Personalexperte Dr. Christoph Schneider erläutert im Interview die Voraussetzungen, die Unternehmen für hybrides Arbeiten erfüllen müssen, und berichtet, inwieweit das Modell zum Umwelt- und Klimaschutz beitragen kann.
Dr. Christoph Schneider ist seit 2022 CEO von IWG Deutschland und verfügt über umfassende Erfahrungen in den Bereichen Vertrieb, Wachstum und Strategie. Zuvor war er als Managing Director Germany bei der Dreamlines GmbH tätig, wo er das Wachstum im Kreuzfahrtsegment vorantrieb. Davor hatte er strategische Positionen bei McKinsey & Company inne.
IWG Deutschland
springerprofessional.de: Herr Dr. Schneider, wie verändert sich die Arbeitswelt im Jahr 2025?
Dr. Christoph Schneider: Die Arbeitswelt wird derzeit maßgeblich von rasant fortschreitenden technologischen Entwicklungen geprägt. Für Unternehmen jeder Größe weltweit eröffnet dieser Wandel erhebliche Vorteile: Sie können die neuesten Innovationen gezielt nutzen, um sowohl die Produktivität als auch die Mitarbeiterzufriedenheit zu steigern. Wir befinden uns also in einem neuen Zeitalter des Arbeitens, geprägt von Flexibilität, Technologie und individueller Wahlfreiheit. Während Unternehmen sich zunehmend vom täglichen Pendeln zu zentralen Büros lösen, ergeben sich neue Chancen, die Nutzung ihrer Büroflächen zu überdenken, unnötige Kosten zu reduzieren und Talenten dort zu begegnen, wo sie sich tatsächlich befinden. Mehr denn je suchen Unternehmen heute nach alternativen und effizienten Lösungen, die es ihren Angestellten ermöglichen, näher am Wohnort oder von alternativen Standorten aus zu arbeiten. Die geografische Einschränkung bei der Jobsuche löst sich demnach im globalisierten und flexiblen Arbeitsmarkt zunehmend auf. Dank moderner Technologie und entsprechender Unterstützung durch die Arbeitgeber können qualifizierte Fachkräfte heutzutage von nahezu überall aus arbeiten. Dieser Wandel eröffnet Unternehmen die große Chance, hybride Arbeitsmodelle zu etablieren und damit auf einen breiteren Talentpool zuzugreifen sowie Mitarbeiterbindung und -leistung nachhaltig zu stärken. Studien zeigen, dass Unternehmen, die solche Modelle einführen, besser für den Wettbewerb aufgestellt sind und langfristig von einer höheren Loyalität ihrer Belegschaft profitieren. Durch die Ausweitung ihrer Standortnetze auf Vororte, Wohngebiete und mittelgroße Städte können Unternehmen ein breiteres Spektrum an Talenten ansprechen. Auch angesichts der derzeit erhöhten wirtschaftlichen Unsicherheit setzen Unternehmen verstärkt auf flexiblere Arbeitsmodelle. Laut unserer jüngsten Studie äußern neun von zehn CEOs und CFOs Sorgen über die Auswirkungen makroökonomischer Unsicherheiten auf ihre Geschäftsaktivitäten. 86 Prozent ergreifen bereits proaktive Maßnahmen, um ihre Unternehmen in diesem herausfordernden Umfeld abzusichern. Darüber hinaus geben 83 Prozent an, dass hybrides Arbeiten eine entscheidende Rolle in ihren Kostenoptimierungsstrategien spielt. Organisationen richten ihren Fokus zunehmend darauf, die Produktivität und das Wohlbefinden ihrer Mitarbeiter zu fördern – und weniger darauf, von wo aus sie arbeiten. Die Erkenntnis, dass qualitativ hochwertige Arbeit an verschiedensten Standorten und nicht nur im zentralen Firmenhauptsitz möglich ist, wird künftig zu einer stärkeren Ergebnisorientierung und zur konsequenten Ausrichtung auf das Erreichen von Geschäftszielen führen.
In welchen Branchen kann sich hybrides Arbeiten hierzulande bereits als Erfolgsmodell durchsetzen?
Hybride Arbeitsmodelle werden in Deutschland zunehmend branchenübergreifend eingeführt. Tätigkeiten, die den Zugriff auf fest installierte, nicht mobile Geräte erfordern – etwa in Fabriken oder in spezialisierten Umgebungen, in denen physische Präsenz für betriebliche Abläufe unerlässlich ist – lassen sich selbstverständlich nicht in ein hybrides Setting umsetzen. Besonders stark ausgeprägt ist hybrides Arbeiten hingegen in sogenannten White-Collar-Branchen – vor allem in wissensbasierten Tätigkeiten, im Management sowie in der Dienstleistungsbranche, wo Mitarbeiter ihre Produktivität unabhängig vom Standort aufrechterhalten können.
Welche (technologischen) Voraussetzungen müssen für Hybridarbeit erfüllt sein?
Theoretisch können Menschen heutzutage von überall aus arbeiten und brauchen lediglich einen Laptop, ihr Telefon und eine stabile Wlan-Verbindung dazu. In der Praxis stellen wir jedoch fest, dass sie zusätzlich Wert auf den Zugang zu einem professionellen Arbeitsumfeld legen – mit neuester Technologie, Business-Wlan sowie verfügbarer Unterstützung durch Personal und Servicemöglichkeiten. Genau deshalb steigt die Nachfrage nach unseren Standorten, Produkten und Dienstleistungen kontinuierlich. Unternehmen investieren ihrerseits zunehmend in Tools, die ihnen Echtzeiteinblicke in ihre Daten liefern. So können sie die Nutzung ihrer Arbeitsflächen optimieren, den Energieverbrauch überwachen und die Kundenzufriedenheit gezielt messen.
Welche Vorteile bietet Hybridarbeit sowohl für die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmer?
Mit der Integration hybrider Arbeitsmodelle setzen Unternehmen gezielt auf produktivere, widerstandsfähigere und anpassungsfähigere Arbeitsweisen. Dank der Flexibilität, näher am Wohnort zu arbeiten und der Freiheit, selbst zu entscheiden, wann und wo sie am besten arbeiten, berichten Mitarbeiter von einer höheren Konzentration und Wohlbefinden. Faktoren, die unmittelbar zu einer höheren Leistungsfähigkeit führen. Beeindruckende 83 Prozent der CEOs berichten von einer spürbaren Leistungssteigerung ihrer Mitarbeiter, nachdem sie neue Geschäftsstandorte eröffnet haben, die mehr Flexibilität und Wachstumspotenzial bieten. Aus finanzieller Sicht können Unternehmen durchschnittlich 11.000 US-Dollar pro Mitarbeiter und Jahr einsparen, indem sie fixe Kosten wie Miete, Heizung und Unterstützungsleistungen reduzieren. Diese Einsparungen steigen mit der Unternehmensgröße erheblich: Eine globale Bank mit 200.000 Mitarbeitern könnte so 2,2 Milliarden US-Dollar einsparen, während selbst ein Dienstleistungsunternehmen mit 2.000 Mitarbeitern seine Ausgaben um 22 Millionen US-Dollar senken würde. Im heutigen hart umkämpften Arbeitsmarkt ist Flexibilität zu einem wichtigen Hebel bei der Gewinnung und Bindung von Top-Talenten geworden. Drei Viertel (75 Prozent) der Führungskräfte gaben an, dass Kandidaten in der Vergangenheit sogar Jobangebote abgelehnt hatten, wenn keine flexible Arbeitsmöglichkeit geboten wurde. 72 Prozent sagten zudem, dass Unternehmen ohne hybrides Arbeitsmodell im Wettbewerb um Talente zunehmend an Attraktivität verlieren. Bei den jüngeren Generationen stuften mehr als die Hälfte (54 Prozent) hybrides Arbeiten und Gehalt als gleichermaßen wichtig ein. Aus Sicht der Angestellten zeigt sich ein klarer Wandel in den Erwartungen an das "Wo" und "Wie" der Arbeit. Vier von fünf Beschäftigten gaben an, dass hybrides Arbeiten ihr allgemeines Wohlbefinden verbessert habe – vor allem dank größerer Flexibilität und einer besseren Work-Life-Balance. Dies zeigte sich in geringeren Stresslevels, besserer körperlicher Gesundheit und sogar positiven Veränderungen in Ernährung und Lebensstil. Diese Aspekte tragen direkt zu einer nachhaltigeren Produktivität und langfristigem Engagement der Belegschaft bei.
Inwieweit trägt Hybridarbeit zum Thema "Nachhaltigkeit" bei?
Die Reduzierung der CO₂-Emissionen, die durch den Wegfall langer täglicher Pendelstrecken ermöglicht wird, kann einen erheblich positiven Einfluss auf die Umwelt haben. Eine zentrale Erkenntnis unserer jüngsten Studie mit Arup: Wer seine Arbeitszeit zwischen wohnortnahem Arbeitsplatz und Homeoffice aufteilt, kann seine arbeitsbedingten CO₂-Emissionen um 49 bis 90 Prozent senken. Unternehmen, die im hybriden Modell arbeiten, haben festgestellt, dass sie durch die effizientere Nutzung von Büroflächen oder durch den Zugang zu flexiblen Arbeitsplätzen ihren Energieverbrauch um bis zu einem Fünftel reduzieren konnten. Insgesamt geben mehr als acht von zehn Unternehmen an, dass sie nach der Einführung des hybriden Modells ihren Energieverbrauch gesenkt und damit auch ihren gesamten CO₂-Fußabdruck reduziert haben. Darüber hinaus sind wohnortnahe Arbeitsplätze in der Regel energieeffizienter, werden besser ausgelastet und verursachen pro Quadratmeter weniger CO₂-Emissionen als traditionelle Büros in Innenstadtlagen. Dies bedeutet, dass das Arbeiten näher am Wohnort nicht nur die Emissionen durch den Weg zur Arbeit reduziert, sondern auch die Umweltbelastung der genutzten Gebäude selbst. Der Umweltschutz war für Unternehmen noch nie so wichtig wie heute. Die weltweit rasch zunehmende Verbreitung des hybriden Arbeitsmodells trägt maßgeblich dazu bei, den Energieverbrauch und den CO₂-Fußabdruck von Unternehmen zu verringern und sie bei der Erreichung ihrer ambitionierten Netto-Null-Ziele zu unterstützen. Zusätzlich profitieren auch die Unternehmensbilanzen von diesen Einsparungen. Insgesamt birgt hybrides Arbeiten das Potenzial, eine wirkungsvolle Klimaschutzmaßnahme zu sein, indem es Emissionen sowohl im Bereich der Gebäude als auch im Verkehr spürbar reduziert.
Warum halten einige Unternehmen dennoch so stringent an Return-to-Office (RTO) fest?
Die Realität, wie und wo Teams heute arbeiten, ist weitaus vielschichtiger, als es die aktuellen Schlagzeilen rund um die Rückkehr ins Büro vermuten lassen. Der Trend in Richtung RTO sorgt tatsächlich für ein spürbares Nachfragewachstum in unserem Geschäft, da Unternehmen ihre Teams befähigen, von mehreren Standorten aus zu arbeiten – einschließlich solcher, die näher an ihrem Wohnort liegen. Für viele Unternehmen und ihre Mitarbeiter weltweit gilt nach wie vor: Hybrides Arbeiten ermöglicht Millionen von Beschäftigten, selbst zu entscheiden, wie und wo sie arbeiten. Und die meisten CEOs von Unternehmen im White-Collar-Bereich sind langfristig von den Vorteilen dieses flexiblen Modells überzeugt.