Herausforderungen im Privatleben beeinflussen den beruflichen Alltag. Entsprechend ändern sich auch die Bedürfnisse und Gefühle der Mitarbeitenden. Teamleiter sollten mit empathischer Führung Emotionen am Arbeitsplatz zulassen.
Sina Zeißler-Hofmann ist als Head of People and Culture für die Belegschaft der Frankfurter Digitalagentur Artus interactive verantwortlich. Ihr Hauptaugenmerk liegt auf dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden.
Artus interactive
Angenommen, eine Freundin ist unglücklich und hat ein Problem. Wie reagieren wir darauf? Richtig: Wir hören zu und versuchen zu helfen. Im Jobkontext geht es jedoch oft anders zu – leider. Dabei ist es schlicht menschlich, dass Probleme und Herausforderungen und die daraus resultierenden Gefühle nicht einfach per Knopfdruck an und ausgeschaltet werden können. Auch ist es kein Geheimnis, dass sich Bedürfnisse eines Mitarbeitenden im Laufe einer Unternehmenszugehörigkeit ändern. Beschäftigte bringen oft eine ganze breite Bandbreite an Emotionen in den Arbeitsalltag ein, die mitunter auch die Arbeitsperformance beeinflussen.
Führungskräfte sollten in der Lage sein, sich adäquat auf Situationen dieser Art und entsprechend aufkommende Gefühle einzustellen. Der Schlüssel zum Erfolg für zufriedene, loyale Mitarbeitende und eine angenehme Arbeitsatmosphäre ist dabei empathische Führung. Indem Führungskräfte ihren Teammitgliedern individuell und mit Menschlichkeit zur Seite stehen, steigern sie nicht nur deren Wohlbefinden und Motivation, sondern sichern langfristig auch den Erfolg des Unternehmens. Hilfestellung
auf dem Weg hin zu einer empathischen Führung leisten folgenden Anregungen.
Mit mehr Gefühl führen und richtig zuhören
In vielen Unternehmen werden Emotionen noch immer als Schwäche gesehen und haben keinen Platz. Dabei sollte auch im Beruflichen ein empathisches Miteinander selbstverständlich sein.
Ein regelmäßiger Dialog mit Kollegen und dem Team ist für Führungskräfte essenziell. One-to-One Gespräche und eigens eingerichtete Formate wie Quarterly Talks helfen, um persönlichen Anliegen Raum zu geben. In erster Linie geht es bei diesen Gesprächen darum, Mitarbeitenden auf Augenhöhe wirklich zuzuhören, also herauszufinden, wie es jeder und jedem Einzelnen privat und beruflich geht. Weiterhin gilt es zu verstehen, in welcher Stimmung das Gegenüber gerade ist. Und es geht auch darum, Gefühle im Dialog zuzulassen – positive ebenso wie negative. Denn auch vermeintlich negative Emotionen sind wichtig und sollten ausgesprochen werden.
Emotionen, aktives Zuhören sowie die Bereitschaft, auf individuelle Anliegen einzugehen, helfen dabei, einander gegenseitig zu verstehen und legen eine gute Grundlage für Weiterentwicklungen, Wachstum und Entfaltung.
Bedürfnissen mit Einfühlungsvermögen begegnen
Bedürfnisse sind genau so individuell wie jeder Arbeitnehmende. Zudem spielt die aktuelle Lebensphase bei Bedürfnissen eine zentrale Rolle, wobei jede Lebensphase unterschiedliche Herausforderungen und Prioritäten mit sich bringt: So steht bei Berufsanfängern oftmals die Karriereentwicklung im Fokus. Wohingegen eine junge Mutter, wahrscheinlich ganz anders priorisiert. All dies betrifft auch die unschönen Dinge des Lebens, etwa in privaten Krisenzeiten und bei persönlichen Herausforderungen.
Faktisch ist eine dauerhaft gute berufliche Performance nicht immer durchzuhalten, wenn sich privat Situationen und Angelegenheiten gravierend oder nachteilig ändern. Und das ist auch in Ordnung. Durch konkrete Hilfestellungen und gelebte Loyalität in herausfordernden Zeiten können Unternehmen und Führungskräfte ihre Wertschätzung zeigen und damit eine unterstützende Arbeitsumgebung für die betroffenen Individuen in der Belegschaft schaffen.
Mitarbeiterbindung ist auch ein Ergebnis von Menschlichkeit. Führungskräfte und HR-Verantwortliche sollten daher jeden Einzelnen mit den jeweiligen individuellen Bedürfnissen in den Fokus rücken und flexible, individuelle Lösungen erarbeiten. Denn es geht nicht allein um das Arbeitsergebnis.
Emotionen bei der Selbstreflexion zulassen
Auch wenn der Wille da ist, gelingt es Führungskräften nicht immer, fehlerfrei und zufriedenstellend mit Teammitgliedern zu agieren: Vielleicht erweist sich eine Entscheidung im Nachhinein als doch nicht ganz optimal oder der Ton im Meeting war nicht angemessen. Mit der Folge, dass sich jemand angegriffen fühlt oder verstimmt ist und dies auch im eigenen Verhalten zeigt.
Idealerweise findet nach solchen Vorfällen eine Selbstreflexion bei der Führungskraft statt. Und auch dabei spielen Emotionen eine wichtige Rolle. Natürlich sollten Selbstreflexionen nicht nur auf Gefühlen basieren. Dennoch ist die Fähigkeit, Gefühle in den Prozess der Selbstreflexion einzubeziehen, sie zu verstehen und zu äußern, ein wirkungsvolles Werkzeug – das fast immer auch auf Verständnis und Mitgefühl trifft und eine werteorientierte Unternehmenskultur fördert. Wenn Führungskräfte in der Lage sind, sich Fehler einzugestehen, mit ihren Emotionen offen umzugehen und sich aufrichtig entschuldigen können, zeigt dies Menschlichkeit.
Empathische Führung ist übrigens keine Einbahnstraße – auch die Mitarbeitenden sollten sich auf ihre Führungskräfte einlassen und Vertrauen aufbauen können. Es gilt also, ein Klima des Vertrauens und der Offenheit zu schaffen, in dem sich alle Beteiligten wohlfühlen. Denn empathische, werteorientierte Führung ist nicht nur eine Frage des Mitgefühls, sondern auch eine Frage des Erfolgs.