigkeit und nationaler Souveränität weicht deutlich von den progressiveren, internationalen und kosmopolitischen Positionen ab, die Merkmale der radikalen Linken sind.
Doch auch die Zuordnung des BSW zu rechtspopulistischen oder konservativen Parteien erscheint problematisch. Zwar ist das BSW in seiner Haltung zu Migration und nationaler Identität vergleichbar mit rechtspopulistischen Parteien, etwa der polnischen PiS. Während die meisten rechtspopulistischen Parteien eine marktwirtschaftlich orientierte Politik verfolgen, die den freien Markt und eine reduzierte staatliche Intervention bevorzugt, setzt das BSW auf eine stärker interventionistische Wirtschaftspolitik (siehe Parteiprogramm in Abschn. 2.2). Der Fokus auf Umverteilung, Mindestlöhne und eine stärkere Rolle des Staates steht im Widerspruch zur neoliberalen Ausrichtung vieler rechtspopulistischer Parteien.
Gleichzeitig lassen sich Parallelen zu jenen Strömungen der radikalen Rechten erkennen, die ihre wirtschaftliche Position eher verschwommen darstellen (Rovny, 2013) oder einen Wohlfahrtschauvinismus vertreten (Rygren, 2006; Ennser-Jedenastik, 2018). Parteien wie die niederländische Partei für die Freiheit (PVV) (Otjes, 2019) oder die Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) (Rathgeb, 2020) kombinieren eine betonte Sozialstaatsfreundlichkeit mit einer exkludierenden Dimension, indem sie soziale Leistungen vorrangig für die eigene Staatsbürgergesellschaft fordern und Migration als Bedrohung für den Wohlfahrtsstaat stilisieren. Diese selektive Sozialstaatsorientierung unterscheidet sich von universalistischen sozialstaatlichen Modellen, wie sie typischerweise von der Linken vertreten werden.
Die empirische Analyse der politischen Ausrichtungen europäischer Parteien, etwa durch den Chapel Hill Expert Survey (CHES), einer Befragung von Fachexpertinnen und Fachexperten, zeigt, dass innerhalb der bestehenden Parteienfamilien eine gewisse Homogenität besteht, aber auch eine Vielzahl von heterogenen Positionen innerhalb dieser Parteifamilien auftreten können. In der radikalen Linken etwa gibt es eine Vielzahl von Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich gesellschaftspolitischer Themen. Einige Parteien wie die spanische Podemos sind stark pro-europäisch, während die KKE (Kommunistische Partei Griechenlands) eine explizite Anti-EU-Position vertritt (Wagner, 2022). Diese interne Heterogenität innerhalb der linken Gruppierungen könnte dem BSW zugutekommen, da es je nach Thema sowohl mit verschiedenen linken als auch rechten Strömungen in Dialog treten könnte, ohne sich einer spezifischen ideologischen Linie zu unterwerfen.
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Die Heterogenität innerhalb der Parteienfamilien ist besonders relevant, wenn versucht wird, das BSW ideologisch einzuordnen. Das BSW ist in gewisser Weise eine Hybridpartei, die Elemente aus verschiedenen politischen Spektren miteinander kombiniert. In Bezug auf die Wirtschaftspolitik ist das BSW tendenziell sozialdemokratisch orientiert, während es in gesellschaftspolitischen Fragen nationale und konservative Tendenzen aufweist, die denen der Christdemokraten ähneln. In Abb. 3.1 zeigt sich, dass es in Westeuropa nur wenige vergleichbare Parteien zum BSW gibt. Parteien, die ähnlich konservativ sind, sind meist wirtschaftspolitisch weniger links, während wirtschaftlich weiter links stehende Parteien oft deutlich progressiver in anderen Themenfeldern sind. Ein Beispiel für eine stärker linksorientierte Partei ist die griechische KKE. Diese wird von March (2012) als moskautreu und kommunistisch-konservativ charakterisiert und ist bei gesellschaftspolitischen Fragen, wie beispielsweise hinsichtlich von LGBTQI*-Rechten, eher konservativ. Hier gibt es zwar in einigen Punkten Ähnlichkeiten zum BSW, etwa in der außenpolitischen Ausrichtung, doch unterscheidet sich die KKE deutlich zum BSW durch seine migrationsfreundliche Haltung. Auf der anderen Seite gibt es Parteien wie die Dänische Volkspartei (Dansk Folkeparti, DF), die der radikalen Rechten zugeordnet wird. Diese vertreten zwar konservative Positionen, sind jedoch wirtschaftspolitisch weniger links als das BSW.
Abb. 3.1
Zweidimensionaler Politikraum und Position der deutschen Parteien.
(Quelle: Eigene Darstellung und Berechnung auf Basis der 2023 Ukraine Chapel Hill Expert Surveys (CHES; Hooghe et al., 2024). Deutsche Parteipositionen basieren auf Daten von Thomeczek et al. (2024); siehe auch Jankowski (2024) zur Darstellung in Westeuropa)
In Zentral- und Osteuropa zeigt sich ein deutlich anderes Bild: Das BSW wäre hier keineswegs ein Einzelfall, da das linkskonservative Spektrum von politischen Parteien gut ausgefüllt wird. Ein prominentes Beispiel ist die polnische PiS Partei, die eine Mischung aus wirtschaftlichem Interventionismus und konservativer Gesellschaftspolitik verkörpert (siehe auch Kap. 5 zur Europawahl). In direkter politischer Nachbarschaft des BSW stehen, wenn man es mit ost- und mitteleuropäischen Parteien in einem politischen Raum abbildet, die eher nationalkonservative bis rechtspopulistische Fidesz-Partei des ungarischen Ministerpräsidenten Orbán sowie die linksnationale bis linkspopulistische Partidul Social Democrat (PSD) Rumäniens. Ein zentrales Element der Sozialpolitik dieser Parteien ist die Förderung von Familien durch konservative und explizit auf Mutterschaft fördernde Maßnahmen, die etwa körperliche Selbstbestimmung von Frauen ausschließen. Unter den Regierungen von Fidesz und PiS manifestiert sich dies oft in finanziellen Anreizen wie Prämien und Darlehen, die mit einer ablehnenden Haltung gegenüber LGBTQ + Rechten kombiniert werden und so die sozialpolitische Ausrichtung der jeweiligen Regierungen prägen (Rathgeb, 2024).
Einige Parteien im Umfeld des BSWs in Abb. 3.1 lassen sich problemlos der linksradikalen Parteienfamilie zuordnen, wie etwa die KSČM in Tschechien. Diese verfolgt eine klar marxistisch-leninistische Linie und steht für eine wirtschafts- und sozialpolitisch radikal linke Ausrichtung. Die ungarische Fidesz-Partei positioniert sich hingegen deutlich weiter rechts und gehören zur radikalen rechten Parteienfamilie. Die politische Landschaft Zentral- und Osteuropas verdeutlicht somit, dass das Zusammenspiel von wirtschaftlich linken und gesellschaftspolitisch konservativen Positionen in der Region kein Unikum darstellt. Vielmehr zeigt sich hier eine ideologische Vielfalt, in der das linkskonservative Quadrant sowohl von links- als auch von rechtsgerichteten Parteien mit verschiedenen Nuancen belegt ist. Dies unterstreicht die Besonderheit des BSW im westeuropäischen Kontext.
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