Mit Künstlicher Intelligenz und Mitarbeiterbindung verspricht 2025 wieder ein spannendes und anspruchsvolles Jahr für die HR-Welt zu werden. Springer Professional hat Branchenexperten zu ihren Prognosen befragt.
KI im Rekrutierungsprozess? Unbedingt - und darüber hinaus
Sven Scherrer, Senior Sales Executive DACH bei Cegid & Experte für HR-Transformation.
Cegid SA
"In wirtschaftlich herausfordernden Zeiten stehen Personalverantwortliche vor der Herkulesaufgabe, die Mitarbeitermoral zu stärken und gleichzeitig effizient zu bleiben. Das erfordert einen kühlen Kopf bei der Talentgewinnung und -bindung. Ich bin überzeugt: Mitarbeiterbindung beginnt schon beim Recruiting. Fehlentscheidungen an dieser Stelle können teuer werden.
Oft wird das Potenzial von Generativer KI und datenbasierten Ansätzen unterschätzt. Recruiting nach Bauchgefühl oder Sympathie? Das gehört der Vergangenheit an. Subjektive Entscheidungen sind keine Option mehr - vor allem nicht im Jahr 2025. Was wirklich zählt, ist ein datengetriebenes Vorgehen mit People Analytics. So können Unternehmen als echte Sparringspartner für ihre Mitarbeiter agieren.
Ein Beispiel: Generative KI-Technologien können Kündigungswahrscheinlichkeiten vorhersagen oder maßgeschneiderte Weiterbildungspläne erstellen. Kombiniert mit Predictive Analytics gibt das Personalverantwortlichen tiefere Einblicke in die Bedürfnisse ihrer Teams - und das sollte im nächsten Jahr noch mehr im Fokus stehen."
Null-Bock-Tage vs. Büropflicht: 2025 wird für HR zum Drahtseilakt
Kerstin Götz, Geschäftsführerin (CEO) der Troi GmbH.
Troi GmbH
"2025 wird zum Drahtseilakt für die Arbeitswelt: Auf der einen Seite stehen Mitarbeiter, die immer stärker auf volle Flexibilität, Homeoffice und die Viertagewoche pochen - am liebsten ohne Präsenzzwang. Auf der anderen Seite formiert sich der Widerstand der Unternehmen, die zunehmend nach Kontrolle, Effizienz und Stabilität verlangen und ihre Teams zurück ins Büro zitieren.
Dieser Spagat zwischen Freiheitsdrang und Unternehmenszielen droht zum Balanceakt zu werden, der vielen Unternehmen die Beine wegreißt. Null-Bock-Tage, an denen die Motivation im Keller ist, prallen auf die starren Strukturen klassischer Bürotage. Unternehmen riskieren damit nicht nur Unzufriedenheit, sondern auch, dass sie den Anschluss an eine neue Arbeitsgeneration verlieren, die Eigenverantwortung und Flexibilität zur Bedingung macht.
Die Wahrheit ist: Viele Firmen scheitern am Mut zur Veränderung. Sie verharren in überholten Kontrollmechanismen, anstatt innovative Modelle zu schaffen, die den Anforderungen beider Seiten gerecht werden. So verspielen sie die Chance, eine Arbeitskultur zu etablieren, die sowohl Leistung als auch Zufriedenheit fördert.
Mein Appell an HR-Profis: Lasst die Extreme hinter euch. Der Schlüssel liegt in einem durchdachten Mittelweg, der Strukturen bietet, ohne Freiräume zu ersticken. Flexibilität darf kein Freifahrtschein sein, aber auch kein Schreckgespenst. Regelmäßige Mitarbeiterbefragungen sollten zur Pflicht werden, um herauszufinden, was wirklich zählt. Und vor allem: Investiert in eine Arbeitskultur, die auf Wertschätzung basiert.
2025 wird das Jahr, in dem Unternehmen entscheiden müssen: Mut zur echten Transformation oder Rückschritt ins alte Kontrolldenken? Die Wahl wird entscheidend sein."
Vom KI-Hype zum Realismus
Amanda Cusdin, Chief People Officer von Sage.
Sage GmbH
"Der KI-Boom hat dazu geführt, dass der Markt KI-gestützter HR-Produkte laut Schätzungen bis 2031 einen Wert von fast 15 Milliarden US-Dollar erreichen dürfte. Im kommenden Jahr wird sich der Hype um Künstliche Intelligenz im Personalwesen allmählich abschwächen. Das bedeutet nicht, dass die Nutzung abnehmen wird. Im Gegenteil: Künstliche Intelligenz wird tatsächlich weiterhin eingesetzt, erprobt und in bestehende sowie neue Produkte und Prozesse integriert - und hoffentlich besser verstanden werden.
Mit fortschreitender Entwicklung werden die Unternehmen allmählich erkennen, dass Kognitive Systeme nur ein Mittel zum Zweck und nicht das eigentliche Ziel ist. Sie mag ein neuer und effektiver Weg sein, um die Probleme zu lösen, die wir schon immer gelöst haben. Aber die Jagd nach KI um der KI willen ist eine fehlgeleitete Verschwendung von Ressourcen und Energien. Der Schwerpunkt sollte immer auf den Ergebnissen liegen, die Künstliche Intelligenz ermöglichen wird."
Kompetenz- und Erfahrungslücken schließen
Thorsten Rusch ist Director Solution Consulting DACH, Nordics & Eastern Europe bei Cornerstone On Demand.
Cornerstone
"Während derzeit fünf Generationen Seite an Seite arbeiten, steht die Arbeitswelt 2025 vor einem entscheidenden Wandel - die Babyboomer gehen in den Ruhestand und hinterlassen damit eine wachsende Lücke im Kompetenz- und Erfahrungsschatz. Es ist an den Unternehmen, diesen Wandel aktiv zu gestalten, indem sie Mentorship und generationsübergreifenden Wissensaustausch stärker fördern, um die Agilität und Innovationskraft nachhaltig zu sichern.
Gleichzeitig rückt die Bedeutung von Skills stärker in den Fokus. In einer dynamischen Arbeitswelt, geprägt von technologischen Innovationen wie KI, reicht Berufserfahrung allein nicht mehr aus. Adaptive Lernmodelle und KI-gestützte Tools werden essenziell, um Fähigkeitslücken zu identifizieren und die kontinuierliche Weiterbildung im Unternehmen zu fördern. Technologien wie immersives Lernen und generative KI ermöglichen es, Lernende dort abzuholen, wo sie stehen, und sie fit für die Herausforderungen von morgen zu machen."
"Einheitliches Wellbeing funktioniert nicht"
Ferdinand Teuber, Head of Germany Corporate bei Wellhub.
Wellhub/GPDE GmbH
"Ich bin überzeugt: Spätestens 2025 müssen sich Unternehmen von einem "One-size-fits-all"-Ansatz im Corporate Wellbeing verabschieden. Zum einen setzt sich immer mehr die Vorstellung durch, dass Wellbeing nicht nur die körperliche, sondern auch psychische und emotionale Gesundheit umfasst. Dazu hat jeder Mensch eine andere Vorstellung davon, was Wohlbefinden ausmacht. Für den einen steht beispielsweise die körperliche Gesundheit im Vordergrund, der andere legt großen Wert auf Meditation und Achtsamkeit.
Auch der Wellhub-Report "Work-Life-Wellbeing 2025" zeigt, wie unterschiedlich die Bedürfnisse der Menschen sind. So sind die jüngeren Generationen offenbar stärker von arbeitsbedingtem Stress betroffen. 47 Prozent aller Beschäftigten geben an, dass Stress am Arbeitsplatz ihr Wohlbefinden beeinträchtigt und damit die Hauptursache für psychische Probleme ist. Ältere Generationen mit etablierteren Karrieren und potenziell größerer finanzieller Sicherheit empfinden hier anscheinend weniger Druck. So nennen beispielsweise nur 35 Prozent der Babyboomer Stress am Arbeitsplatz als ihre Hauptsorge - bei der Gen Z sind es 54 Prozent.
In dieser Gemengelage kann es für Unternehmen schwierig sein, den Überblick für die richtigen Maßnahmen zur Unterstützung der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu behalten. Mein Rat: Auf digitalisierte Angebote setzen. Kein Unternehmen kann es sich leisten, die Bedürfnisse der Gen Z, also der weltweit größten Generation von Arbeitnehmern, zu ignorieren. Und diese setzt bevorzugt vor allem auf App-basierte Tools. Auch lassen sich durch digitale oder hybride Lösungen individualisierte Maßnahmen erstellen, die den Mitarbeitenden viel Gestaltungsspielraum gewähren."