Future Skills sind die Kompetenzen von morgen, die Unternehmen brauchen. Diese zu ermitteln und entwickeln, gehört zu den größten HR-Herausforderungen. Wie Organisationen "future fit" werden, darüber sprechen die Experten Miriam Hägerbäumer und André Renz im Interview.
Prof. Dr. Miriam Hägerbäumer und Dr. André Renz sind Herrausgeber des Buches "Future Skills in Human Resource Management und Corporate Learning".
[M] Miriam Hägerbäumer/studioline GmbH & Co.KG | André Renz/Weizenbaum-Institut e.V.
Es wird aktuell viel über Future Skills und Upskilling bei Beschäftigten gesprochen. Was sind Kompetenzen und Fähigkeiten, die Unternehmen langfristig unbedingt brauchen und warum?
Miriam Hägerbäumer: Organisationen sind heute und in Zukunft auf Mitarbeitende angewiesen, die bereit und fähig sind, sich kontinuierlich weiterzuentwickeln und mit immer neuen Anforderungen in der Arbeitswelt umzugehen. Hierzu zählen dynamische Transformationsprozesse, die maßgeblich durch Digitalität und Datafizierung geprägt sind und technologische Kompetenzen erfordern - insbesondere im Umgang mit Daten und Künstlicher Intelligenz. Data und AI Literacy, Problemlösung- und Urteilsfähigkeit sind hierbei gefragt.
Gleichzeitig rücken emotionale und soziale Kompetenzen in den Fokus. Hierzu gehören beispielsweise Empathie, Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit sowie Veränderungskompetenz. Darüber hinaus gilt es, die Schnittstelle von Mensch und Maschine zu gestalten, in diesem Kontext spielen sogenannte Fusion Skills eine große Rolle. Je nach Tätigkeitsprofil sind weiterhin strategische Fähigkeiten, Ethikkompetenzen und transformative Skills von hoher Bedeutung.
Können Sie eine ungefährere Einschätzung zum Status Quo dieser Future Skills in Unternehmen geben?
André Renz: Derzeit richten viele Unternehmen ihren Fokus verstärkt auf technologische Kompetenzen und erkennen erhebliche Skill-Gaps. Zwar sind Fortschritte sichtbar, etwa durch gezielte Weiterbildungsinitiativen, doch fehlt es oft an einer durchgängigen Implementierung über alle Unternehmensbereiche und -ebenen hinweg. Der Status quo variiert zudem je nach Branche: Während einige Sektoren kontinuierlich daran arbeiten, Future Skills gezielt zu entwickeln und zu verankern, erkennen andere erst in jüngerer Zeit die Notwendigkeit entsprechender Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen.
Miriam Hägerbäumer: Bei aller Bedeutung von AI Literacy und anderen technologischen Future Skills darf jedoch die menschliche Seite nicht vernachlässigt werden. Soziale und persönliche Kompetenzen sind insbesondere im Kontext neuer Arbeitsformen essenziell. Sie bilden die Grundlage dafür, dass Unternehmen Entwicklungs- und Leistungspotenziale voll ausschöpfen können. Eine ganzheitliche Kompetenzstrategie sollte daher technologische und menschliche Fähigkeiten gleichermaßen fördern.
Wie können Unternehmen Kompetenzlücken im Unternehmen ermitteln und gegebenenfalls schließen?
André Renz: Als Startpunkt bietet sich die Durchführung einer systematischen Kompetenzdiagnose an. Mit modernen Tools wie HR Analytics und Skills Mapping kann ein klarer und strukturierter Überblick gewonnen werden, welche Kompetenzen vorhanden sind und welche noch ausgebaut werden sollten. Gleichzeitig können auch klassische Methoden wie Mitarbeiterbefragungen, Feedback-Gespräche oder manuelle Kompetenzmatrizen wertvolle Einblicke liefern - insbesondere, wenn digitale Lösungen nicht flächendeckend verfügbar oder sinnvoll einsetzbar sind.
Um identifizierte Lücken zu schließen, sind gezielte Up- und Reskilling-Initiativen erforderlich. Dazu zählt ein strategisch ausgerichtetes Corporate Learning, die Integration von Educational Technologies (EdTech), um Lernen personalisierter und bedarfsgerecht zu gestalten, sowie die Förderung einer Kultur des lebenslangen Lernens. Ergänzend können bewährte Ansätze wie Mentoring-Programme, interne Workshops oder arbeitsintegriertes Lernen dazu beitragen, Wissen nachhaltig zu verankern und den Kompetenzaufbau flexibel an die Bedürfnisse des Unternehmens anzupassen.
HR spielt bei allen diesen Maßnahmen eine entscheidende Rolle. Wie gut sind Personalabteilungen auf diese Anforderungen vorbereitet und welche Future Skills müssen sie gegebenenfalls selbst noch erwerben?
Miriam Hägerbäumer: HR-Abteilungen stehen vor der Herausforderung, nicht nur die Belegschaft "future fit" zu machen, sondern auch die eigenen Kompetenzen kontinuierlich weiterzuentwickeln. Sie können sich als Vorreiter, strategische Partner und/oder Innovationsbegleiter innerhalb des Unternehmens positionieren. Dies erfordert den Ausbau strategischer Fähigkeiten, Veränderungskompetenz und ein ausgeprägtes Verständnis für datengestützte Prozesse. Zudem sollten HR-Professionals Kompetenzen in der Nutzung und dem Management von KI-basierten Systemen sowie ethische und kommunikative Fähigkeiten weiterentwickeln. So können sie als Change Agents fungieren, die die notwendigen Transformationen aktiv unterstützen.
Welche neuen HR-Technologien braucht es, damit Unternehmen in Sachen Future Skills gut aufgestellt sind?
André Renz: Technologien wie Learning-Management-Systeme, die mit KI-Unterstützung personalisierte Lernpfade ermöglichen, sind zentral. Zudem werden HR Analytics und digitale Plattformen zur Erfassung und Analyse von Fähigkeiten eine immer wichtigere Rolle spielen. Diese Werkzeuge erlauben es, gezielt in die Entwicklung benötigter Qualifikationen zu investieren und Lernangebote flexibel an den Bedarf anzupassen. In der sich ständig wandelnden Arbeitswelt ist die Integration und Förderung von Future Skills unerlässlich für den langfristigen Unternehmenserfolg. Durch gezielte Maßnahmen und den Einsatz fortschrittlicher HR-Technologien können Unternehmen nicht nur vorhandene Kompetenzlücken schließen, sondern sich auch für zukünftige Herausforderungen wappnen.