Mit Solidarischen Balkonkraftwerken kann man bürokratische Hürden umgehen und die Energiewende voranbringen. Ein Projekt entstand gerade in Hamburg.
Das Mieterstrompotenzial in Deutschland ist bei weitem noch nicht ausgeschöpft. Eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass die aktuelle Mieterstromerzeugung bei nur 0,16 Terawattstunden liegt, das Potenzial aber bei 43 Terawattstunden pro Jahr. Ein Grund dafür sind oft hohe bürokratische Hürden. Die sollen mit sogenannten Solidarischen Balkonkraftwerken umgangen werden.
Ein solches Konzept wurde im Herbst 2024 in Hamburg-Ohlsdorf auf Mehrfamilienhäusern umgesetzt. Die Idee verbindet eine maximale Nutzung der Sonnenenergie mit einer einfachen technischen Umsetzung und einer solidarischen Finanzierung durch Vermieter und Mieter. Das Projekt zeigt, welches Potenzial Mieterstrommodelle für die Energiewende in Deutschland haben. Bisher gibt es bundesweit nur rund 9.000 Mieterstrommodelle, obwohl theoretisch mehr als 14 Millionen Haushalte in Mehrfamilienhäusern davon profitieren könnten.
In Hamburg-Ohlsdorf am Kerbelweg und am Salbeiweg stehen zwei- und viergeschossige Gebäude mit insgesamt 32 Wohnungen auf 2.354 Quadratmetern Wohnfläche. Nach einer Dachsanierung und Dämmung im Jahr 2023 bieten diese Gebäude ideale Voraussetzungen für Solaranlagen.
Balkonkraftwerk für jede Wohnung
Jede der 32 Wohnungen erhält ein Balkonkraftwerk auf dem Dach, dessen Strom über einen Batteriespeicher im Keller direkt in die jeweilige Wohnung fließt. Überschüssige Energie wird ins Netz eingespeist. Pro Wohnung besteht die Anlage aus vier Solarmodulen mit einer Leistung von 1.760 Wattpeak, Batterien mit einer Kapazität von 4,3 kWh und Wechselrichtern. Die Verkabelung erfolgt über vorhandene Leerrohre, so dass der bauliche Aufwand gering bleibt.
Zusätzlich wurden zwei größere PV-Anlagen installiert: Eine Eigenverbrauchsanlage mit 54 Solarmodulen deckt den allgemeinen Strombedarf der Häuser, eine zweite Anlage mit ebenfalls 54 Modulen speist Strom ins öffentliche Netz ein.
Der Vermieter übernimmt die Investitionskosten von rund 280.000 Euro und geht damit in Vorleistung. Die Mieter zahlen eine Dachmiete, die sich an den tatsächlichen Einsparungen orientiert, der Gewinn wird geteilt. Die Mieter sparen durchschnittlich 4,11 Euro pro Quadratmeter und Jahr an Stromkosten, bei einer 70-Quadratmeter-Wohnung sind das rund 280 Euro pro Jahr. Zusätzlich entfallen die bisherigen allgemeinen Stromkosten.
Der Vermieter nutzt die EEG-Einspeisevergütung zur Refinanzierung seiner Investitionen. Das solidarische Konzept ohne Drittanbieter vereinfacht die Abrechnung und reduziert den Verwaltungsaufwand, da weniger Bürokratie erforderlich ist als bei herkömmlichen Mieterstrommodellen.
Christian Warsch, Geschäftsführer der WDM Asset Service & Immobilien GmbH, erklärt: "Als wirtschaftlich stärkster Partner trage ich die gesamten Investitionskosten und gehe in Vorleistung. Das ist für mich Vermieter-Mieter-Solidarität."
Entlastung der Verteilnetze
Sein Unternehmen verwaltet sechs Häuser mit insgesamt 114 Wohnungen in Hamburg-Ohlsdorf. Warsch hat das Konzept der Solidarischen Balkonkraftwerke entwickelt, um den Solarstrom in seinen Gebäuden optimal zu nutzen.
Das Modell entlastet die Verteilnetze, da Erzeugung und Verbrauch am selben Ort stattfinden. Die Nutzung vor Ort reduziert Leitungsverluste und bietet Vorteile für Mieter und Vermieter. Durch die optimale Nutzung der Dachflächen und den lokal verbrauchten Solarstrom wird die Effizienz gesteigert, ohne das Hamburger Netz zu belasten.