Ohne strategische Personalplanung geht es nicht mehr, da Fachkräftemangel und Kompetenzlücken Unternehmen beuteln. Doch statt den Skill Gap zu analysieren und die Belegschaft langfristig zu entwickeln, tappen viele Firmen bei dem Thema im Dunkeln.
Was können Beschäftigte und was nicht? Welche Fähigkeiten und wie viel Personal sind in Zukunft gefragt? Viele Unternehmen stellen sich diese Fragen nicht.
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79 Prozent der deutschen Unternehmen beklagen bei etwa einem Viertel ihrer Beschäftigten bereits heute eine Qualifikationslücke. Gleichzeitig führen nur 60 Prozent eine jährliche Personalplanung für alle Rollen im Unternehmen durch. Das gilt insbesondere für Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden. Das geht aus dem HR-Monitor 2024 hervor, für den die Unternehmensberatung McKinsey mehr als 1.000 Beschäftige in Deutschland sowie Personalverantwortliche aus 500 Unternehmen im Herbst 2023 befragt hat.
Keine Personalbedarfsplanung für fünf Jahre
Gehen Unternehmen gezielt vor und prüfen Personalangebot und -nachfrage, wird jedoch in der Regel keine strategische Planung für einen Zeitraum von drei bis fünf Jahren vorgenommen, kritisieren die Studienautoren. Rund ein Drittel (33 Prozent) der Umfrageteilnehmer untersuchen die Bedarfe lediglich für ausgewählte Rollen und Bereiche. Und sieben Prozent lassen das Thema gleich ganz unter den Tisch fallen.
Wenn Unternehmen eine ordentliche Personalplanung etabliert haben, werden auch die Fähigkeiten und Kompetenzen der Beschäftigten umfassend dokumentiert, sagen 64 Prozent der befragten HR-Experten. Alle anderen Umfrageteilnehmer praktizieren dies allenfalls selektiv (30 Prozent) oder gar nicht (sechs Prozent).
Personalplanung ist die gedankliche Vorwegnahme zukünftiger personeller Maßnahmen. Personalplanung soll dafür sorgen, dass kurz-, mittel- und langfristig die im Unternehmen benötigten Arbeitnehmer in der erforderlichen Qualität und Quantität zum richtigen Zeitpunkt, am richtigen Ort und unter Berücksichtigung der unternehmenspolitischen Ziele zur Verfügung stehen." Definition Gablers Wirtschaftslexikon
Fehlende Kompetenzen aufspüren und schließen
Dabei könne nur durch Transparenz gewährleistet werden, dass bestehende und künftige Kompetenzlücken auch geschlossen werden, monieren die Berater von McKinsey. Auch die Entwicklung von Schulungsprogrammen gelinge nur, wenn Klarheit über die erforderlichen Fähigkeiten der Beschäftigten herrsche, ebenso das gezielte Recruiting von Talenten.
Korrespondierend zu diesen Ergebnissen, verfügt ein Viertel der Arbeitnehmenden nach eigenen Angaben nicht über kritische Fähigkeiten, um ihren Job auch in fünf Jahren auszuüben. 23 Prozent haben zudem im Jahr 2023 keinen Weiterbildungstag in Anspruch genommen. Durchschnittlich werden Arbeitnehmende laut der befragten Personalmanager im Schnitt für zwölf Tage freigestellt, um an ihrer persönlichen und professionellen Weiterentwicklung zu arbeiten. Etwa die Hälfte der Unternehmen gewährt ihren Beschäftigten jedoch im Schnitt nur acht Trainingstage pro Jahr.
Rund die Hälfte (53 Prozent) der Befragten rechnen zudem damit, dass Generative KI Auswirkungen auf ihr Berufsleben haben wird. Trotz diverser Versäumnisse, die die Studie zutage fördert, sind 47 Prozent der Beschäftigten mit ihrer HR-Abteilung zufrieden.
Beschäftigte fühlen sich für die Zukunft der Arbeitswelt nicht qualifiziert und sind mit der Personalarbeit dennoch recht zufrieden.
McKinsey & Company, Inc.
Talentlücken größtes Hindernis für Unternehmen
Wie die "Creating People Advantage 2023"-Studie der Boston Consulting Group (BCG) in Zusammenarbeit mit der World Federation of People Management Associations (WFPMA) unter rund 6.900 international Teilnehmenden aus 102 Ländern ermittelt hat, nennen beinahe drei Viertel der Befragten personelle Herausforderungen und Talentlücken als größtes Hindernis für ihr Unternehmen. Ähnlich wie der aktuelle HR-Monitor 2024 ergibt die Studie aus dem vergangenen Jahr, dass das Human Resources Management (HRM) trotz dieser Erkenntnis bei der strategischen Personalplanung sowie der Talentakquise und -entwicklung nur schwach aufgestellt ist.
Eine strategische Personalplanung ist also eine der wichtigsten Säulen, um dem Fachkräftemangel zu begegnen und Mitarbeiter gezielt zu qualifizieren. Oder wie es die beiden Wissenschaftlerinnen und HR-Expertinnen Jutta Rump und Silke Eilers formulieren: Die Personalplanung ist die "Strategie für die Zukunft", das Mittel, um im Unternehmen die drei Ds - Demografie, Diversität und Digitalisierung - auch rund um das Personal zu managen.
Personalplanung in fünf Schritten
Als Leitfragen, um Bedarfe und Marktanforderungen zu ermitteln, empfehlen die Springer-Experten im Buchkapitel "Praktische Umsetzung der strategischen Personalplanung in kleinen und mittelständischen Unternehmen", unter anderem folgende Leitfragen zu stellen:
- Passen die Qualifikationen und die Kompetenzen, die im Betrieb bereits vorhanden sind, zu den zukünftigen Zielen?
- Sind die Kompetenzen im Unternehmen vorhanden, die benötigt werden, um erfolgreich die Strategie umsetzen zu können?
- Welche Kompetenzen müssten noch entwickelt werden?
- Wo besteht möglicherweise Schulungs- und Trainingsbedarf?
- Entstehen vielleicht gänzlich neue Berufsbilder und wenn ja, welche?
- Werden bestimmte Berufsbilder auf längere Sicht hin überflüssig, sich stark verändern oder sogar ganz verschwinden?
- Welche Betriebsbereiche sind von diesen Veränderungen besonders betroffen?"
Idealtypisch lässt sich den HR-Experten zufolge die strategische Personalplanung als mehrstufiger Prozess beschreiben, der sich in fünf Schritte unterteilen lässt:
Kern der Personalplanung ist die Beschreibung des heutigen und zukünftigen Personalbestands und des erwarteten Personalbedarfs.
Jutta Rump, Stefan Stracke, Gaby Wilms, David Zapp, "Strategische Personalplanung" (2020), Seite 98.
"In diesen Zeiten des starken Kompetenzwandels durch neue Technologien, einem steigenden Fachkräftemangel und erhöhter Wechselbereitschaft der Beschäftigten ist eine strategische Personalplanung für Unternehmen unabdingbar. Nur so können Talent- und Kompetenzlücken frühzeitig angegangen beziehungsweise vermieden werden“, urteilt auch McKinsey-Partner und Personalexperte Julian Kirchherr.