Landwirtschaftlich nutzbare Flächen geraten unter Druck, etwa durch deutlich höhere Pachtangebote von PV-Anbietern. Auch deshalb sollten Landwirte zu Energiewirten werden, rät Jörg Trübl, Gründer und CEO der Mabewo, die sich auf Hightech-Lösungen für die Landwirtschaft von morgen wie Indoor Farming oder Agri-PV spezialisiert hat.
springerprofessional.de: Warum sollte die Landwirtschaft Klimaschutz, Versorgungssicherheit und Kreislaufwirtschaft heute zusammendenken?
Jörg Trübl: Da gibt es mehrere Gründe. Erstens die Auswirkungen des Klimawandels, sei es Dürre, Überschwemmungen, häufigere Starkregenereignisse oder Hagel. Hier müssen wir reagieren. Das kann beispielsweise durch den Schutz der Anbaukulturen oder eine technischere Bewirtschaftung erfolgen, die in der herkömmlichen Landwirtschaft bisher nicht bekannt war.
Zweitens muss man immer die Wirtschaftlichkeit im Blick behalten.
Die Synergie zwischen Pflanzenanbau und zusätzlicher Stromerzeugung wird entscheidend sein. Agrar-Solarprojekte, wie sie derzeit propagiert werden, gehen meiner Meinung nach noch nicht weit genug. Eine reine Versiegelung ist nicht akzeptabel. Die Nutzung der Ackerflächen zur Energieerzeugung ist wichtig, aber sie muss in enger Synergie mit den landwirtschaftlichen Erträgen erfolgen.
Wenn die getroffenen Maßnahmen nicht zu einer Ertragssteigerung in der Landwirtschaft führen, gibt es keinen Grund für einen Landwirt, PV-Module auf seinen Feldern zu installieren, da es wirtschaftlich nicht sinnvoll ist.
Drittens sehe ich den Bereich der künstlichen Intelligenz und des Datenmanagements als entscheidend an. Wann genau beschattet man die Felder? Wann genau beregnet man sie? Es gibt sicherlich Modelle und Rechenverfahren, die dies vernünftig berücksichtigen können. In meinen Augen ist der Landwirt immer mehr zum Energiewirt geworden.
Welche Rolle könnte dabei die Agri-PV spielen?
Das ist ein viel komplexerer und teurerer Prozess als die normale Flächen-PV. Ich denke, vor allem vertikal aufgestellte Solarpaneele mit Ost-West-Ausrichtung könnten hier einen Beitrag leisten, da sie einfacher zu installieren und nicht viel teurer sein dürften als herkömmliche Freiflächenanlagen, die nach Süden ausgerichtet sind. Doch auch dann wird eine Amortisation schwer.
Warum sollte dann der Ertrag aus dem Feld als Quersubvention für die Agrar-Solaranlage dienen? Das wird kein Landwirt machen. Wir müssen die Kosten betrachten und die Erlöse. Nötig wären 10, 11 oder 12 Cent pro Kilowattstunde auf der Ertragsseite, damit es funktioniert.
Muss denn der Freilandanbau im Zuge des Klimawandels technologisch umgedacht werden?
Neue Pflanzen werden in unsere Breiten kommen, vorhandene Pflanzen müssen möglicherweise substituiert werden. International werden neue Flächen für landwirtschaftliche Nutzung erschlossen, die aufgrund veränderter Temperaturbedingungen plötzlich geeignet sind. Zum Beispiel könnte der Anbau von Kartoffeln auf 1500 Metern möglich sein, weil die Temperaturverhältnisse passen.
Intensive Bewirtschaftung bedeutet, dass wir im Mikrobereich genau darauf achten, welche Maßnahmen bei Wasser- und Nährstoffversorgung erforderlich sind. Dies erfordert mehr Datennetze, die etwa entlang der Solaranlagen verlegt sein können, oder drahtlose Netzwerke.
Die Landwirtschaft wird technischer und datengetriebener und erfordert eine höhere Qualitätssicherung. Wir sehen dies in Beispielen in Südfrankreich, Norddeutschland und Ungarn, wo wir in verschiedenen Projektentwicklungen aktiv sind.
Können sich denn Ertragsteigerung und Energiegewinnung gegenseitig stützen?
Ein konkretes Beispiel ist der Anbau von Erdbeeren im Allgäu. In diesem Jahr gab es aufgrund von Starkregen und Bodenfeuchtigkeit einen katastrophalen Ernteausfall von 100 %. Eine intelligente Anlage, die die Kulturen vor solchen Starkregenereignissen und Feuchtigkeit im Boden geschützt hätte, hätte hier einen Unterschied gemacht. Eine solche Anlage hätte möglicherweise Schutzmechanismen wie Dächer oder Beschattung bereitgestellt und so den Ertrag erhalten können.
Schafft moderne Landwirtschaft mittels Technologie mehr Verzicht, etwa auf Düngemittel oder Pestizide oder eben Bewässerung?
Durch genaue Beobachtung und Datensammlung können wir abschätzen, in welchem Entwicklungsstadium sich die Pflanzen zu einem bestimmten Zeitpunkt befinden und welche Wetterbedingungen in den nächsten zehn Tagen zu erwarten sind. Auf dieser Grundlage können wir entscheiden, ob eine Bewässerung erforderlich ist und welche Auswirkungen sie auf das Grundwasser haben könnte.
Zum Düngen: Es ist meiner Meinung nach keine ausreichende Lösung, einfach weniger Stickstoff zu verwenden. Das allein wird das komplexe Problem nicht lösen.
Sie sind auch im Bereich des Indoor Farming aktiv…
Die Urbanisierung führt dazu, dass wertvolle Ackerflächen in den städtischen Gebieten verloren gehen, da sie für die Ausdehnung von Wirtschaftszentren und die Bodenversiegelung genutzt werden. Das stellt eine Herausforderung dar, insbesondere für Landwirte, die ihre wichtige Rolle in der lokalen Grundversorgung und Lebensmittelproduktion beibehalten möchten.
Hier sehe ich die Notwendigkeit, den Landwirten neue Werkzeuge zur Verfügung zu stellen, um in dieser veränderten Struktur erfolgreich zu bleiben. Ein Beispiel dafür ist das Indoor Farming, bei dem die Kontrolle der Umgebungsbedingungen auf höchstem Niveau betrieben wird. Dies ermöglicht Nähe zum Kunden und zum urbanen Raum, reduziert Transportwege und minimiert den Verlust landwirtschaftlicher Flächen.
Es bietet den Landwirten auch die Möglichkeit, ihre Erträge zu steigern, ihr Produktportfolio anzupassen und gleichzeitig Flächen für Biodiversität oder Energieerzeugung freizugeben.
Wir glauben, dass Indoor Farming und geschützter Freilandanbau in Deutschland eine größere Rolle spielen werden und verstärkte Investitionen erfordern. Auch andere Akteure wie Einzelhandelsunternehmen schauen bereits in diese Richtung und erkennen die Wettbewerbsvorteile einer dezentralen Indoor-Produktion im Vergleich zur konventionellen Landwirtschaft.
Wir möchten betonen, dass Nachhaltigkeit bedeutet, die Landwirtschaft mit neuen Technologien auszustatten und weniger auf große zentrale Anlagen mit Tausenden von Quadratmetern Anbaufläche zu setzen, die möglicherweise die herkömmliche Produktion konkurrenzieren.