Über die Notwendigkeit, schnell für eine nachhaltige Transformation von Unternehmen zu sorgen, wird viel diskutiert. Oft hängt es am Wie. Und dafür fehlen auch die Kompetenzen in der Belegschaft, so eine Studie.
Die nachhaltige Transformation verlangt von Unternehmen wie Beschäftigten Wandlungsfähigkeit. Mitunter muss das dafür nötige Know-how bei Beschäftigten noch aufgebaut werden.
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Grüne Schlüsselkompetenzen sind die wichtigste Säule für das Gelingen der grünen Transformation in Unternehmen, sagen 82 Prozent der befragten deutschen Entscheider in einer globalen Studie von Economist Impact, unterstützt vom Stromversorger Iberdrola, für die mehr als 1.050 Unternehmensleiter, davon 103 aus Deutschland, befragt wurden. Das sehen Entscheider weltweit ganz genauso: 80 Prozent bezeichnen Green Skills als den Treiber hin zu einer nachhaltigen Unternehmensführung.
Chance grüner Wandel braucht entsprechende Expertise
Doch nur 55 Prozent der Unternehmen weltweit und 41 Prozent der Betriebe in Deutschland verfügen über einen entsprechenden Ausbildungsfahrplan oder haben vor, ihn in Angriff zu nehmen. Rund 80 Prozent der Umfrageteilnehmer sind überzeugt, dass der grüne Wandel mehr Chancen als Herausforderungen für ihre Unternehmen mit sich bringt. In Deutschland ist der Optimismus allerdings etwas verhaltener. Hier rechnen 72 Prozent mit überwiegend positiven Entwicklungen auf dem Weg zu einer kohlenstoffärmeren Wirtschaft .
Gleichzeitig fürchten 62 Prozent, Engpässe bei grünen Schlüsselkompetenzen könnten nachhaltigen Wandel verlangsamen.
Ein geringes Engagement bei der Aus- und Weiterbildung führt dazu, dass ein großer Teil der weltweiten Arbeitskräfte nicht in den für eine umweltfreundlichere Wirtschaft erforderlichen Kompetenzen geschult ist. Dies birgt die Gefahr, dass der Fortschritt bei der grünen Transformation behindert wird - und das zu einer Zeit, in der diese immer dringlicher wird, um die Klimakrise zu bewältigen und die Energiesicherheit zu verbessern", warnen die Autoren des Reports.
Nachhaltige Transformation schafft Jobs
Dennoch glauben in Deutschland 67 Prozent der Unternehmer, die für den "Green Skills Outlook" Rede und Antwort gestanden haben, dass eine ökologischere Wirtschaft mehr Arbeitsplätze schaffen als abbauen werde (global 73 Prozent).
Weltweit könnte der grüne Übergang Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zufolge bis zum Jahr 2030 rund 25 Millionen neue Nettoarbeitsplätzen schaffen, vor allem in nachhaltigen Bereichen und Berufen. So entstünden etwa im Energiesektor durch Ausbau und Wartung von Stromnetzen und -speichern weltweit Millionen zusätzlicher Arbeitsplätze, in Europa wohl bis zu 3.500 Arbeitsplätze pro 100.000 Arbeitsplätze, führen die Studienautoren ins Feld.
Green Skills für alle Unternehmensbereiche relevant
"Unter Green Skills verstehen wir ein Set von Kompetenzen, die Beschäftigte dazu befähigen, die fortlaufende dynamische Transformation der Arbeitswelt in Bezug auf Nachhaltigkeit zu bewältigen und aktiv zu gestalten", heißt es in einem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) im Februar 2023 veröffentlichten Impulspapier.
Damit der grüne Wandel gelingen kann, werden nachhaltige Mitarbeitende auf allen Ebenen gebraucht. Es gelte also, Sustainability als Mindset zu definieren und zu verankern, so die Erkenntnisse aus den Expertengesprächen, die für die Publikation geführt wurden.
Diese nachhaltigen Kompetenzen sind in den verschiedenen Unternehmensfunktionen notwendig, so das BMWK.
Plattform Industrie 4.0/Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK)
Green-collar-Beschäftigte entwickeln
Neben einem Verständnis und der Akzeptanz zur Notwendigkeit von nachhaltiger Entwicklung, dem Sustainable Mindset ("Why"), stufen die Experten das Wissen über grüne Technologien ("What") sowie Transferkompetenzen ("How") bei allen Beschäftigten in allen Handlungsfeldern (siehe Grafik) als entscheidend ein. "Dieser Dreiklang verbirgt sich hinter unserem Konzept und Verständnis der "Green Skills".
In Anlehnung an die bekannte Unterscheidung zwischen "Blue collar"- (körperliche Tätigkeiten) und "White collar"-Beschäftigten (Tätigkeiten am Schreibtisch) sind für uns in Zukunft "Green-collar"-Beschäftigte das Zielbild", heißt es in dem Impulspapier. Es geht also darum Arbeitnehmer zu entwickeln, die in einem Umweltsektor der Wirtschaft beschäftigt sind und als Umweltarbeiter die grüne Entwicklung vorantreiben.
Ähnliche Ansätze ergeben sich aus dem Green Skill Outlook. Der grüne Wandel erfordere demnach, dass alle Arbeitnehmer Kompetenzen erwerben und nicht nur diejenigen in einer entsprechenden Nachhaltigkeitsfunktion. Es handele sich dabei um Fähigkeiten, die von nicht-berufliche über nicht-technische Soft Skills reichen, die es brauche, um sich in grünen Jobs auszuzeichnen, bis hin zu eher technischen, rollenspezifischen Fähigkeiten. So nannte beispielsweise mehr als ein Drittel (38 Prozent) der Befragten im Energiesektor die Implementierung intelligenter Stromnetze als eine der wichtigsten Green Skills, um den grünen Wandel in ihrem Unternehmen zu ermöglichen.
Ökologische Nachhaltigkeitskompetenz erforderlich
Ökologische Nachhaltigkeitskompetenz tue in allen Lebensbereichen tut, ergibt der "OECD Skills Outlook 2023" mit dem Untertitel "Skills for a Resilient Green and Digital Transition". Insbesondere jüngere Generationen komme beim Umweltschutz eine tragende Rolle zu. Daher sollten ihre Vertreter rund um Sustainability über kognitive (Wissen und Fertigkeiten), affektive (Einstellungen und Werte) und verhaltensbezogene Fähigkeiten (Engagement in umweltfreundlichen Aktivitäten) verfügen.
Nachhaltigkeitsbildung ziele demnach darauf ab, "von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter eine nachhaltige Denkweise zu fördern, die das Verständnis dafür vermittelt, dass die Menschen Teil der Natur sind und von ihr abhängen. Die Lernenden werden mit Wissen, Fähigkeiten und Einstellungen ausgestattet, die ihnen helfen, Akteure des Wandels zu werden und individuell und kollektiv zur Gestaltung der Zukunft innerhalb der planetarischen Grenzen beizutragen" , zitiert die OECD den GreenComp-Ansatz aus der Forschung.
Change Agents fördern Nachhaltigkeitstransformation
Um die nachhaltige Entwicklung von Organisationen voranzutreiben, spielen unter anderem Change Agents eine große Rolle, die selbst zunächst die wesentlichen Schlüsselkompetenzen für den grünen Wandel erwerben, um diese in einem zweiten Schritt in Lerngruppen innerhalb der Organisation zu tragen, führt Anke Strauß in einem Kapitel zum Thema aus. Den Prozess der nachhaltigen Entwicklung will die Springer-Autorin als kulturelles Projekt verstanden wissen, "welches eine andauernde Auseinandersetzung mit dem Begriff Nachhaltigkeit als kulturelle Vision aber auch den daraus resultierenden Handlungsoptionen erfordert."
Auch wenn Strauß das Vorgehen am Beispiel des Weiterbildungsstudiengangs "Strategisches Nachhaltigkeitsmanagement" der Hochschule für Nachhaltige Entwicklung Eberswalde erläutert, lässt sich der Ansatz durchaus auf Unternehmen übertragen. Denn "Change Agents werden als Schlüsselakteure für das Initiieren und Begleiten von Veränderungen in Organisationen hin zu einer nachhaltigen Entwicklung angesehen."
Die aktuelle Forschung führe verschiedene Konzepte zusammen und unterscheide fünf Schlüsselkompetenzen für Nachhaltigkeits-Change-Agents:
- Systems Thinking Competence,
- Anticipatory Competence,
- Normative Competence,
- Strategic Competence,
- Interpersonal Competence.
Transformatives Lernen als Basis für ESG-Veränderung
Ein solches kompetenzbasiertes Lernen, das über reine Wissensvermittlung hinaus auf eine Veränderung des Wertekanons, Sicht- und Denkweisen abzielt, wird mit dem Terminus transformatives Lernen beschrieben, führt Strauß weiter aus. Es gehe darum "prospektive Strategien" einzusetzen zur Entwicklung neuer Lösungsmöglichkeiten.
Die nachhaltige Verwandlung erfordere auch deswegen, neue Lernkonzepte anzugehen, weil sie eine besondere Transformation sei, so Transformationsforscherin Paula Maria Bögel. Mit einer sozio-technischen Perspektive auf die Nachhaltigkeitstransformation lassen sich in der aktuellen Diskussion sieben Charakteristika formulieren:
- Multi-Dimensionalität und Co-Evolution;
- Langfristige Prozesse;
- Wandel und Beständigkeit;
- Multi-Akteursprozesse;
- Werte, Widerspruch und Widerstand;
- Normative Zielsetzung; und
- Unsicherheit in Zielsetzung.
Viele der genannten Faktoren kennzeichnen auch andere Transformationen, etwa die Digitalisierung. Mit einem entscheidenden Unterschied, nämlich der normativen Zielsetzung, betont Strauß. "Ein Unternehmen wird sich entscheiden, digitale Lösungen umzusetzen, wenn sie für den ökonomischen Erfolg vielversprechend erscheinen", erklärt die Expertin das Problem an einem konkreten Beispiel. Ganz anders aber sehe es bei der Nachhaltigkeit aus: Hier stehe das normative Ziel der nachhaltigen Entwicklung im Vordergrund und mache ein ganz besonderes Management erforderlich.