In den kommenden Jahren werden Organisationen dank des demographischen Wandels Probleme haben. Dazu kommen neue Technologien, die den Arbeitsalltag verändern. Wie Arbeitnehmer dazu stehen, hat eine Studie herausgefunden.
Digitalisierung und demographischer Wandel: Es kommt einiges auf unsere Wirtschaft zu. Doch wie gehen die Arbeitnehmer damit um?
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In den kommenden fünf Jahren fehlen dem europäischen Arbeitsmarkt über drei Millionen Arbeitskräfte. Tendenz steigend. Ständige neue technische Entwicklungen erfordern zudem eine längere Ausbildungszeit der Mitarbeiter. Zugleich führt der demographische Wandel dazu, dass mehr Menschen das Renteneintrittsalter erreichen als neue Arbeitskräfte nachkommen.
Die Folge: Der Ruhestand kann erst später gewährt werden. Für die Studie "Voice of the Workforce in Europe Survey" wurden 15.000 Arbeitnehmer in zehn europäischen Ländern zu ihren Bedürfnissen und Erwartungen von und zur neuen Arbeitswelt von der Unternehmensberatung Deloitte befragt. Ziel war es, herauszufinden, inwiefern die Arbeitnehmer auf den digitalen Wandel vorbereitet sind und die demographischen Änderungen verstehen.
Die Arbeitswelt altert
Laut der Studie gibt es schon jetzt mehr Kollegen über 50 Jahren als unter 35 Jahren. Beide Gruppen machen rund 30 Prozent der gesamten arbeitenden Bevölkerung aus. Wenn sich die derzeitige Entwicklung jedoch weiter fortsetzt werden im Jahr 2028 bereits 38 Prozent der Belegschaft über 50 sein. Dabei sind laut der Studie gerade die über 50-Jährigen Arbeitnehmer bereit, auch nach dem Erreichen des offiziellen Renteneintrittsalters in Teilzeit oder als freie Mitarbeiter weiter zu arbeiten.
Digitaler Wandel? Betrifft mich nicht.
"Mit den ambivalenten Entwicklungen der Digitalisierung der Arbeit und dem gleichzeitigen demographischen Wandel sind vor allem soziale Innovationen in den Prozessen der Arbeit gefordert, um die Anforderungen als Chance zu begreifen und um Menschen human in diese Prozesse integrieren zu können", erklären Springer-Autoren Oleg Cernavin, Thomas Thiele, Markus Kowalski und Stephanie Winter in "Digitalisierung der Arbeit und demografischer Wandel" (Seite 29).
Die wenigsten Arbeitnehmer erwarten allerdings solche Veränderungen durch die Digitalisierung und überschätzen grundsätzlich ihre Kompetenzen im Umgang mit dem technologischen Wandel. Gerade einmal zwei Prozent der Befragten glauben, dass ihr Job in den nächsten Jahren verschwinden wird und 18 Prozent gehen davon aus, dass es zu neuen Anforderungen kommen wird. Damit liegt Deutschland leicht unter dem Durchschnitt in Europa. Denn in Frankreich, Italien, Spanien und den Niederlanden wird der Veränderungsdruck sehr viel höher eingeschätzt.
Springer-Autor Peter Jaeger hat in dem Buchkapitel "Der Change-Prozess in der Arbeitswelt und auf den Arbeitsmärkten" dafür eine Erklärung und bezieht die Ablehnung vieler deutscher gegenüber dem digitalen Wandel auf den Change-Prozess. Dieser ist in vier Phasen unterteilt: Realitätsverweigerung, Widerstand bis zur Adaption und positive Gestaltung (Seite 48).
"Die große Herausforderung hierbei ist aber, dass die Umorientierung – der Change – innerhalb des bestehenden Arbeitsumfelds durchzuführen ist. Parallel müssen wir anfangen, die nötige Flexibilität und Fortbildung zu organisieren", so Jaeger (Seite 50).
Lebenslanges Lernen steht nicht zur Debatte
Auch zum Thema lebenslanges Lernen bietet die Studie einige interessante Ergebnisse: So haben auf europäischer Ebene rund 30 Prozent der Befragten noch keine Anstrengungen unternommen, ihre eigenen Soft und Hard Skills auszubauen.
Diese Entwicklung ist jedoch laut Springer-Autoren Peter J. Weber und Katharina Feistel nicht förderlich. Im Buchkapitel "Talent Management durch Weiterbildung und seine Veränderung durch die Digitalisierung" aus dem Buch "War for Talents" beschreiben beide, dass "Unternehmen wie Mitarbeiter sich der Herausforderung Digitalisierung" stellen müssen (Seite 192).
"So können Werte wie Selbstverwirklichung bei gleichzeitiger Orientierung an den digitalen Veränderungen zu einem kooperativen strategischen Narrativ im Rahmen der vertikalen Loyalität zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer werden, die durch eine horizontale Identifkation zwischen den wichtigen Talenten im Unternehmen, die sich durch soziale Medien zu Netzwerken zusammenschließen, ergänzt werden", erklären Weber und Feistel (Seite 192).
Laut der Studie wissen allerdings 42 Prozent gar nicht, wie sie ein solches Wissen aufbauen sollen. In Deutschland denken 50 bis 60 Prozent der Befragten, dass ihre jetzigen Fähigkeiten für die Arbeitswelt von Morgen ausreichen.
Der Wunsch nach Stabilität und Sicherheit
Was bleibt, ist der Wunsch nach einer angemessenen Entlohnung, nach Job-Sicherheit, einem attraktiven Arbeitsumfeld, nach Unterstützung durch das Management und nach klar formulierten Zielen. Gerade in Deutschland überwiegt hier bei Arbeitnehmern der Wunsch nach kompetenter Führung und klaren Zuständigkeiten. Dabei sind laut Studie die Aspekte "soziale Akzeptanz" und "Wachstumspotential" geringer ausgeprägt, als in den anderen befragten Ländern.