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30.04.2025 | Personalmanagement | Interview | Online-Artikel

"Eine klare Priorisierung der HR-Aufgaben fehlt"

verfasst von: Andrea Amerland

5:30 Min. Lesedauer

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Nicht nur das Recruiting ist ein großer Stressfaktor für HR-Manager. Personaler werden per se zwischen vielen To Dos, unterschiedlichen Erwartungen und zu wenig Wertschätzung zerrieben, so Experte Florian Klages im Gespräch.

springerorofessional.de: HR-Abteilungen leiden unter Dauerstress, belegen Studien. Woran liegt das?

Florian Klages: Ich sehe in meiner täglichen Arbeit fünf Hauptgründe, die zu diesem Dauerstress führen. Ein Teil liegt in Ausbildung und Qualifikation. Viele HR-Fachkräfte sind Quereinsteiger oder Autodidakten, die sich ihre Fähigkeiten selbst erarbeitet haben. Hinzu kommt, dass HR-Manager häufig zusätzliche Aufgaben in den Bereichen Administration, Office-Management oder Finanzen übernehmen müssen, was ihre Arbeitslast erheblich erhöht und den Druck auf sie verstärkt.

Dann gibt es ein Two-Sided-Market Phänomen. Im Gegensatz zu vielen anderen Unternehmensbereichen müssen HR-Produkte und -Angebote nicht nur den Anforderungen der Geschäftsführung gerecht werden, sondern auch den Bedürfnissen aller Mitarbeitenden entsprechen. Während im Controlling ein Tool in der Regel nur für einen Bruchteil der Belegschaft relevant ist, müssen HR-Lösungen unternehmensweite Akzeptanz und Anwendbarkeit finden. Dieser Druck, allen Mitarbeitenden gerecht werden zu müssen, erhöht den Komplexitätsgrad und den Druck auf HR enorm.

Welche Rolle spielen die Anforderungen und Erwartungen an Personaler?

Es gibt dadurch Rollenwidersprüche. Ein zentraler Konflikt entsteht zwischen zwei gegensätzlichen Zielen: Einerseits sollen Personaler jedem Mitarbeitenden die bestmögliche Chance bieten, ihr Potenzial zu entfalten. Andererseits fungieren sie als verlängerter Arm der Geschäftsführung und müssen in dieser Rolle auch unbequeme Wahrheiten kommunizieren und manchmal harte Maßnahmen umsetzen. Dieser Spagat zwischen Mitarbeiterförderung und Unternehmensinteressen kann eine echte Belastungsprobe sein.

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Hinzukommt etwas, was ich den "Marketing-" oder "Bundestrainereffekt" nenne. Im Gegensatz zu Abteilungen wie Finanzen oder Forschung und Entwicklung, deren Expertise in der Regel hoch angesehen wird, sieht sich HR oft mit der Situation konfrontiert, dass praktisch jeder Mitarbeitende eine Meinung zu HR-Themen hat - oft auch über den eigenen Kompetenzbereich hinaus. Diese Haltung manifestiert sich häufig in Aussagen wie: "Ein Feedbackprozess? Ein Performance-Gespräch? Das kriege ich auch alleine hin, notfalls "on the fly." Das verdeutlicht auch, dass Außenstehende nicht nur die Komplexität und Bedeutung professioneller HR-Arbeit, sondern auch die Aufwände, unterschätzen.

Welchen Konsequenzen ergeben sich daraus?

Das kann zu Problemen bei der Talentgewinnung und -bindung sowie einer sinkenden Mitarbeitermotivation führen. Die Abwanderung qualifizierter HR-Fachkräfte ist die Folge der genannten Faktoren. Viele qualifizierte HR-Mitarbeitende entscheiden sich dafür, in andere Bereiche zu wechseln, die als weniger stressig wahrgenommen werden. Das führt zu einem Teufelskreis, da der Verlust von Mitarbeitenden die Belastung für die verbleibenden Mitarbeitenden weiter erhöht.

Welche Rolle spielt Ihren Erfahrungen nach die Geschäftsleitung bei dieser Überlastungsproblematik?

Eine sehr große Rolle. Es wäre jedoch zu einfach, sie allein dafür verantwortlich zu machen. Die Belegschaft mit ihren divergierenden, oft sehr heterogenen Anforderungen fügt einen weiteren Druckpunkt hinzu. Die Geschäftsleitung ist häufig die Stelle, die die Themen und die Taktung für die HR-Bereiche vorgibt. Dabei hat sie oftmals ein falsches Verständnis oder falsche Annahmen in Hinblick auf den Zeitaufwand, der für gute Arbeit notwendig ist.

Auch fehlt oft eine klare Priorisierung der HR-Aufgaben auf Unternehmensebene und führt dazu, dass HR-Teams sich mit einer Flut von Anforderungen konfrontiert sehen, wobei jeder Stakeholder sein Anliegen mit Vorrang betrachtet. Ohne eine von der Geschäftsleitung vorgegebene strategische Ausrichtung fällt es den HR-Abteilungen schwer, Aufgaben zu gewichten und ihre begrenzten Ressourcen optimal einzusetzen. Das verhindert auch, dass HR-Abteilungen ihr volles strategisches Potenzial entfalten können.

Wir beobachten oft, dass die Überlastung von HR-Abteilungen spürbar abnimmt, wenn die Geschäftsleitung einen klaren, wertschätzenden Blick auf HR hat. Dies allein reicht zwar nicht aus, um die chronische Überlastung vollständig abzubauen, ist aber ein wichtiger erster Schritt.

Was sagen Sie vor diesem Hintergrund zu dem Satz "Es braucht ein HR für HR"?

Der Satz hat durchaus etwas Wahres an sich. Dabei muss allerdings beachtet werden, dass "HR für HR" auch eine Form der Selbstfürsorge sein sollte. Es gibt Ansätze, die in diesem Kontext hilfreich sein können. Gezielter Peer-to-Peer-Austausch ist dabei enorm gewinnbringend. Eine der wichtigsten Aufgaben von HR ist es, den Wunsch nach Anerkennung und Entwicklung der eigenen Mitarbeitenden ernst zu nehmen. Wenn aber die HR-Abteilung denselben Wunsch bei sich selbst nicht erfüllt oder auch nicht ernst genommen sieht, dann ist das nur ein weiterer von vielen Stressfaktoren. Dies kann letztlich zum Abwandern hervorragender Kolleginnen und Kollegen in weniger aufreibende Funktionen führen.

Welche internen Stresstreiber können HR-Manager überhaupt beeinflussen und wie?

Sie sollten sich aktiv Zeit für Erholung nehmen, klare Grenzen setzen und auch innerhalb des Teams eine Kultur der Achtsamkeit fördern. Durch die Automatisierung von Aufgaben und die Standardisierung von Prozessen kann die Arbeitslast erheblich reduziert werden. Dadurch werden Routineaufgaben effizienter abgewickelt, was Zeit für strategische Themen schafft. Bei fehlender Anerkennung ist es wichtig, dass HR-Abteilungen sich klar positionieren. Das bedeutet: weniger Diskussionen über den "Seat at the Table" und mehr Fokus auf wirkungsvolle Arbeit, die Ergebnisse liefert und die Bedeutung von HR im Unternehmen sichtbar macht. Durch konsequente Delivery und Execution wird die Relevanz von HR automatisch gestärkt.

Ein großes Problem ist die Flut an Themen - von kleinen Anliegen bis hin zu strategischen Projekten - die aus verschiedenen Richtungen auf HR einprasseln. Wenn von der Geschäftsleitung keine klaren Zielvorgaben kommen, liegt es am HR Lead oder dem HR-Leadership-Team, selbst klare Strukturen zu schaffen, Themen zu priorisieren und Ressourcen gezielt einzusetzen. Nur so kann verhindert werden, dass sich das Team in den vielen Anforderungen verliert.

Welchen Beitrag können Digitalisierung und KI leisten?

Digitalisierung und KI sorgen für Entlastung von HR-Abteilungen. Insbesondere zeitfressende, monotone Aufgaben können automatisiert und in die Organisation gegeben werden. Dies schafft Freiräume für strategische und erfüllende Tätigkeiten. Allerdings ist Vorsicht geboten: Wenn diese Tools nicht bewusst und sehr gut implementiert werden, können sie zum nächsten "Attention-Span-Killer" werden. Es gilt das Prinzip "Shit in, shit out" - das Ergebnis solcher Tools kann immer nur so gut sein wie die Vorarbeit und der zugrundeliegende Prozess. Um das volle Potenzial von Digitalisierung und KI auszuschöpfen, ist es wichtig einen klaren Überblick über bestehende Prozesse zu haben, Optimierungspotenziale, zum Beispiel durch Effizienzgewinne zu identifizieren  sowie Lösungswege aufzuzeigen und zu priorisieren. Dabei ist die zentrale Frage:  Was ist ein Quick-Win und was benötigt mehr Zeit und Ressourcen?

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