Springer Professional: Leute, die sich mit Finanzen auskennen, werden doch eigentlich immer gebraucht. Was macht den derzeitigen Anstieg so besonders?
Amra Ljaic: Aus meiner Sicht können hier zwei wesentliche Auslöser angeführt werden. Zum einen liegt das sicherlich in der Tatsache begründet, dass gerade am Jahresanfang Banken immer mehr Budget für die Personalplanung und deren Rekrutierung zur Verfügung steht, als am Ende des Jahres. Insbesondere schlagen hier natürlich auch die vielen Digital-Projekte zu Buche, für deren Abwicklung die Finanzinstitute ständig auf der Suche nach Experten sind. Darüber hinaus steht die Umsetzung der EU-Datenschutzgrundverordnung unmittelbar vor der Tür. Das heißt, auch hier wird verstärkt Spezialwissen benötigt, um entsprechende Deadlines zu erfüllen. Die Firmen haben und müssen immer noch viel in den Aufbau von Compliance-Funktionen investieren, um die Einhaltung der Richtlinien sicherzustellen.
Aber auch andere Branchen haben Digital-Projekte und brauchen entsprechende Experten, worin unterscheidet sich genau der Bedarf im Finanzsektor?
Sie haben es hier mit einer Branche zu tun, die sich im permanenten Spannungsfeld zwischen Digitalisierung auf der einen Seite und Regulierung auf der anderen Seite befindet. Das heißt, man fährt vorwärts immer auf Sicht, allerdings mit angezogener Handbremse. Denn einerseits müssen Abteilungs- und Silodenke aufgebrochen werden, andererseits muss das Hauptaugenmerk immer auf den hochsensiblen Kunden- und Kontodaten liegen. Die Experten, die gesucht werden, sollten sich möglichst genau in diesen beiden Feldern auskennen. Also digitale Kompetenzen ja, aber immer im Kontext von gesetzlichen Anforderungen.
Wenn nun diese Fachkraft am Markt nicht zu finden ist, was bedeutet das für das Management, das sich vielleicht gerade mitten in einem Changeprozess zu agilem Arbeiten befindet?
In jedem Fall ist das Warten auf den idealen Kandidaten die denkbar schlechteste Variante. Sie kostet Zeit und Geld. Daher raten wir unseren Auftraggebern auch in solchen Fällen, Kompromisse einzugehen. Also auch einmal nach branchenfremden Kandidaten, zum Beispiel aus dem Versicherungsumfeld, Ausschau zu halten, die nicht 100 Prozent auf die Position passen. Eine gute Alternative wäre auch die zeitliche Überbrückung mit einem Freiberufler, der sich aufgrund seiner Vertragsform, schnell in ein Team einarbeiten kann, und dann möglicherweise das Projekt übergibt, wenn sich jemand für die Festanstellung abzeichnet.