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2016 | Buch

Phönix, Wiener und Berliner

Aufstieg und Sturz eines europäischen Versicherungskonzerns

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Über dieses Buch

Der Band stellt einerseits Vorgeschichte, Verlauf und Auswirkungen eines der spektakulärsten Zusammenbrüche eines Versicherungskonzerns im 20. Jahrhundert dar und bietet darüber hinaus eine am Beispiel demonstrierte, systematische Analyse der Verflechtung von Misswirtschaft mit Medien, Staat und Gesellschaft.

Die Phönix Lebensversicherung, mit Sitz in Wien und Kunden in 22 Ländern, wurde im Jahr 1936 zahlungsunfähig. Sie hatte riesige Verluste aufgetürmt, Bilanzen gefälscht und Schlüsselpersonen hofiert. Ihr Sturz drohte eine europaweite Finanzkrise auszulösen und wurde mit diktatorischen Maßnahmen aufgefangen. Das Buch schildert die wirtschaftliche wie politische Rolle des Versicherers vor 1918, während der Weimarer Republik und ab 1933.

Inhaltsverzeichnis

Frontmatter
Versicherungswirtschaft und Wirtschaftskriminalität
Zusammenfassung
Der Phönix, in der Geschichte dieses Buches, ist ein österreichischer Versicherer, den ein Wiener namens Berliner mit Unternehmergeist und Raffinesse an die europäische Spitze führt und 1936 mit ihm abstürzt. Die deutsche Niederlassung in München wird mit Schweizer Hilfe aufgefangen und die Versicherten bleiben verschont, auf Weisung aus dem preußischen Berlin. – Der Phönix, in der Geschichte der Mythen: dies ist der sagenhafte Feuervogel, der sich einen Scheiterhaufen aus Zimt und wohlriechendem Holz errichtet, sich darauf verbrennt und aus der Asche wieder ersteht, verjüngt und erstarkt für ein weiteres Leben. Aus der ägyptischen Mythologie überliefert, steht er für das Ideal eines von göttlicher Macht bestimmten Zyklus, ist ein Sinnbild für Auferstehung und Unsterblichkeit.
Hans H. Lembke
Der Phönix in Österreich-Ungarn und den Nachfolgestaaten
Zusammenfassung
Im März 1936 brach in Wien die Lebensversicherungs-Gesellschaft » Phönix « zusammen. Schon bald wurde der Fall zum Skandal. Die ersten Pressemeldungen zeigten noch Zurückhaltung. » Austria Finds Deficit in Insurance Concern « schrieb die New York Times; das Kabinett in Wien habe über Nacht drei Auffanggesetze erlassen. Die Frankfurter Zeitung berichtete über österreichische Staatsmaßnahmen bei dem Versicherer und fügte hinzu: » Der deutsche Policenbestand gesichert «. Sehr behutsam war die Berichterstattung der Wiener Zeitung.
Hans H. Lembke
Die Ambitionen auf den deutschen Markt
Zusammenfassung
Für österreichische Lebensversicherer lag es im 19. Jahrhundert durchaus nahe, ihr Glück auch in Deutschland zu suchen. Dies galt nicht nur im geographischen Sinne und wegen der gemeinsamen Sprache. Wichtiger noch war das Nachfragepotenzial, das sich nach dem Start in den 1830ern schon bis zur Jahrhundertmitte herausgebildet hatte. Der Gründer Arnoldi machte 1827 mit seiner Gothaer Lebensversicherungsbank für Deutschland den Anfang. Und er hielt noch 1850 die Spitze, mit weitem Abstand vor nunmehr neun deutschen Konkurrenten.
Hans H. Lembke
Die Lebensversicherung der Volksgemeinschaft
Zusammenfassung
Der Phönix hatte sich im Deutschland der Weimarer Zeit fest etabliert, wenn auch unter dem zunehmend kritischen Blick der staatlichen Aufsicht. Die Verhandlungen über die Kaution verliefen schleppend, Entscheidungen waren nicht vor Frühjahr 1933 zu erwarten. In derselben Zeit überschlugen sich die Ereignisse auf der politischen Ebene, mit zunächst noch unübersehbaren Folgen auch für die Versicherungswirtschaft. Sollte die Hitler-Regierung sich als eine nützliche, kurzlebige Kraft zur Stabilisierung erweisen oder würde sie tiefgreifend und nachhaltig die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rahmenbedingungen verändern?
Hans H. Lembke
Der deutsche Phönix unter Anpassungszwang
Zusammenfassung
Die Veränderungen in der deutschen Versicherungslandschaft ab 1933: wie wirkten sie auf den Phönix, auf seine Geschäftstätigkeit und Position im deutschen Lebensversicherungsmarkt? Hielt er mit im intensiven Wettbewerb, wie war sein Bild in der Presse? Konnte er die Anforderungen der Versicherungsaufsicht bewältigen? Wurden diese » politischer «, war er auch direkten Angriffen von Parteistellen ausgesetzt? Änderte sich die Zusammensetzung von Direktionsrat und Vorstand, gab es eine » Arisierung «? Wie verhielt der Versicherer sich gegenüber seinen jüdischen Kunden? Kurzum, wie erging es dem Phönix in Deutschland, zwischen dem Aufstieg der Nationalsozialisten und seinem Sturz?
Hans H. Lembke
Die Lebensversicherung für jüdische Kunden
Zusammenfassung
Wie verhielten sich Versicherer gegenüber Kunden, die spätestens ab 1933 als jüdisch galten? Ein » Kapitel für sich «, mit vielen Verästelungen und offenen Fragen. Durchleuchtet wird zunächst, wie europäische Versicherungsgesellschaften sich auf eine stürmisch wachsende Nachfrage nach » Finanzprodukten « einstellten, die wohlhabenden Juden helfen sollten, Vermögen über die deutsche Grenze zu bringen. Dafür gab es legale Wege, die dennoch Stirnrunzeln in Partei und Staat erregten, und es gab Schiebungen – zumindest aus Sicht der Gestapo. Aber es gab auch einvernehmliche Lösungen, die von der NS-Regierung aktiv mitgetragen wurden.
Hans H. Lembke
Der Krach in Wien und das deutsche Echo
Zusammenfassung
Österreich wurde von der Weltwirtschaftskrise ähnlich schwer wie Deutschland getroffen. Das Bruttonationalprodukt schrumpfte 1930 – 35 real von elf auf neun Milliarden Schilling; erst 1936 gab es wieder ein leichtes Wachstum. Die Arbeitslosenrate stieg bis 1933 auf 26 Prozent und sank bis 1936 nur leicht. Ein einschneidendes Ereignis, das diesen Niedergang beschleunigte, war der Zusammenbruch der Creditanstalt, Österreichs größtem Finanzinstitut, im Frühjahr 1931. Die österreichische Regierung, zusammen mit der Nationalbank und dem Bankhaus Rothschild, intervenierte massiv um den Zusammenbruch zu stoppen.
Hans H. Lembke
Der Fall Phönix in Politik und Wirtschaft
Zusammenfassung
Der Fall Phönix war ein Nebenschauplatz im Kampf um Staatsform und Souveränität der österreichischen ersten Republik. Die wichtigsten internen Kontrahenten waren: erstens die Vertreter eines nationalen, ständisch-katholischen Modells, zweitens die Befürworter einer Anlehnung an den italienischen Faschismus, unter Wahrung der nationalen Souveränität, und nicht zuletzt die Eiferer für Angleichung oder Anschluss an den deutschen Nationalsozialismus. Auf diese fragile Konstellation nahmen ausländische Mächte massiv Einfluss: primär die Staaten Hitlers und Mussolinis, ihrerseits im handfesten Interessenkonflikt.
Hans H. Lembke
Die Ehrbarkeit in der Krise
Zusammenfassung
Ein Großteil der Phönix-Geschichte ist erzählt, und vieles von dem, was der oft genannte Direktor dazu beigetragen hat, dem Leser bekannt. Nur: was weiß er über den Menschen Wilhelm Berliner, welche Vorstellung hat er von seiner Persönlichkeit, von seiner sozialen Rolle? Erschließt sich ihm, welches Bild Berliner selbst von sich hatte, von seinen Charakterzügen, seiner Individualität, seinen Aufgaben, seiner Gesamtidentität?
Hans H. Lembke
Die Nachwirkungen
Zusammenfassung
Die Dreißiger Jahre brachten den Lebensversichern in Deutschland ein außerordentliches Wachstum. Allein der Bestand der Privatgesellschaften stieg zwischen 1932 und 1940 von 18 auf 30 Milliarden RM. Bis 1943 sollte sich dieser Aufschwung noch fortsetzen, allerdings einhergehend mit einem raschen Anstieg von » Kriegsrisiko « und » Sterblichkeit «. Nicht alle Lebensversicherer hatten daran teil; der Wettbewerb blieb hart, und die Konzentration schritt voran. Die Zahl nichtöffentlicher Anbieter schrumpfte; kleinere Gesellschaften schieden aus, fusionierten oder wurden übernommen.
Hans H. Lembke
Die Systemrelevanz des Phönix und der AIG
Zusammenfassung
Die Erschütterung, die der Sturz des Phönix 1936 auslöste, blieb für Jahrzehnte einzigartig. Die Versicherungswirtschaft ist seitdem enorm gewachsen, auf eine Prämiensumme von mehr als 4 Billionen Dollar weltweit. Sie hat längst die globale Dimension erreicht und in unaufhaltsamer Konzentration eine knapp zweistellige Zahl von Giganten entstehen lassen. Die Finanzkrise, 2008/09 kulminiert, hat auch sie getroffen, der Fall der American International Group ist das deutlichste Beispiel.
Hans H. Lembke
Backmatter
Metadaten
Titel
Phönix, Wiener und Berliner
verfasst von
Hans H. Lembke
Copyright-Jahr
2016
Electronic ISBN
978-3-658-10974-5
Print ISBN
978-3-658-10973-8
DOI
https://doi.org/10.1007/978-3-658-10974-5