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26.04.2022 | Personalmanagement | Interview | Online-Artikel

"Klima-Bedrohungen erfordern Handeln von Personalmanagern"

verfasst von: Annette Speck

4 Min. Lesedauer

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Nachhaltigkeit heißt das Gebot der Stunde. Dies muss auch für das Personalmanagement gelten, meint Wissenschaftlerin Ulrike E. Meißner. Im Interview erklärt sie ihr praxisbezogenes Konzept zur nachhaltigen Gestaltung von Personalmanagementprozessen.

Springer Professional: Kürzlich wurde Ihre Studie “Nachhaltiges Human Resources Management - Personalprozesse ökonomisch, sozial und ökologisch gestalten“ veröffentlicht. Ist das Thema Nachhaltigkeit im Personalmanagement bislang vernachlässigt worden?

Prof. Dr. Ulrike E. Meißner: Ja, das Thema Nachhaltigkeit ist in den Personalabteilungen als ganzheitliches Konzept bislang nur wenig in Erscheinung getreten. Viele Firmen greifen dieses Thema auf und richten ihre Unternehmensstrategie an den Zielen für eine nachhaltige Entwicklung der Vereinten Nationen aus. Allerdings ist eine konsequente Übertragung auf eine Personalstrategie nur selten erkennbar.

Wodurch zeichnet sich ein nachhaltiges HR-Management gegenüber nicht-nachhaltigem HR-Management aus?

Nachhaltiges Handeln erfordert eine neue Unternehmensausrichtung. Ziel ist es, das Unternehmen langfristig zu sichern und nicht kurzfristig den Gewinn zu maximieren. Zur Erreichung dieses Ziels werden Arbeitnehmende gebraucht, welche die erforderliche Leistungsbereitschaft und -fähigkeit mitbringen. Somit rücken der Mensch und die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit in den Mittelpunkt des betrieblichen Handelns. Die Arbeitsfähigkeit basiert dabei auf dem ganzheitlichen Konzept vom “Haus der Arbeitsfähigkeit“ des finnischen Forschers Ilmarinen. 

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Human Resource Management im Kontext der Nachhaltigkeit

In diesem Beitrag soll dargelegt werden, wie ein Unternehmen über das wirtschaftliche Ziel der Gewinnoptimierung hinaus und ohne weitere Investitionen in die Technologie einen verantwortlichen und sozialen Umgang mit seinen Mitarbeitern gewährleisten kann.

Dieses stützt sich nicht nur auf die vier Stockwerke Gesundheit, Kompetenzen, Kultur beziehungsweise Werte und Arbeit, sondern bezieht auch außerbetriebliche Faktoren wie Familie oder Umwelt mit ein. Daher werden auch ökologische Faktoren automatisch in diese Sichtweise integriert. Ein nachhaltiges Personalmanagement generiert somit eine ökonomische, soziale und ökologische Win-win-Situation für Unternehmen, Arbeitnehmende und die Umwelt, wenn das personalwirtschaftliche Handeln auf die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit der Mitarbeitenden ausgerichtet wird, mit dem Ziel, den Erfolg des Unternehmens langfristig zu sichern und ökologische Aspekte mit einzubeziehen.

Welche Vorteile hat nachhaltiges Personalmanagement für wen?

Eine konsequente Fokussierung des betrieblichen Handelns auf die Erhaltung der Arbeitsfähigkeit hat viele Vorteile: Arbeitnehmende, die gesund, zufrieden, motiviert und kompetent sind, stellen ihre Arbeitskraft dem Unternehmen voll zur Verfügung. Investitionen, die diesen Zustand bei Arbeitnehmenden erreichen, sorgen für die langfristige Sicherung des Unternehmenserfolgs. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels ist es häufig die einzige und beste Möglichkeit, Arbeitnehmende im Unternehmen zu halten und Fehlzeiten zu senken. Berücksichtigen Organisationen gleichzeitig ökologische Aspekte im betrieblichen Alltag, wirkt sich dies ebenfalls positiv auf die Arbeitsfähigkeit aus. Unmittelbar durch zum Beispiel biologisch angebautes Gemüse für das Kantinenessen. Mittelbar durch die Reduzierung von CO2-Emissionen durch digitale Fortbildungen anstelle von Präsenzseminaren mit Anreise. Die Gesellschaft profitiert von einem nachhaltigen Personalmanagement, weil Arbeitnehmende “gesünder“ in den Ruhestand gehen und psychische und physische Folgen der Arbeitsbelastungen reduziert werden können.

Sie haben in Ihrer Studie HR-Prozesse hinsichtlich festgelegter Nachhaltigkeitsfaktoren analysiert. Welche Prozesse und welche Faktoren sind dies?

Die Nachhaltigkeitsfaktoren wurden aus dem “Triple Bottom Line“-Konzept auf das personalwirtschaftliche Handeln übertragen, wonach ökonomische, soziale und ökologische Aspekte gleichermaßen berücksichtigt wurden. In Anlehnung daran wurde in der Studie ein nachhaltiges Personalprozessmodell entwickelt, welches systematisch untersucht, wie sich die Personalprozesse Personalplanung, Recruiting, Personalentwicklung, Personalerhaltung und Personalfluktuation ökonomisch, sozial und ökologisch darstellen.

Wie lässt sich messen, ob/dass HR-Prozesse nachhaltig gestaltet sind?

Ausgewählte Kosten-Nutzen-Analysen und strukturierte Personalinstrumente und deren betriebliche Prozesse dienen in der Studie zur ökonomischen Bewertung. Die soziale Betrachtung folgt der Frage, wie sich die jeweiligen Personalprozesse auf den Menschen auswirken. Sie wird am Modell vom “Haus der Arbeitsfähigkeit“ gemessen. Der ökologische Fußabdruck der Personalprozesse wird in Form von CO2-Emissionen und einer Kompensation durch Bäume beispielhaft analysiert. Lassen sich bei allen drei Nachhaltigkeitsfaktoren positive Effekte messen, so kann man von einer nachhaltigen Gestaltung sprechen.

In welchen HR-Bereichen oder mit welchen Maßnahmen lassen sich die größten Nachhaltigkeitseffekte erzielen?

Die stärksten ökonomischen, sozialen und ökologischen Effekte erzielt die Personalerhaltung, unmittelbar gefolgt von der Personalentwicklung. Wenn Unternehmen die beruflichen und privaten Phasen der Arbeitnehmenden gleichermaßen bei der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit berücksichtigen, hat dies einen unmittelbaren positiven Einfluss auf die Leistungsfähigkeit und -bereitschaft. Dabei ergeben sich viele Synergien, wenn die Instrumente Altersstrukturanalyse, Personalplanung und Personalrisikomanagement konsequent in Bezug auf die Nachhaltigkeit angewendet werden.

Wie sollten Unternehmen, die ihre Personalprozesse nachhaltiger gestalten möchten, an die Aufgabe herangehen?

In Anbetracht der immer stärker werdenden klimatischen Bedrohungen ist sofortiges Handeln von Personalmanagern gefragt. Die Studie gibt viele Anhaltspunkte, wie ein nachhaltiges Personalmanagement gestaltet werden kann, ohne dabei auf eine entsprechende Personalstrategie warten zu müssen. Jede auch noch so kleine Maßnahme in Richtung Nachhaltigkeit ist besser als gar nichts zu tun. Das fängt beim Ausdruck von Unterlagen an und hört beim Angebot von E-Bikes noch lange nicht auf!

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