Zusammengestückelte Klamotten wie aus dem Kleidersack, entscheidungsoffen in der Haltung, losgelöst von ökonomischen und anderen Zwängen. Weniger traditionsbehaftet als die diziplinierten Babyboomer vor ihnen. Lessness als Lebensphilosophie. Lost Generation der Neunziger. So cool kamen ab 1966 geborene, nach dem gleichnamigen Buchbestseller mit dem Label Generation X etikettiert, vor rund 30 Jahren in Medien, Musik und Film daher. Sie waren Slackers, hörten Grunge und sind mit den braveren Absolventen ihrer Jahrgänge auch als Generation Golf im Gedächtnis der Alterskohorten verankert.
Alle sind sie mittlerweile um die 50 Jahre alt und es vereint sie, dass sie am Arbeitsplatz konkurrieren müssen mit einer neuen Generation junger Menschen im Second-Hand-Look, geleitet von hyperflexiblen Ansprüchen an Leben wie Job und mit einem neuen Buchstaben hinter dem Generationenbegriff. Doch was sagen die mit Alterskohorten verbundenen Charakteristika wirklich über Beschäftigte und ihre Qualitäten aus? Ist die Generation Y nun illoyal oder veränderungsbereit und die Generation X etwa doch zu den Karrieristen geworden, die sie nie sein wollten? Wie technikaffin kann der Babyboomer umgeben von Digital Natives noch sein?
Forscher der Jacobs University befragten dazu drei Generationen von Daimler-Mitarbeitern und entdeckten, dass Generationenbegriffe nichts anderes sind als Stereotypen, Klischees und negative Zuschreibungen, die Arbeitnehmer aller Altersstufen zu demotivierenden Wahrnehmungen über die eigene Leistungsfähigkeit verleiten.
Warum die Selbstwahrnehmung fremdbestimmt ist
Nicht das Alter, sondern individuelle Charaktereigenschaften sollten im Berufsleben über die Förderung von Mitarbeitern entscheiden. Das ist, vorweg, eine der zentralen Forderungen, der Psychologen Christian Stamov Roßnagel und Bror Giesenbauer von der Jacobs University sowie Andreas Mürdter von der Daimler AG. Gemeinsam befragten sie Mitarbeiter des Autobauers aus den Generationen Babybommer, X und Y nach Fremdbild und Selbsteinschätzung.
Die Studienteilnehmer sollten jeweils bestimmen, wie wichtig ihnen arbeitsplatzbezogene Eigenschaften wie Sicherheit, Flexibilität, Freude an der Arbeit oder Technikaffinität sind. Anschließend sollten sie einschätzen, wie relevant diese Eigenschaften für die Mitglieder der beiden anderen beiden Generationen sind. Unter dem Strich, so das Ergebnis, sind sich Arbeitnehmer quer durch die Jahrzehnte ähnlicher als sie selbst denken. Allen ist die Freude bei der Arbeit sowie die Mitgestaltung gleich wichtig. Der Knackpunkt ist die von Klischees geleitete Fremdwahrnehmung.
Generation | Fremdeinschätzung | Selbsteinschätzung |
Y |
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X |
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Boomer |
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"Vieles, was wir von uns glauben, haben andere uns gesagt", schreibt Springer-Autorin Desirée Linde über das Selbstbewusstsein (Seite 22). Herauszufinden, welche positiven und negativen Zuschreibungen wirklich zutreffen, um sich von letzteren zu befreien. ist deshalb lebenslange Aufgabe. Altersstereotype mindern den Glauben in die eigene Leistungsfähigkeit und wirken wie selbsterfüllende Prophezeiungen.
Das bestätigen auch die Autoren der Studie und fragen, warum Unternehmen stur an der Generationeneinteilung festhalten, warum sie immer komplexer werdende Arbeitswelten über den Kamm von nur drei Altersgruppen scheren? Ist es die Angst der Unternehmensführung, in einer VUCA-Welt den Ansprüchen und Erwartungen von Individuen nicht gewachsen zu sein? Sollen nur deshalb überholte Ordnungskriterien verloren gegangene Strukturen ersetzen?
Defizitäre Altersbilder hemmen das Handeln
Arbeit 4.0 und Innovation brauchen ein Organisationsklima, in dem sich die Beschäftigen frei von Vorurteilen und Klischees begegnen. "Dem defizitären Altersbild, bei dem Stereotype über ältere Arbeitnehmerinnen vorherrschen, ist eine ganz klare Absage zu erteilen", fordert Springer-Autor Ernst Hirnschal von einer Unternehmenskultur in Zeiten von Arbeit 4.0 und demografischem Wandel (Seite 80).
Das fatale an Altersstereotypen sei, sie produzierten sich immer wieder auf das Handeln. Um dem zu begegnen und eine Unternehmenskultur zu etablieren, die dem demographischen Wandel ein positives Menschenbild entgegen hält, muss Mitarbeitern die Möglichkeit gegeben werden ihre Selbstwirksamkeit und Handlungskompetenz zu erfahren. Dies geschieht durch (Seite 85):
- Eigene Erfolgserlebnisse
- Stellvertretende Erfahrung
- Verbale Ermutigung
- Emotionale Erregung
Dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich in einer Atmosphäre begegnen, in der es schlichtweg in Vergessenheit geraten ist, welcher Generation sie angehören, weil ihre individuellen Erfahrungen und Begabungen den Ausschlag zur Zusammenarbeit geben, ist die wahrscheinlich angemessenste Antwort auf Arbeit 4.0 und demographischen Wandel. Was beim Umdenken helfen könnte, ist die Idee, dass all die Bestimmungssubstantive und Buchstaben hinter oder vor dem Begriff Generation auch nicht mehr sind, als die interessengeleitete Ordnung von Menschen nach ihrem Konsumverhalten.