Führungskräfte sollten in vertrauensvolle Mitarbeiterführung investieren. Denn wenn das Verhältnis zu den Mitarbeitenden nicht stimmt, ist der Schaden für das Unternehmen immens, warnt Berater und Springer-Autor Hartmut Laufer im Gespräch.
Springer Professional: Diverse Studien zeigen uns jedes Jahr, dass viele Mitarbeiter in Deutschland innerlich gekündigt haben. Da muss Vertrauen kaputt gegangen sein. Was läuft da in der Mitarbeiterführung schief?
Hartmut Laufer: Das kann verschiedenartige Gründe haben. Unter anderem spielt dabei die geschichtliche Entwicklung unserer Gesellschaft eine Rolle. Über Jahrhunderte hinweg wurde nicht nur in Militär, Polizei und Behörden, sondern auch in den Wirtschaftsunternehmen nahezu ausschließlich autokratisch geführt. Das heißt, nach dem schlichten Prinzip des Anordnens und Befolgens. Ein Führungsstil, der von den Arbeitnehmern schicksalsergeben als Normalität akzeptiert wurde. Die meisten von ihnen waren diese Art des Umgangs mit Abhängigen schließlich auch von der autoritären Erziehung im Elternhaus gewohnt. Man vertraute darauf, dass die Leitenden es schon zu Wohle aller richten würden – da sie selbst ja ohnehin keinen nennenswerten Einfluss auf die Unternehmensentwicklung hatten.
Und was hat sich inzwischen geändert?
Durch das nach dem Zweiten Weltkrieg in unserem Land gewachsene Demokratieverständnis, hat sich jedoch eine zunehmende Sensibilisierung gegenüber Machtmissbrauch jeder Art entwickelt. Die Mitarbeiter reagieren demzufolge auf unangemessene Gewinnsteigerungen von Unternehmen und Einkommenszuwächse ihrer Top-Manager auf Kosten von Personaleinsparungen und steigendem Leistungsdruck mit Unzufriedenheit und Vertrauensschwund. Sie fühlen sich nicht nur enttäuscht, sondern oft zu Recht auch getäuscht. Dieser Vertrauensschwund wirkt sich zwangsläufig auch auf die Beziehungen zwischen den Mitarbeitern und ihren unmittelbaren Vorgesetzten aus. Schließlich sind diese der verlängerte Arm der Unternehmensleitung. Sie stehen somit zwischen Baum und Borke: Einerseits für den Unternehmenserfolg sorgen zu müssen, andererseits eine Fürsorgepflicht gegenüber ihren Mitarbeitern zu haben.
Welche Auswirkungen hat es für Unternehmen, wenn das Vertrauen zwischen Mitarbeitern und Managern fehlt?
Leistungsbereitschaft beruht stets auf einem ausgewogenen Verhältnis von Geben und Nehmen. Nur wenn die Mitarbeiter darauf vertrauen können, dass die Unternehmensleitung nicht nur ihren eigenen Profit im Auge hat, sondern auch für eine leistungsgerechte Entlohnung und zumutbare Arbeitsbedingungen sorgt, kann erwartet werden, dass die Beschäftigten sich mit ihrer Arbeit identifizieren und sich um bestmögliche Arbeitsergebnisse bemühen. Herrscht jedoch eine negative, von Misstrauen geprägte Unternehmenskultur, verwenden die Mitarbeiter mehr Energien darauf, nicht durch Fehler oder unangepasstes Verhalten aufzufallen, als sich verantwortungsbewusst für ihre Arbeitsaufgaben zu engagieren. Sie gerade noch das untere Leistungslimit erfüllen oder beispielsweise durch unnötige, aber letztlich kostensteigernde Überstunden ein hohes Leistungsniveau vortäuschen, um auf keiner schwarzen Liste für Personaleinsparungen zu landen. Sie also vorrangig "Dienst nach Vorschrift" machen.
Wie können Führungskräfte verloren gegangenes Vertrauen bei den Mitarbeitern wieder aufbauen?
Das Vertrauen von Mitarbeitern zu gewinnen, ist schwierig, missbrauchtes zurückzugewinnen jedoch manchmal sogar unmöglich. Dennoch sollten Führungskräfte sich tagtäglich um ein tragfähiges Vertrauensverhältnis zu ihren Mitarbeitern bemühen. In erster Linien gehört dazu, möglichst oft mit ihnen Gespräche zu führen und dabei zu verdeutlichen, dass ihnen deren Befindlichkeiten nicht gleichgültig sind. Des Weiteren sollten sie ihre Mitarbeiter stets rechtzeitig und umfassend über alle, deren Belange berührende Angelegenheiten informieren – selbst wenn es um unpopuläre Vorhaben geht.
Es geht also vor allem um Kommunikation?
Ja. Informationsmangel verunsichert und Unsicherheit macht misstrauisch. Spätestens wenn auffällig viele Mitarbeiter in ihren Leistungen nachlassen oder aus Enttäuschung kündigen, sollten Unternehmen die Gefühle ihrer Mitarbeiter ernst nehmen und ihre Unternehmenspolitik überdenken. Ist das allgemeine Mitarbeitervertrauen aufgrund von Misstrauen weckenden Vorkommnissen erst einmal beschädigt, bleibt letztlich den unmittelbaren Vorgesetzten die undankbare Aufgabe, bei den Mitarbeitern um Verständnis zu werben und zu versuchen, durch ihr eigenes vertrauensbildendes Führungsverhalten die entstandenen Vertrauensmängel zu kompensieren.
In der Arbeitsrealität haben Manager so viele operative To Dos, dass die Führung von Mitarbeitern oft vernachlässigt wird oder ganz entfällt. Was raten Sie solchen Führungskräften?
Bedingt durch Personaleinsparungen sogar auf den Führungsebenen, ist es in der Tat für Führungskräfte heute oftmals schwierig, das Vertrauen ihrer Mitarbeiter zu gewinnen beziehungsweise aufrechtzuerhalten. Die anwachsende Menge der Routinearbeiten führt zu einer Anonymisierung der Mitarbeiterführung. Vorgesetzte können sich aus Zeitmangel weit weniger um ihre einzelnen Mitarbeiter kümmern, als dies noch vor einigen Jahrzehnten möglich war. Noch in den 1970er-Jahren galt als Faustformel: "Eine Führungskraft kann nicht mehr als sieben unmittelbar nachgeordnete Mitarbeiter optimal führen." Heutzutage sind hingegen Führungsspannen von 20 und mehr Mitarbeitern keine Ausnahmeerscheinungen mehr. Dennoch sollten Führungskräfte jede Gelegenheit zu persönlichen Gesprächen mit ihren Mitarbeitern wahrnehmen. Und sei es in regelmäßigen Mitarbeiterbesprechungen. Die dafür ausgewendete Zeit zahlt sich in aller Regel dadurch aus, dass es seltener zu Fehlerregulierungen, Kritikgesprächen oder sonstigen disziplinarischen Maßnahmen kommt.