Welche Anforderungen mit der Lohntransparenz-Richtlinie der EU auf deutsche Unternehmen zukommen, erklärt Diplom-Betriebswirt Goran Barić im Interview – und wirft einen Blick auf die aktuelle Situation in der IT-Branche.
springerprofessional.de: Herr Barić, wie wird sich die EU-Richtlinie zur Gehaltstransparenz auf Unternehmen in Deutschland auswirken?
Goran Barić: Die neue EU-Richtlinie bringt deutliche Veränderungen mit sich und stärkt den Anspruch auf Equal Pay – gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit. Sie wird Unternehmen dazu verpflichten, von Beginn an klare und transparente Gehaltsstrukturen offenzulegen. Zukünftig haben Bewerber ein Anrecht, bereits in Stellenausschreibungen detaillierte Infos zum Gehalt zu erhalten. Besonders für größere Unternehmen ab 250 Mitarbeitern gibt es zusätzliche Anforderungen. Sie müssen regelmäßig Berichte zur Entgelttransparenz vorlegen. Liegt die Gehaltsdifferenz bei vergleichbaren Positionen über fünf Prozent, sind Maßnahmen zur Reduktion der Differenz angesagt. Unternehmen sollten diese Vorgaben ernst nehmen, um mögliche Sanktionen zu vermeiden. Darüber hinaus bietet es Unternehmen die Chance, sich als attraktive Arbeitgeber zu positionieren. Denn aus der diesjährigen Talent Trends Studie der Pagegroup geht hervor, dass das Gehalt nach wie vor das wichtigste Kriterium für Bewerber darstellt.
Welche Maßnahmen sollten Unternehmen ergreifen, um sich darauf vorzubereiten?
Unternehmen sollten ihre Gehaltsstrukturen durchleuchten und sich genau ansehen, welche Kriterien sie anwenden – und ob diese wirklich fair und objektiv sind. Ein erster Schritt kann sein, aktuelle Gehaltsreports zur Orientierung zu nutzen, um einen Vergleich zu ähnlichen Unternehmen und Positionen zu haben. Auch eine transparente Kommunikation über das eigene Vergütungssystem, intern wie extern, ist wichtig. So können Missverständnisse vermieden und Vertrauen gestärkt werden. Unternehmen sollten sich also nicht nur auf rechtliche Anforderungen vorbereiten, sondern auch auf die Erwartungshaltung neuer Fachkräfte, die zunehmend Wert auf Transparenz legen.
Wie finden Unternehmen für Stellenausschreibungen belastbare Vergleichswerte?
Hier helfen objektive Gehaltsreports, die branchenspezifische Gehaltsstrukturen und Entwicklungen am Arbeitsmarkt aufzeigen. Der Gehaltsreport von Michael Page bietet eine breite Datenbasis und detaillierte Angaben zu Gehältern in verschiedenen Kernbranchen. Gerade für kleinere Unternehmen, die oft weniger Vergleichswerte zur Hand haben, kann der Report wertvolle Einblicke geben und den Aufwand für eigene Marktanalysen reduzieren. Dadurch lassen sich nicht nur faire Gehälter ermitteln, sondern auch strategische Entscheidungen im Recruiting und in der Personalplanung erleichtern.
Welche Unterschiede gibt es eigentlich in den Gehaltsstrukturen der Top-Branchen wie IT oder Finance?
Die IT-Branche ist nach wie vor von einem hohen Bedarf an Fachkräften geprägt, bleibt aber bei den Gehältern eher stabil, da viele Unternehmen aktuell ihre finanzielle Schmerzgrenze erreicht haben. In der Finanzbranche hingegen sind speziell in Bereichen wie "Compliance" und "Risk Management" steigende Gehälter zu beobachten. Hier spielen regulatorische Anforderungen eine zentrale Rolle, die auch das Gehaltsniveau beeinflussen. Engineering bleibt ebenfalls ein stark nachgefragter Bereich, in dem insbesondere hochqualifizierte Ingenieure gesucht werden, was die Gehälter in dieser Branche antreibt.
Wie bewerten Unternehmen heute Soft Skills im Vergleich zu technischen Fähigkeiten, und wie spiegelt sich das in den Gehaltsstrukturen wider?
Soft Skills sind heute wichtiger denn je. Unternehmen legen zunehmend Wert darauf, dass die Bewerber nicht nur fachlich fit sind, sondern auch beispielsweise kommunikative Fähigkeiten und Problemlösungskompetenzen mitbringen. Wer also seine Soft Skills pflegt und weiterentwickelt, kann davon in Gehaltsverhandlungen profitieren. Diese Entwicklung zeigt, dass Unternehmen Soft Skills heute oft genauso hoch wie technische Qualifikationen bewerten.